Hoffenheim gegen Liverpool:Nagelsmann widerspricht Klopp

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War mit der Analyse seines Trainerkollegen Klopp nicht ganz einverstanden: Hoffenheims Coach Julian Nagelsmann. (Foto: Uwe Anspach/dpa)
  • Hoffenheim verliert in der Champions-League-Qualifikation unglücklich 1:2 gegen Liverpool.
  • Nach dem Hinspiel sind sich die Trainer uneinig, wer nun die bessere Mannschaft war.
  • Hier geht es zu den Ergebnissen der Champions-League-Qualifikation.

Von Tobias Schächter, Sinsheim

Gibt es bedeutende und unbedeutende Räume während eines Spiels auf dem Fußballplatz? Julian Nagelsmann, der Trainer der TSG 1899 Hoffenheim, vertritt grundsätzlich die Auffassung, dass in "den sogenannten unbedeutenden Räumen oft Bedeutendes vorbereitet" werde. Nagelsmann war am Dienstag knapp vor Mitternacht zu seinem Beitrag zum Thema gebeten worden, kurz nach seinem Kollegen Jürgen Klopp.

Der Trainer des FC Liverpool hatte zuvor auf dem Podium des bis zum letzten Stehplätzchen gefüllten Raumes der Rhein-Neckar-Arena das Spiel analysiert, seine Mannschaft habe "hervorragend verteidigt" und dem Gegner - wie geplant - viel Ballbesitz überlassen. Vor allem in den für seine Elf eher "unbedeutenden Räumen" in des Gegners Hälfte. Und, so Klopp weiter: Der Gegner sei kaum in die "bedeutenden Räume" vorgedrungen.

Nagelsmann rechnet vor: "Fünf Mal!"

Mit 2:1 (1:0) hatte der FC Liverpool gerade das erste Playoff-Spiel zur Qualifikation für die lukrative Champions-League-Gruppenphase gewonnen und sich damit eine hervorragende Ausgangsposition für das Rückspiel am kommenden Mittwoch an der Anfield Road verschafft. Bei internationalen Spielen ist es üblich, dass die Trainer den Reportern hintereinander Rede und Antwort stehen, nach Bundesligaspielen analysieren die Fußballehrer gemeinsam.

Hätten Dienstagnacht die Liga-Regularien gegolten, wäre die Raumdeutungsdebatte zwischen diesen beiden meinungsstarken Trainertypen direkter und noch interessanter verlaufen. Nagelsmann widersprach Klopp nämlich vehement und erklärte, seine Elf sei vor allem in der ersten Halbzeit "oft genug in die sogenannten bedeutenden Räumen" vorgestoßen. Und dann zählte er "mindestens fünf Situationen" auf, in der seiner Elf das gelungen war. "Fünf Mal! Das muss eigentlich reichen, um ein Tor zu machen", haderte Nagelsmann.

Hoffenheim in der Champions-League-Quali
:Erst Elfmeter verschossen, dann Eigentor

Es wird schwer für Hoffenheim: Das Team von Trainer Nagelsmann unterliegt im Hinspiel der Champions-League-Qualifikation dem FC Liverpool 1:2 - vieles läuft schief.

Doch dieser erste Europapokalabend in der Vereinsgeschichte war für Hoffenheim einer der verpassten Chancen. Das späte Anschlusstor durch den eingewechselten Mark Uth (87.) lässt die Lage vor dem Rückspiel aber nicht völlig aussichtslos erscheinen. Die Debatte um die Raumdeutung zwischen den beiden Trainern war in Wahrheit ja eine um die Deutungshoheit nach diesem ersten von zwei Aufeinandertreffen. Die Hoffenheimer müssen sich Mut machen für das Rückspiel.

Die Nagelsmänner spielten lange Zeit gut, in der ersten Halbzeit sogar sehr gut - aber in den entscheidenden Situationen eben nicht gut genug. Andrej Kramaric vergab leichtfertig die Chance zur frühen Führung, sein Elfmeter geriet zu einer peinlichen Rückgabe, die Liverpools Torhüter Simon Mignolet mühelos parieren konnte (12). Wie dieses Spiel verlaufen wäre, wären die couragierten Hoffenheimer in Führung gegangen, ist eine spannende Frage. Aber sie sind es eben nicht, und Kramarics Fehlschuss war ein Lapsus, der Liverpool geholfen hat, ins Spiel zu finden.

Beim 0:1 durch einen direkt verwandelten Freistoß des 18-jährigen Trent Alexander-Arnold aus 22 Metern flog der Ball allerdings auch deshalb ins Tor, weil Lukas Rupp in der Hoffenheimer Mauer nicht hochgesprungen war, um die Kugel abzuwehren. Und im Vorlauf des 0:2 haderte Nadiem Amiri mit der Schiedsrichterentscheidung bei einem Foul im Mittelfeld, statt die Ausführung des Freistoßes durch eine Blockade des Balls zu verhindern. Dass James Milners als Flanke gedachter Schuss anschließend von Havard Nordtveit auch noch ins Tor abgefälscht wurde (74.), passte zu den vielen kleinen Unglücksmomenten, die die TSG an diesem Abend erlebte.

Nun müssen sich die Hoffenheimer gefallen lassen, in den entscheidenden Momenten ihres Europapokaldebüts ein bisschen zu naiv agiert zu haben. Liverpool wirkte auf diesem höchsten europäischen Niveau dann doch um ein Tor besser, abgezockter, wettkampfhärter. In der Deutung lenkte Klopp vor allem den Blick auf die "starke Defensivarbeit", die ja grundsätzlich nicht als die stärkste Stärke dieser Elf gilt. Er tat dies auch, weil er um die grundsätzliche Hoffenheimer Offensivkraft weiß, die für das Rückspiel weiter ein ernstzunehmendes Drohpotenzial darstellt.

Klopp lobte also das "brettstarke Verteidigen" bei Standardsituationen im Besonderen und mehrmals "das gute Verteidigen in den bedeutenden Räumen". Über das späte Gegentor wollte er sich zumindest öffentlich nicht zu sehr aufregen, vor dem Anpfiff hätte er jedes Siegergebnis willkommen geheißen, auch ein 8:7, sagte er. Und überhaupt: Ein 2:1 sei besser als ein 1:0. Hoffenheim muss wegen der Auswärtstorregel im Europapokal im Rückspiel mindestens zwei Treffer erzielen, um weiterzukommen, ein 1:0 genügt nicht. Liverpools Stärken liegen eindeutig aber in der Offensive, der Vorsprung nach dem Hinspiel wirkt für diese im Konter überragende Mannschaft also wie geschaffen für das Rückspiel zu Hause.

Sandro Wagner übertreibt leicht

Besonders mit dem aberwitzig schnellen Linksaußen Sadio Mané waren zunächst Ermin Bicakcic und dann Nordtveit in Hoffenheims Defensive überfordert. Der Weggang von Niklas Süle (zum FC Bayern) in der Innenverteidigung bedeutet einen großen Tempoverlust auf dieser Position. Im Mittelfeld hingegen könnte Kerem Demirbay im zentralen Mittelfeld die Rolle ausfüllen, die der ebenfalls nach München gewechselte Sebastian Rudy in der vergangenen Saison gespielt hat. Demirbay war - so lange die Kraft reichte - die dominante Figur auf dem Platz. Aus den Statements der Hoffenheimer Spieler nach dem Abpfiff war vor allem Trotz herauszuhören. Mittelstürmer Sandro Wagner erzählte gar, "gefühlt reise er mit einem Vorsprung nach Liverpool". Schließlich sei die TSG "klar die bessere Mannschaft" gewesen.

Das ist zwar leicht übertrieben, aber die Leistung der Hoffenheimer war ja tatsächlich gut. Trainer Nagelsmann meinte, es habe nicht die schlechtere Mannschaft verloren, sondern die weniger glücklichere. Er versprach: "Wir haben ein gutes Spiel gemacht und werden auch in Liverpool ein gutes Spiel machen." Denn, und diese kleine Spitze gegen Jürgen Klopp konnte er sich dann doch nicht verkneifen: "Vielleicht sind im Rückspiel die Räume ja auch noch da."

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