HSV im Abstiegskampf:Wie in Trance

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Hat noch immer nicht bewiesen, dass er Abstiegskampf kann: Rafael Van der Vaart vom Hamburger SV. (Foto: Malte Christians/dpa)
  • Die Niederlage gegen Hertha BSC Berlin bedeutet für den Hamburger SV einen erneuten Rückschlag im Abstiegskampf.
  • Trainer Josef Zinnbauer wirkt ratlos, und Gerüchte besagen, dass er bald wieder die Regionalligamannschaft des HSV übernehmen könnte.
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Von Jörg Marwedel, Hamburg

Im Februar 2014 wurde die Endphase des Abstiegskampfes der vergangenen Saison beim Hamburger SV mit einer 0:3-Heimniederlage gegen Hertha BSC eingeleitet. 250 Menschen versammelten sich danach vor der Geschäftsstelle im Stadion und ließen ihren Dauerfrust heraus. "Vorstand raus", riefen sie. Die Spieler mussten sich als "scheiß Millionäre" beschimpfen lassen. Und als Kapitän Rafael van der Vaart das Gespräch mit ihnen suchen wollte, wurde er geschubst und gerempelt.

Jetzt war Hertha wieder da zum beidseitigen Abstiegsgipfel. Erneut gewannen die Berliner, diesmal durch ein Kopfballtor von Sebastian Langkamp nach Freistoß von Marvin Plattenhardt in der 84. Minute zum 0:1. Doch die Fans blieben ziemlich ruhig. So, als seien beim neuerlichen Niederschlag andere Kräfte am Werk gewesen, weil das Team ja ganz offensichtlich gewollt hatte.

Zinnbauer wirkt ziemlich leer nach der Niederlage

Das Thema aber wird nun der nächste HSV-Trainer sein, der es nicht geschafft hat, mit dem Klub endlich aus dem Keller der Tabelle zu klettern. Josef "Joe" Zinnbauer ist trotz der vom Vorstand bestätigten "leidenschaftlichen Arbeit" zuständig für nun schon wieder sechs sieglose Spiele und einen Angriff, der in 26 Spielen 15 Mal keinen einzigen Treffer erzielt hat.

Und auch, wenn die Klubführung im Juli 2014 angetreten war, endlich für mehr Nachhaltigkeit zu sorgen (was etwa bedeuten sollte: weniger Trainerwechsel) hat Sportdirektor Peter Knäbel in Bezug auf die schon lange angekündigte Analyse in der Länderspielpause gesagt, auch der Coach dürfe "kein Tabu-Thema" sein. Dann fügte Knäbel noch an: "Ich bin kein Fan von Treuschwüren und am Tag darauf zaubert man einen neuen Trainer aus dem Hut."

Das könnte man durchaus als Ankündigung einer Beurlaubung werten - aber noch ist es nicht so weit. Zinnbauer selbst wirkte ziemlich leer nach dem nächsten Rückschlag. "Es geht nicht um mich, es geht um den Verein", sagte er wie in Trance. Er würde weiterkämpfen, aber natürlich wäre es besser gewesen, mit einem Sieg in das Analyse-Gespräch zu gehen. Zinnbauer weiß, was auf ihn zukommen könnte. Ein sehr glaubwürdiges Gerücht besagt, er könne nach seinem Ausflug zu den Profis wieder die Regionalliga-Mannschaft des HSV übernehmen.

Bundesliga
:Hamburg im Sturzflug

Beim Kellerduell zwischen dem Hamburger SV und Hertha BSC Berlin machen die Hanseaten erneut keine gute Figur. Nur Anfangs gelingt es ihnen, ein paar Chancen herauszuarbeiten. Dann bestimmen die Berliner das Spiel.

Wenn der HSV weiter an der großen Trainerlösung arbeitet, zum Beispiel immer noch mit der Option Thomas Tuchel ab Sommer 2015, würde es natürlich Sinn machen, mit Thomas von Heesen eine Interimslösung für die letzten acht Spiele zu installieren, um den Klassenerhalt zu bewerkstelligen.

Von Heesen, einer, der mit Klubchef Dietmar Beiersdorfer als Profi 1987 den letzten Titel für den HSV erspielte (DFB-Pokalsieg gegen die Stuttgarter Kickers), steht hinter dem neuen HSV-Konzept. Er war zuletzt Aufsichtsrat und würde, anders als Huub Stevens in Stuttgart, die Mannschaft nicht mit einem komplett neuen Defensiv-System agieren lassen, sondern nur versuchen, mit einem anderen Offensiv-Konzept die Torarmut zu beseitigen.

Sportdirektor Knäbel, von Sky-Moderator Patrick Wasserzier auf dieses Szenario angesprochen, bemerkte nur, es wäre fatal, wenn man nicht wisse, was man einleiten müsste. Aber "wir haben auch kein Schattenkabinett". Sätze wie diese sind offen für jede Art von Problem-Lösung.

Ivica Olic muss ohne Sturmpartner auskommen

Was man dem leidenschaftlichen Trainer Zinnbauer vorwerfen muss, ist nicht der fehlende Kampfgeist oder die deutlich verbesserte Abwehrarbeit. Aber bei mancher Aufstellungs-Personalie hat er in den vergangenen Wochen nicht richtig gelegen. Und den Schlüssel zu einer Offensive, die diesen Namen wirklich verdient, hat er auch nicht gefunden.

Auch gegen Hertha musste Ivica Olic 63 Minuten lang ohne Sturm-Partner auskommen. Erst dann kam der gerade genesene Pierre-Michel Lasogga auf den Rasen. Es war ein bisschen wie zuletzt bei Borussia Dortmund: Man spielte ganz ordentlich bis zum gegnerischen Strafraum, hatte fast 60 Prozent Ballbesitz, aber Schüsse waren so selten wie Beifall bei einer Tragödie. Zudem konnte van der Vaart nach zuletzt vier Partien auf der Reservebank erneut nicht nachweisen, dass er auch Abstiegskampf kann.

Und dann kam die 81. Minute, als Verteidiger Cléber Hertha-Kapitän Fabian Lustenberger mit der Hand im Gesicht herumfuhrwerkte und dafür die gelb-rote Karte sah. Die dezimierten Hamburger hatten sich in der Abwehr noch gar nicht richtig sortiert, da flog drei Minuten später der Freistoß von Plattenhardt in den Strafraum und Valon Behrami stellte sich so ungeschickt an, wie man es von einem Schweizer Nationalspieler nicht erwartet, und Langkamp lenkte das Leder am machtlosen HSV-Keeper René Adler vorbei ins Tor.

Verteidiger Dennis Diekmeier hat dann noch einmal eine Lanze für Zinnbauer gebrochen ("Er ist der richtige Trainer für uns"). Ob das auch die Erkenntnis nach der angekündigten Analyse der HSV-Führung ist, bleibt vorerst offen.

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