Hamburgs Sieg beim BVB:Clever wie seit Monaten nicht mehr

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Hamburger Torjubel: Hamburgs Torschütze Pierre-Michel Lasogga (links) und Lewis Holtby. (Foto: dpa)

Der Hamburger SV legt sich Borussia Dortmund zurecht - und siegt erstmals seit sechs Monaten in der Fußball-Bundesliga. Mit dem 1:0 verlässt der HSV den letzten Tabellenplatz. Für den BVB brechen schwere Zeiten an.

Von Carsten Eberts

Peter Knäbel ist seit Mittwoch als Sportdirektor in Diensten des Hamburger SV tätig. Und er hat seitdem einige schöne Sätze gesagt. Etwa: "Der HSV muss in allen Belangen top sein." Oder: "Wir müssen härter und schneller arbeiten als alle anderen."

Ein wenig inhaltsleer klangen diese Sätze schon, aber vielleicht war es Knäbels bloße Anwesenheit, die dem HSV in den vergangenen Wochen, Monaten, ach was: Jahren gefehlt hat. Kaum saß der bisherige Direktor des Schweizer Fußballverbands am Samstagnachmittag im rosafarbenen Hemd neben dem neuen Coach Joe Zinnbauer auf der Bank, zeigte der HSV die beste Leistung seit langer Zeit. Und gewann nach sechs Monaten und elf sieglosen Bundesliga-Auftritten durch einen Treffer von Pierre-Michel Lasogga (35. Minute) mal eben 1:0 bei Borussia Dortmund.

"Froh und glücklich", zeigte sich Zinnbauer anschließend, "an diese drei Punkte haben wir im Vorfeld nicht denken können." Klingt, als hätte sich der HSV den Auswärtssieg mit allem Glück der Fußballwelt erduselt. Das war aber mitnichten so. Verdient verließen die zuvor arg geschüttelten Hamburger den letzten Tabellenplatz.

Nicklige Hamburger

Knäbel ist das vorerst letzte Personalpuzzleteilchen, das der neue Vorstandschef Dietmar Beiersdorfer beim HSV installiert hat. Die neue Führungsmannschaft steht - mit Beiersdorfer, Knäbel und Nachwuchschef Bernhard Peters - muss nur noch die Mannschaft von dieser lange nicht mehr dagewesenen Kompetenzballung profitieren. Und tatsächlich: Wer die bisherige Saison mit verschlossenen Augen und verstopften Ohren verfolgt hatte und den HSV nun in der ersten Halbzeit beobachtete, der wäre nie darauf gekommen, dass hier die sieglose Tabellenletzte auflief.

Die Hamburger traten agil und widerspenstig auf. Sie vollführten ihr frisch eingeübtes Pressing, auf das der neue Coach Joe Zinnbauer besonders viel wert liegt. Seit kurzem verfügt das Team auch über das geeignete Personal für diese Spielweise - insbesondere Nicolai Müller und Lewis Holtby, aber auch der in Hamburg zuvor harsch kritisierte Lasogga präsentierten sich hellwach.

Die Dortmunder sind derzeit gewiss nicht auf der Höhe ihrer Schaffenskraft. Die Ausfälle von Marco Reus, Ilkay Gündogan, Henrikh Mkhitaryan oder Jakub Blaszczykowski wiegen schwer, und so blieb ihnen in eigener Arena nichts anderes übrig, als den Kampf zu erwidern. In den ersten Minuten gab es gehörig auf die Knochen. Ramos, Schmelzer, Jansen, sie alle lagen während der Anfangsphase wehklagend auf dem Boden. Der HSV erkaufte sich damit den Respekt, den vor dem Spiel gewiss nicht alle Dortmunder vor dem Sorgenklub hatten.

Ohne den HSV überhöhen zu wollen, wirkte es, als legte sich der Tabellenletzte den Meisterschaftszweiten zurecht. Und nutzte sogleich die erste gute Gelegenheit zur Führung. Dortmunds Adrian Ramos, der im Sturm den Vorzug gegenüber Ciro Immobile erhielt, spielte im Mittelfeld einen unmöglichen Fehlpass, der ein wenig an sein Malheur in der Vorwoche im Derby gegen Schalke erinnerte.

Müller wirbelte dazwischen, überlief Socratis mit einem Bauerntrick, wimmelte auch noch Eric Durm ab - in der Mitte stand Lasogga und schob Müllers Querpass zur Führung ein (35.). Kurz vor der Pause folgte Müllers zweite starke Aktion, doch er scheiterte aus kurzem Winkel an Dortmunds Torwart Roman Weidenfeller. Es hätte den BVB in dieser Phase noch schlimmer erwischen können.

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Zaghaftes Dortmunder Powerplay

Zur zweiten Halbzeit versuchte es Trainer Jürgen Klopp mit Milos Jojic statt Sven Bender. Doch weiterhin war der HSV dem zweiten Tor näher als der BVB dem Ausgleich. Nach einer Stunde herrschte erneut Konfusion im Dortmunder Strafraum; Heiko Westermanns Kopfball konnte Weidenfeller gerade noch abwehren (63.). Es folgte ein Konter über Szoltan Stieber und Lasogga, den der eingewechselte Ungar aber vertändelte.

Spät wachte Dortmund auf. Ein 20-Meter-Schuss von Jojic strich knapp vorbei (73.), Klopp brachte Immobile, der bei seiner ersten Aktion ebenfalls knapp verzog (78.). Ein bisschen Powerplay, doch wieder schafften es die Hamburger clever, sich zu befreien. Sie starteten über Müller und Stieber weitere Konter, die zwar nicht zum Torerfolg führten - den BVB aber gut beschäftigten. Fünf Minuten Nachspielzeit überstand der HSV, dann sanken die Spieler jubelnd zu Boden. Eher still genoss Peter Knäbel am Spielfeldrand seinen ziemlich erfolgreichen Einstand. Genau: der Mann, dessen bloße Anwesenheit genügt.

Anders die Stimmungslage beim BVB. Wieder verloren. Tabellenplatz 13. Zehn Punkte Rückstand auf die Bayern. Eine Heimspielniederlage gegen einen Tabellenletzten war dem BVB sogar seit über zehn Jahren nicht mehr unterlaufen (damals ebenfalls gegen den HSV). "Fakt ist, wir stehen unten in der Tabelle und das ist bei all unseren Ambitionen und Zielen viel zu wenig. Den Schuh ziehe ich mir natürlich an", beklagte Trainer Klopp.

Die kuriose Situation Anfang Oktober 2014: In der Champions League läuft es für den BVB formidabel, doch die deutsche Meisterschaft kann das aufwändig verstärkte Team schon jetzt nahezu abschreiben. Auch im Dortmunder Fußballbiotop könnte es demnächst ungemütlicher zugehen.

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