Karoly Gombos bei der Biathlon-WM:Weinkenner auf Rang 91

10 03 2016 Holmenkollen Oslo Norway IBU Biathlon World Championships Karoly Gombos of Hungary c; Károly Gombos Biathlon

Der Ungar Karoly Gombos.

(Foto: imago/Action Plus)

Wie ist das, immer als einer der letzten ins Ziel zu kommen? Biathlet Karoly Gombos wird schon mal überrundet, hat aber zum Glück auch andere Talente.

Von Saskia Aleythe, Hochfilzen

Bei der Testernte ist Karoly Gombos ein beliebter Mann. Im September, wenn die Sonne schon an Kraft verloren hat und genügsam über den Weinbergen in Südfrankreich liegt, wird er losgeschickt an die Stauden: Reifestatus prüfen, ein paar Trauben einsammeln, um den optimalen Zeitpunkt zum Pflücken der restlichen Früchte zu bestimmen. Bei Gombos geht das Sammeln fix, Anstiege zu bewältigen ist kein Problem. Gombos nimmt es im Biathlon auch mit so mancher Erhebung auf.

Ein Winzer in der Biathlon-Szene, es ist eine recht spezielle Kombination, die Karoly Gombos vereint. Bei der WM in Hochfilzen treffen gerade sehr homogene Sportler aufeinander - in der Weltspitze findet sich kaum ein Athlet, der nicht Soldat, Polizist oder Student ist. Doch bei den Nationen fernab der Punkteränge wird es vielfältiger. Und Gombos findet ohnehin: "Das Leben hält zu viel bereit, um nur Biathlet zu sein."

Nur Biathlet sein, das könnte er sich sowieso nicht leisten, und das hat auch etwas damit zu tun, wie er zum Winzer-Dasein gekommen ist. Gombos stammt aus Ungarn, das ist nicht unbedingt eine Biathlon-Nation - zu dritt sind sie nach Hochfilzen gekommen. Er, seine Kollegin Emöke Szöcs und ein Betreuer, der Wachser, Trainer und Physio in einem ist. Eine Förderung im Land ist da, aber gering, und so kostet ihn der Sport mehr als dass er ihm finanzielle Vorteile bringt. Ski und Munition kauft er sich selber, auch mit dem Geld, das er als Winzer einnimmt in diesen zwei Monaten, die er jedes Jahr in Südfrankreich verbringt. "Da wohne ich in einem alten kleinen Schloss und laufe jeden Morgen zwei Kilometer zur Arbeit", erzählt er, "die Atmosphäre genieße ich total."

"Deine Waffe gehört ins Museum, aber nicht auf die Strecke"

In Budapest hat er "Garden Design" studiert, sich nach zwei Jahren auf Weinwissenschaften spezialisiert. Weil er gut Französisch konnte, bekam er ein Stipendium und die nötigen Kontakte, um den Weinbau in der Praxis in Frankreich zu erlernen. Temperaturen messen, chemische Zusammensetzungen analysieren und Sorten zusammenstellen: "Daraus ist jetzt auch eine Leidenschaft geworden."

Gombos ist 35 Jahre alt und hat einige Erfahrung als Biathlet. Die WM in Hochfilzen ist seine neunte, er war auch bei den Olympischen Spielen in Sotschi dabei. Bis er 23 Jahre alt war, probierte er sich in diversen Sportarten, als 10 000-Meter-Läufer in der Leichtathletik etwa, aber die Begeisterung für Berge, Langlauf und Schießen war schon immer vorhanden. An sein erstes Rennen im Weltcup in Östersund 2006 erinnert er sich noch ganz genau: "Damals bin ich mit einem alten russischen Gewehr angetreten, das 6,8 statt der üblichen 3,5 Kilogramm wog - die Rennleiter haben mich ganz komisch angeguckt und gesagt: Deine Waffe gehört ins Museum, aber nicht auf die Strecke."

Besseres Material war zu teuer, vor dem Start fiel die Waffe auch noch um und ging kaputt, das merkte der Athlet aber erst im Rennen. Gombos startete, erster Besuch am Schießstand: fünf Fehler. Zweiter Besuch: fünf Fehler. Gleiches Szenario beim dritten, nur der allerletzte Schuss ging ins Ziel. "Da hatte ich aber eigentlich auf eine andere Scheibe gezielt", erzählt er ganz offen. Er kam mit 19 Fehlern bei 20 Scheiben und 33 Minuten Rückstand ins Ziel. Der Sieger hieß Ole Einar Björndalen.

Nur Biathlon wäre Gombos zu wenig

"Ich möchte nicht tauschen mit den Biathlon-Stars", sagt Gombos trotzdem, dessen bestes Resultat ein 71. Platz im Olympia-Sprint von Sotschi war. "Früher wollte ich ein Vollprofi werden. Aber dann habe ich mitbekommen, welches Leben die Besten im Weltcup führen", sagt er und ergänzt: "Es ist kein freies Leben." Immer nur Biathlon, immer nur Sport, immer nur dasselbe: Das ist nicht das Leben des Ungarn. Durch seinen Sport kommt er viel rum, kann in allen Regionen die Weinsorten testen. Pinot Noir gehört zu den Favoriten, auch hier in Österreich hat er ein paar edle Tropfen ausfindig machen können.

Vor ein paar Jahren wollte er ein größeres Geschäft aus dem Weinanbau machen, hat sich aber gegen den nötigen Aufwand entschieden. "Es ist eine Arbeit, die viel im Kopf stattfindet", sagt er, "dafür reise ich viel zu gerne, um das zu tun, was dafür nötig wäre." In den Sommermonaten führt er Wanderlustige als Bergführer durch die Alpen, zusätzlich betreibt er ein Ferienhaus in Ramsau am Dachstein, das ihm die Finanzierung seines Lebens sichert.

"Von den Österreichern bekomme ich sehr gutes Wachs"

Beim Sprint am Samstag kam er als 91. von 102 Startern ins Ziel. "Früher haben mich die Rückstände natürlich frustriert", sagt er, heute kann er gelassener damit umgehen. An Plätzen orientiert er sich nicht mehr. "Ich versuche genauso mein Bestes zu geben", sagt Gombos, "und manchmal glaube ich auch, dass ich kaputter bin als die Jungs auf dem Podium." Drei oder zwei Minuten hinter den Weltbesten ins Ziel zu kommen, das sei nicht schlecht "für meine Verhältnisse". Der Ansporn ist eher der Vergleich mit den anderen Athleten kleinerer Nationen. Sie müssen sich während der Saison in kleineren Wettbewerben beweisen, um WM-Plätze zu ergattern. Aber die Stimmung ist gut, man hilft untereinander aus. "Von den Österreichern bekomme ich sehr gutes Wachs", sagt Gombos.

Am Freitag startet der Ungar im Einzel über 20 Kilometer, sein letztes Rennen bei dieser WM. Schon vor dem Start muss er auschecken, weil das Hotel nicht länger gebucht wurde. Und wenn er dann auf die Loipe geht, hat er vielleicht noch einmal die Szene von vor einem Jahr im Kopf: Damals in Oslo wurde er schon auf seiner ersten Runde vom Weltcup-Führenden Martin Fourcade überrundet. Gombos versuchte, dem Franzosen zu folgen, er rackerte sich mit ihm den Anstieg hinauf - Freunde sahen ihn im Fernsehen und jubelten - und er konnte ihm fast eine Runde lang folgen. "Das war eine dumme Idee", sagt er heute, "danach war ich völlig kaputt". Er kann darüber lachen, Biathlon ist schließlich nicht alles für ihn. Vielleicht sind es die Stunden in den Weinbergen Frankreichs, die ihn resümieren lassen: "Ich führe ein Leben, für das ich dankbar bin."

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