Fußball:Wie Fußballklubs und Reporter anderswo miteinander umgehen

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Man sieht es nicht auf den ersten Blick, aber der spanische Torhüter Iker Casillas und die Journalistin Sara Carbonero sind ein Paar. (Foto: REUTERS)

Geld für die Übertragung einer Meisterfeier verlangen wie der FC Bayern? Das ist nicht überall denkbar. SZ-Korrespondenten berichten aus den europäischen Fußballnationen.

Von Oliver Meiler, Birgit Schönau und Christian Zaschke

Italien

Spiele Fußball und rede darüber. In Italien kein Problem. Sicher, das Fernsehen muss zahlen, um Spiele zu übertragen und neuerdings auch, um Trainer wie Spieler vor die Kameras zu bekommen. Aber man kennt sich, man schätzt sich sogar weitestgehend. Und man weiß natürlich, dass man sich gegenseitig braucht. Die Fernsehübertragungsgelder werden nach der Anzahl der Fans ausgeschüttet, da ist es logisch, dass man deren Vereinstreue mit Spielerinterviews und Geschichten füttert. Also gibt es immer noch drei Sport-Tageszeitungen, und der Sportteil in den politischen Blättern wird auch immer wichtiger. Trainer und Spieler reden da durchaus exklusiv und sehr frei von der Leber weg. Autorisierungen werden von Klubpräsidenten aufwärts verlangt. Und auch nur dort ist übrigens ein "Sie" angebracht.

Der ganze Palaver-Betrieb ist erstaunlich familiär geblieben und das Interview im Flur vor der Kabine immer noch das Paradestück des italienischen Sportjournalismus: "Gigi, hast du mal einen Moment?" Selbstverständlich geht man mit den Vereinen kritisch um, die italienischen Kollegen sind Vollprofis. Geld für die Übertragung einer Meisterfeier zu verlangen, wie es der FC Bayern beim Bayerischen Rundfunk tat - undenkbar. Denn nichts ist für einen Klub geschäftsschädigender, als unpopulär zu sein bei den eigenen Fans.

Pokalfeier-Eklat
:Der Zuschauer sieht, was ihn der FC Bayern sehen lässt

Münchens Meister-Klub sendet ein klares Signal an die Medien: Wir brauchen euch nicht. Die Macht der Vereine behindert die Arbeit von Sportjournalisten.

Analyse von Ralf Wiegand

Großbritannien

Das Verhältnis der englischen Erstliga-Klubs zu den TV-Journalisten ist nicht immer einfach, obwohl das Fernsehen die Vereine sehr reich macht. Für die Spielzeiten von 2016 bis 2019 erhalten die Klubs 5,136 Milliarden Pfund von den Sendern BT und Sky, rund 6,6 Milliarden Euro. Dazu kommen 2,6 Milliarden Pfund aus der Auslandsvermarktung sowie 204 Millionen Pfund von der BBC für die Sendung Match of the Day, in der Zusammenfassungen gezeigt werden. Die gewaltigen Summen bedeuten jedoch nicht, dass beim Training gefilmt werden dürfte. Auch halten sie die Trainer nicht davon ab, immer wieder mal einen Medienboykott zu verhängen, wenn sie sich schlecht behandelt fühlen.

Vor allem der dauerbeleidigte José Mourinho bedient sich dieses Mittels gern, König des Boykotts ist jedoch der ehemalige Trainer von Manchester United, Alex Ferguson . Von 2004 bis 2011 sprach er nicht mit der BBC, weil ihm eine Dokumentation des Senders nicht gepasst hatte. Interviews nach Spielen gab er nur dem vereinseigenen Sender MUTV. Die Journalisten im Stadion riefen daher in der Regel in ihren Redaktionen an, um zu fragen, was Ferguson gerade im Vereinssender sage - zwar sahen sie ihn wenige Meter entfernt im Studio, aber sie hörten ihn nicht. Bizarr wurde die Situation, als Ferguson eine Zeit lang auch MUTV boykottierte, weil ihm eine Frage nicht gefallen hatte.

Außer United unterhalten der FC Chelsea und der FC Liverpool eigene, kostenpflichtige Sender. Als Jürgen Klopp 2015 Trainer in Liverpool wurde, gab er sein erstes Interview dem Haussender. Wie viele Zuschauer die Sender haben und ob sie profitabel sind, ist nicht bekannt. Doch sie ermöglichen den Klubs, sich in einem unkritischen Umfeld zu präsentieren. Wobei das nicht immer läuft wie geplant. Legendär ist ein Interview, in dem der ehemalige United-Spieler Roy Keane 2005 seine Teamkollegen im Vereinssender ausführlich als unwürdig bezeichnete. Es wurde auf Anweisung des Klubchefs nie gezeigt, doch der Daily Mirror gelangte an eine Abschrift der Wutrede, die er mit großer Freude veröffentlichte. Roy Keane spielte nie wieder für den Klub.

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:Die Raffzähne vom FC Bayern

Mit der Aktion, dem BR die Senderechte für die Pokalfeier zu entziehen, hat der Verein seine Stammklientel vor den Kopf gestoßen.

Kommentar von René Hofmann

Spanien

In Spanien gibt es vier Sportzeitungen, die täglich erscheinen und sich fast ausschließlich mit Fußball beschäftigen - zwei in Barcelona und zwei in Madrid. Dazu gefühlte tausend Radios, deren Talkshows zum Fútbol, die wunderbar überdrehten "tertulias", rund um die Uhr laufen. Da könnte man denken, dass die Vereine sich neugierig und kritisch stochernder Journalisten kaum erwehren können. Doch konstant an der Berichterstattung ist nur das Wohlwollen. Die Blätter sind eigentlich Fanzines oder Zentralorgane. Marcaetwa ist so etwas wie die Prawda von Real Madrid. Und Mundo Deportivo hat wohl noch nie ein böses Wort über Barça geschrieben.

Es knistert nur, wenn die beiden Vereine aufeinandertreffen, dann spielt auch die politische Rivalität zwischen den Städten und damit auch zwischen Katalonien und dem spanischen Zentralstaat eine Rolle. Wenn der FC Barcelona einen Meistertitel feiert, wie unlängst wieder, und die Mannschaft im offenen Bus durch die Stadt paradiert, überträgt nicht nur der Vereinssender Barça TV, sondern auch der mit öffentlichem Geld finanzierte Kanal TV3 - zwei Stunden lang, die Prozession in ihrer vollen Länge. Man macht gegenseitig Werbung für einander: Barça für Katalonien, Katalonien für Barça. Da fließt alles hübsch ineinander, von beiden Seiten gewollt und ganz ohne Druck.

© SZ vom 24.5.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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