HSV-Rückkehrer van der Vaart:Kleiner Engel auf Mars-Mission

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Rafael van der Vaart ist zurück in Hamburg. Er kann nicht übers Wasser laufen, aber alles andere trauen sie ihm beim HSV durchaus zu. Die Euphorie ist trotz arger finanzieller Probleme groß.

Jörg Marwedel

Die Betreiber der Mars-Bar in Hamburg-Hoheluft haben das Ehepaar Silvie und Rafael van der Vaart in den vergangenen vier Jahren ziemlich vermisst. Nicht nur, weil die beiden recht oft dort gegessen oder Kaffee getrunken hatten, also Stammkunden waren. Es war ja auch Werbung für das kleine Restaurant. Inzwischen hat die umtriebige TV-Moderatorin Sylvie per Twitter mitgeteilt, dass man wieder ins geliebte, feine Eppendorf ziehen und das alte Leben fortsetzen wolle, das man zwischen 2005 und 2008 in Hamburg genossen hatte. Also auch in der Mars-Bar, die unterhalb ihrer ehemaligen Wohnung liegt.

Es gibt auch außerhalb der Mars-Bar sehr, sehr viele Menschen in der Hansestadt, die sich über die Rückkehr der niederländischen Familie van der Vaart freuen. Einige sind geradezu berauscht. Besonders jene Fans des Hamburger SV, die vor gut zwei Wochen nach total missglücktem Saisonstart schon dem Abstieg ihres "Dinos" im 50. Bundesligajahr ins Auge blickten. Vor seinem ersten Bundesliga-Einsatz für den HSV seit dem 17. Mai 2008 (7:0 gegen den Karlsruher SC) am Sonntag bei Eintracht Frankfurt ist nicht nur Rafael van der Vaart, 29, so "aufgeregt wie vor meinem ersten Spiel", sondern alle, die sich zuletzt um den Traditionsklub sorgten.

Der frühere HSV-Kapitän, der bei Real Madrid und Tottenham Hotspur vergeblich versuchte, eine richtige Welt-Karriere hinzulegen und nun für 13 Millionen Euro zurückgekauft wurde, ist in Hamburg aufgenommen worden wie ein Messias. Als habe es nie seine Versuche gegeben, die Freigabe vom HSV zu erzwingen, zum Beispiel mit einem Foto, das den HSV-Profi 2007 mit dem Trikot des FC Valencia zeigte. Aber wer wird denn da noch nachtragend sein!

Van der Vaart weckt Erinnerungen an bessere Zeiten und lässt alle aktuellen Missstände des sportlich wie wirtschaftlich ins Minus geratenen HSV verschwinden. Der "Stimmungsumschwung", den der HSV-Vorsitzende Carl Edgar Jarchow erwartete, ist eingetreten. Zumindest bis zum Spiel in Frankfurt.

Es ging schon beim ersten Training los, als mehr als 1000 Fans den Heimgekehrten überschwänglich begrüßten und danach ziemlich viele van-der-Vaart-Trikots kauften. Die Sportplätze in Schwarzenbek und Niendorf waren ausverkauft, als der HSV zu Testspielen mit van der Vaart antrat. In einer Zeitung stritten sich sechs Klubs darum, wer die besten Bedingungen für das Fußball-Talent des van-der-Vaart-Sohnes Damian, 6, bieten könne.

"Dass Druck entsteht, wusste ich, bevor ich den Namen unter den Vertrag setzte", sagt van der Vaart ganz unaufgeregt. Er gilt als Vorbild im Umgang mit den Wünschen von Fans, Sponsoren und Medien. "Vielleicht", meinte der frühere HSV-Trainer Thomas Doll im Abendblatt, "können die jungen Spieler, die sich bereits für Superstars halten, durch Rafa lernen, wie sich ein wahrer Superstar zu verhalten hat."

Wer zuletzt bei den Übungsstunden vorbeischaute, konnte genau erkennen, was der Trainer Thorsten Fink plant. Fast alle Bälle wurden auf den Mann mit dem Spitznamen "kleiner Engel" gespielt. Der leitete sie dann gekonnt, auch mal über 30 Meter, weiter. Und wenn ein Mitspieler in Bedrängnis geriet, konnte er den kleinen Engel natürlich ebenfalls anspielen. "Eifersucht", sagt Fink, werde es im Team nicht geben. Alle seien froh, "dass er die anderen mitreißen kann und ein wenig Druck von der Mannschaft nimmt". Natürlich, sagt Fink, könne van der Vaart den HSV nicht alleine retten, da müssten alle mitwirken.

Der Komiker Olli Dittrich alias Dittsche, ein HSV-Fan seit Schülertagen, stellte korrekt fest: "Auch van der Vaart kann nicht übers Wasser gehen." Und doch sind nicht nur die Anhänger beseelt, sondern auch Thorsten Fink, der seit dem Transfer wieder deutlich bessere Laune hat: "Jetzt kann keiner mehr sagen, dass wir nicht die Qualität haben, Spiele zu gewinnen." Das bezog er nicht allein auf den Holländer, sondern auch auf die ebenfalls spät verpflichteten Mittelfeld-Helfer Petr Jiracek (Wolfsburg) und Milan Bardelj (Zagreb).

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Womit sogleich eine neue Debatte eröffnet wurde. Frankfurts Vorsitzender Heribert Bruchhagen, in den neunziger Jahren HSV-Manager, beanstandete, diese Käufe für mehr als 20 Millionen Euro führten dazu, dass in der Bundesliga "möglicherweise kein fairer Wettbewerb" mehr stattfinde. Der verschuldete HSV hat die Wechsel nur mit Hilfe eines Kredites des milliardenschweren Gönners Klaus-Michael Kühne stemmen können. Das sorgte auch im Aufsichtsrat für Diskussionen, denn der Klub ist wegen der zunehmenden Abstiegsangst von seinem Konzept komplett abgewichen, die Schulden zu reduzieren.

Er fordert die Bälle und will den Erfolg zurück nach Hamburg bringen: Rafael van der Vaart spielt wieder im Trikot des HSV. (Foto: dpa)

Angeblich haben drei Kontrolleure ihre Zustimmung versagt. Die anderen sahen es so wie Jarchow: "Ein Abstieg wäre erheblich teurer als die Verpflichtung dieser Spieler." Laut Aufsichtsrat-Chef Alexander Otto hat der HSV genügend Eigenkapital, um dieses Wagnis einzugehen. Und manchmal, betont der Unternehmer, sei es bei Investitionen "erforderlich, ein kalkuliertes Risiko einzugehen". Das ist genau die Politik, die Sportchef Frank Arnesen forderte, die aber bis vor kurzem abgelehnt wurde. Allerdings ist Arnesen trotzdem noch nicht raus aus der Kritik. Schließlich habe er es nicht geschafft, relativ teure, aber beim HSV nicht mehr erwünschte Profis wie Slobodan Rajkovic oder Jaroslav Drobny an andere Klubs abzugeben.

Armin Veh, bis März 2011 Trainer beim HSV und jetzt Coach bei Eintracht Frankfurt, hat die Hamburger schon wieder in alte Höhen gehoben. Die Transfers von van der Vaart, Jiracek und Bardelj seien teurer als die komplette Eintracht-Mannschaft, sagte er. Und dann schob er nach: "Wer solche Leute holt, kann nicht mehr sagen, wir wollen Zehnter werden." Ziel des HSV müsse jetzt wieder die Europa League sein. Mal sehen, wie der neue van-der-Vaart-HSV mit dem neuen Druck umgeht.

© SZ vom 15.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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