Fußball: Verschuldete Profis:Der große Traum

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Laut Spielergewerkschaft VdV ist jeder vierte Fußballer am Ende der Karriere pleite - der Grund ist meist mangelnde Bildung. Dabei geht Felix Magath mit schlechtem Beispiel voran.

Jürgen Schmieder

Das Angebot ist verlockend: "Hast du schon einmal vom perfekten Schuss geträumt? Wenn eine ganze Nation den Atem anhält", flüstert eine Stimme: "Du bist Wayne Rooney. Du bist Ronaldinho. Du bist ein Star." Dann erscheint die Schattierung eines Fußballspielers im Zentrum des Bildschirms. Das Intro der Fußballsimulation Fifa suggerierte schon im Jahr 2006, wovon viele Jugendliche träumen: vom perfekten Schuss, vom luxoriösen Leben als Fußballprofi.

Julian Draxler nach dem Pokalspiel gegen Nürnberg. Laut Trainer Felix Magath wird das Talent bald in den großen Ligen Europas spielen. (Foto: AFP)

Es ist ein schöner Traum - und wer bereit ist, Opfer zu bringen, der kann ihn sich erfüllen. Man muss verzichten können auf Freizeit, mitunter auf Freunde, nicht selten auf Bildung. Aktuelles Beispiel ist Julian Draxler von Schalke 04. Trainer Felix Magath empfahl ihm, die Schule im elften Jahr zu beenden und sich auf die Karriere als Fußballer zu konzentrieren. Warum auch nicht? Der Einsatz scheint gering für den Erwartungswert, binnen weniger Jahre fürs ganze Leben vorzusorgen. "In 15 bis 20 Jahren braucht er kein Abitur mehr", glaubt Magath, weil Draxler "in den Top-Ligen" spielen werde. Magath selbst hat übrigens Fachabitur im Bereich Wirtschaft.

Es gibt allerdings auch eine groteske Variante des Traums, wie die Vereinigung der Vertragsfußballspieler (VdV) nun mitteilte: "20 bis 25 Prozent der Spieler sind am Ende ihrer Karriere pleite oder überschuldet", sagt Geschäftsführer Ulf Baranowsky: "Sie wissen, dass sie auf eine Wand zurasen. Aber sie bremsen nicht." Es geht dabei natürlich nicht um Spieler wie Bastian Schweinsteiger, Michael Ballack oder Philipp Lahm, die sich den ganz großen Traum erfüllt haben. Nach Informationen der VdV haben nur zehn Prozent der deutschen Profis nach ihrer Karriere ausgesorgt.

Die Hälfte des Bundesliga-Kaders von Eintracht Braunschweig aus dem Jahr 1985 lebt inzwischen von Sozial- oder Arbeitslosenhilfe, Schlagzeilen machten auch die Geschichten von prominenten Kickern wie Jürgen Wegmann, Dieter Eckstein oder Eike Immel. Die Schicksale von Zweit- und Drittligaprofis, die nach der Karriere vor einem Schuldenberg stehen, bleiben meist unter dem Radar der Medien.

Junge Spieler und deren Eltern sind nicht selten bereit, den Verlockungen nachzugeben. "Gerade junge Eltern glauben häufig, dass ausgerechnet ihr Junge der Superstar wird. Aber es schaffen natürlich nur ganz wenige", sagt Baranowsky. Einen Plan B gebe es nicht, vielmehr die Illusion, das Abitur auch zehn Jahre später nachholen zu können, wenn aus der Karriere als Sportprofi nichts wird.

Vielleicht lohnt in dieser Diskussion der Blick auf die amerikanische Football-Liga NFL. Ein junger Sportler darf nur dann einen Vertrag mit einem Profiklub unterschreiben, wenn er die Highschool absolviert hat und der Abschluss mindestens drei Jahre zurückliegt - der Spieler also 21 Jahre alt ist. Fast alle vielversprechenden Talente besuchen deshalb eine Universität, an der sie professionell trainieren und dennoch Kurse belegen müssen. Freilich wird dieses System nicht selten pervertiert, aber jungen Sportlern wird zumindest angeboten, sich nicht nur auf den Sport zu konzentrieren.

In Deutschland dagegen glauben viele, eine Doppelbelastung sei nicht realisierbar. Da stellt sich die Frage, wie es einem Profi wie Oliver Bierhoff gelingen konnte, ein Studium zu absolvieren. Wie Christoph Metzelder studieren und gar Vorlesungen halten kann. Wie Fabian Boll neben seiner Tätigkeit als Profi beim FC St. Pauli halbtags als Polizist arbeiten kann.

Natürlich muss ein junger Mensch selbst entscheiden, wie er seine Zukunft gestalten möchte und was er bereit ist aufzugeben für den Traum, Fußballprofi zu werden. Ihm muss vor dieser Entscheidung aber nicht nur von der Aussicht auf den perfekten Schuss, auf jubelnde Menschen und auf Millionen von Euro auf dem Konto berichtet werden. Sondern auch davon, was passieren kann, wenn sich der große Traum nicht erfüllt.

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