HSV im Abstiegskampf:Hamburg ist fassungslos

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Ein Bild mit Symbolcharakter: Hamburgs Rafael van der Vaart am Boden. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Der Hamburger SV zeigt beim 0:3 gegen Hoffenheim erneut, dass die Mannschaft in der aktuellen Form kaum bundesligatauglich ist. Trotzdem wollen die Verantwortlichen an Trainer Bert van Marwijk festhalten.

Von Carsten Eberts, Hamburg

Rafael van der Vaart versuchte, ein Plädoyer für seinen Trainer zu halten. Doch was herauskam, war kein wirklich erbauliches Urteil über die Arbeit von Bert van Marwijk. "Wir spielen eine Katastrophe zusammen", sagte van der Vaart nach dem 0:3 des Hamburger SV in Hoffenheim: "Wir versuchen alles, doch es gelingt nichts."

Schuld sei nicht der Trainer, die Mannschaft spiele ja schlecht, so die Analyse des Mittelfeldregisseurs. Doch wer davon ausgeht, dass ein Trainer seinem Team eine Idee oder zumindest Impulse mit auf den Weg gibt, musste bei den Ausführungen van der Vaarts aufhorchen. Wer möchte schon Trainer einer Mannschaft sein, die so negativ über sich selbst spricht?

Nichts gelingt, so lässt sich die Situation des HSV beschreiben. Das einzige niemals abgestiegene Gründungsmitglied der Bundesliga lässt nicht erst seit dem Jahreswechsel Zweifel an seiner Tauglichkeit für die Eliteklasse aufkommen. Vor einer Woche das 0:3 zu Hause gegen Schalke, nun dasselbe Ergebnis in Hoffenheim. Der HSV gab ein bemitleidenswertes Bild ab, agierte völlig chancenlos gegen einen Gegner, der ebenfalls nicht auf dem Zenit seines Selbstvertrauens angelangt ist.

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Hilflos, mutlos, chancenlos: Der Hamburger SV trudelt nach dem 0:3 im Kraichgau dem Tabellenkeller entgegen. Leverkusen dreht einen Rückstand gegen den VfB. Augsburg verbessert einige vereingseigene Bundesliga-Rekorde, während Werder-Trainer Dutt seiner Mannschaft droht.

Das erste Gegentor durch Roberto Firmino (4. Minute) fiel noch unglücklich aus leicht abseitsverdächtiger Position. Der zweite Treffer durch Niklas Süle (44.) und der dritte durch Andreas Beck (61.) gelangen jedoch ausgesprochen mühelos. "Wie die Tore reingehen, ich kann es nicht mehr sehen", zürnte van der Vaart bei Sky. Den Groll der Fans könne er verstehen. Die sangen in der Gästekurve: "Wir haben die Schnauze voll."

Die branchenüblichen Reflexe ließen nicht lange auf sich warten. Ob der HSV unter diesem Trainer noch zu retten ist, dürfte die meist gestellte Frage am Samstagabend gewesen sein. Van Marwijks Bilanz liest sich in der Tat wenig eindrucksvoll. Als der Niederländer im September übernahm, war der Klub unter dem gerade entlassenen Thorsten Fink auf Rang 16 abgerutscht. Viereinhalb Monate danach, einige Brandreden und Besserungsversprechen später, ist der HSV wieder auf eben diesem Relegationsplatz angelangt.

Die Niederlage in Hoffenheim war die fünfte in Serie für den HSV, die Hälfte aller Spiele unter van Marwijk ging damit verloren. Bereits 44 Gegentore hat die Hamburger Defensive zudem gesammelt, das sind die meisten der Liga. Gegen Hoffenheim schaffte die Mannschaft keinen einzigen echten Torschuss. Der HSV ist längst zum ersten Abstiegskandidaten mutiert.

In Hamburg macht sich Fassungslosigkeit breit. Die Morgenpost, eine von zwei Boulevardzeitungen der Stadt, fragte noch am Samstagabend auf ihrer Homepage: "Was macht ihr nur?" Der Mannschaft attestierte das Blatt einen "Akt der Offenbarung", die Leistung sei "erschütternd in jeder Hinsicht" gewesen.

Die Konkurrenz vom Abendblatt sah ebenfalls einen "erschreckend schwachen und völlig verunsicherten HSV". Das alles spricht nicht gerade für van Marwijk. Trotzdem konnte er sich am Sonntagmorgen noch recht fest im Sattel wähnen.

Derjenige, der über den Coach richten müsste, ist Sportdirektor Oliver Kreuzer. Doch der drückt sich seit Wochen um eine klare Meinung. Nach der Niederlage gegen Schalke gab van Marwijk seinen Profis überraschend zwei Tage frei, was in der Hansestadt öffentlichen Unmut herauf beschwor. Auch Kreuzer drückte vor laufender Kamera sein Unverständnis aus, ließ seinen Coach jedoch gewähren.

In Hoffenheim sagte Kreuzer nun: "Ständig immer alles auf den Trainer zu schieben, das hat man in den letzten Jahren immer gemacht. (...) Ich habe gesagt: Das ist der richtige Trainer für diesen Verein. Da muss man andere Dinge hinterfragen."

Viele dieser Dinge haben jedoch tatsächlich mit van Marwijk zu tun. Mit seiner ruhigen, seriösen Art konnte er zu Amtsbeginn zwar punkten. Er hat der Mannschaft zunächst defensiv mehr Stabilität beschert, was jedoch auf Kosten der offensiven Schlagkraft ging. In der Winterpause wollte van Marwijk dann Abhilfe schaffen. Die von ihm verpflichteten Offensivkräfte Ouasim Bouy und Ola John, beides erklärte "Wunschspieler", standen in Hoffenheim in der Startelf - ohne jedoch eine erinnerungswürdige Aktion zu liefern.

Ein anderer Punkt ist die Mutlosigkeit, mit der die HSV-Profis seit Wochen über den Platz laufen. Van Marwijk wollte insbesondere seinen Landsmann Rafael van der Vaart beschwören, redete ihn schon auf der Auftaktpressekonferenz stark. Seit Wochen kann van der Vaart jedoch kaum Impulse liefern, ist weit davon entfernt, der verlängerte Arm seines Coaches zu sein. Die kurzfristigen Verletzungen von Torwart René Adler, Marcel Jansen und Pierre-Michel Lasogga konnte das Team gegen Hoffenheim nicht annähernd auffangen. Van Marwijk wirkte an der Seitenlinie vor allem eines: ratlos.

Auf den HSV kommen nun entscheidende Wochen zu. Dem Heimspiel gegen Hertha BSC am Samstag folgt das Kellerduell in Braunschweig. Danach kommt Borussia Dortmund. Und ach ja, dann ist da auch noch das Pokal-Viertelfinale gegen den FC Bayern, das in der aktuellen Verfassung eine Angelegenheit apokalyptischen Ausmaßes werden dürfte.

Er mache sich keine Gedanken um seinen Job, sagte van Marwijk in Hoffenheim: "Aber wenn man denkt, dass es ein anderer besser kann, dann müssen die mir das sagen." Er ahnt vielleicht: Die Stimmung gegen ihn könnte schneller kippen, als es sich am Samstag noch anhörte.

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