Gabriela Koukalova bei der Biathlon-WM:Lippenstift sogar beim Training

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Selbst der Griff nach ihrem Gewehr sieht stylish aus: die tschechische Biathletin Gabriela Koukalova bei der Weltmeisterschaft in Hochfilzen. (Foto: Leonhard Foeger/Reuters)

Sie ist das Glamour-Girl der Szene: Topgestylt jagt Gabriela Koukalova Goldmedaillen bei der Biathlon-WM. Aber sie überschminkt auch manche Unsicherheit.

Von Joachim Mölter, Hochfilzen

In den Tiroler Bergen, elf Uhr am Vormittag: Der Schnee glitzert, die Sonne brennt, die Frisur sitzt, der Lippenstift hält, der Lidstrich sowieso. Er hebt diese hellblauen, wässrigen Augen noch mal besonders hervor. Selbst beim Training, wenn kaum einer zuschaut, achtet die Biathletin Gabriela Koukalova auf ein gepflegtes Äußeres. Die 27 Jahre alte Tschechin hat bei den Weltmeisterschaften in Hochfilzen schließlich einen Titel zu verteidigen, den als Glamour-Girl der Szene, als Pin-Up-Girl, je nachdem, wie man eine junge Frau nennen mag, die sich liebend gern herausputzt.

Gabriela Koukalova tut das wie keine andere. Ihre naturblonden Haare hat sie kupferrot getönt, und wenn sie die Haare nicht gerade wegen des Sports zum Pferdeschwanz bindet und mit einem Stirnband bändigt, lässt sie eine gewellte Mähne über ihre Schulter fließen, das wirkt dann richtig lasziv. Beinahe selbstverständlich gibt es Nacktbilder von ihr: Die hat sie vor zwei Jahren machen lassen, mit ihrem damaligen Freund und jetzigen Ehemann, dem Badmintonspieler Petr Koukal. Gemeinsam werben sie in ihrer Heimat für Brust- und Hodenkrebs-Vorsorge.

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Man darf sich von der professionell gestylten Fassade der Gabriela Koukalova freilich nicht blenden lassen: Hinter dem Glamour steckt mehr.

"Ich fühle mich mehr wie ein menschliches Wesen als früher"

Zum einen verbirgt sie damit eine entschlossene Wettkämpferin, eine Rennsau, wie man Koukalova in der Szene durchaus ehrfurchtsvoll auch nennt. Sie hat bei dieser WM schon den Sprint-Bewerb gewonnen und die Bronzemedaille im Verfolgungsrennen, sie ist die härteste Konkurrentin von Laura Dahlmeier, der Sprint-Zweiten und Verfolgungs-Ersten aus Deutschland. Beide haben in dieser Weltcup-Saison je fünf Rennen gewonnen und bei dieser WM bislang je einen Einzel-Titel. An diesem Mittwoch wird im Einzelrennen über 15 Kilometer (14.30 Uhr/ARD und Eurosport) das nächste Duell erwartet, auch wenn Gabriela Koukalova nichts davon wissen will: "Ich habe ein bisschen Angst vor diesem Rennen, da bin ich nicht so stark in diesem Winter."

Während Laura Dahlmeier die beiden in diesem Winter bisher ausgetragenen Langstreckenrennen gewonnen hat und mithin als Favoritin auf die Strecke gehen wird, hat Koukalova nur die Plätze 24 (in Östersund/Schweden) und 17 (in Antholz/Italien) belegt. Sie hat also nichts zu verlieren, kann unbeschwert angreifen. "Ich habe keine Erwartungen für die restlichen Rennen", hat sie selbst gesagt. Bei ihrem Sieg im 7,5-Kilometer-Sprint am vorigen Freitag, ihrem ersten Einzeltitel bei einer WM überhaupt, ist jegliche Last von ihr abgefallen. Damit hatte sie zumindest ihre eigenen Erwartungen schon erfüllt.

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Im vorigen Jahr war Gabriela Koukalova ja als große Favoritin zu den Titelkämpfen nach Oslo gekommen, als Weltcup-Führende war sie zumindest Medaillenkandidatin in allen möglichen Disziplinen gewesen - und dann mit leeren Händen nach Hause gekommen. Wie bei Olympia 2014 und bei der WM 2015 hatte sie überwiegend vierte und fünfte Plätze gesammelt, "Kartoffel-Medaillen" sage man in Tschechien dazu, erzählte sie in Hochfilzen und vermutete: "Vielleicht waren die Erwartungen zu groß gewesen damals." Ihre eigenen und die ihres Landes, in dem sie zu den prominentesten Sportlerinnen zählt; angeblich ist nur die mittlerweile 44 Jahre alte, aber weiterhin in der amerikanischen Profiliga NHL aktive Eishockey-Legende Jaromir Jagr noch bekannter.

An diese Weltmeisterschaften in Hochfilzen sei sie jedenfalls "entspannter" herangegangen, erklärte sie ihre jüngsten Erfolge: "Ich setze mich nicht mehr so unter Druck. Ich habe mehr Zeit mit meinem Mann verbracht, fühle mich mehr wie ein menschliches Wesen als früher."

Wenn Gabriela Koukalova spricht, dann haucht sie eher, und man liegt wohl nicht völlig falsch, wenn man hinter ihrer Glamour-Fassade auch eine sehr sensible Person vermutet. Wenn sie nicht gerade mit strahlend weißen Zähnen in eine Kamera lächelt, wenn sie sich unbeobachtet wähnt, dann strahlt sie eine Menge Melancholie aus, als trage sie die ganze Traurigkeit Tschechiens in sich, das Leiden eines ganzen Landes. Womöglich übertüncht sie mit all dem Make-up auch einfach nur ihre Unsicherheit.

Von Laura Dahlmeier wird sie jedenfalls als "superfeiner Mensch" beschrieben; das ist kein Ausdruck, den man wählt, wenn man bloß höflich etwas Nettes über eine Konkurrentin sagen will. Rivalinnen sind die beiden derzeit besten Biathletinnen nur sportlich, menschlich schätzen sie sich sehr, trotz aller Verschiedenheit: da die naturverbundene Bayerin, die in ihrer Freizeit am liebsten klettert, dort die gestylte Tschechin, die gern shoppen geht. "Gabi würde es wohl nie in den Sinn kommen", glaubt Dahlmeier, "mit mir im Biwak am El Capitan zu übernachten", dem markanten Kletterfelsen im kalifornischen Nationalpark Yosemite. Andererseits würde es der deutschen Athletin nie einfallen, einen Schminkkoffer mit auf Reisen zu nehmen, wie es Koukalova tut. In dem befinden sich offensichtlich auch wasserfeste Utensilien: Schweiß und Tränen sind bislang nämlich spurlos von ihrem Gesicht abgeperlt. Zumindest, wenn sie in der Öffentlichkeit unterwegs war.

© SZ vom 15.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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