Fußball:Steuern zahlen? Wir sind doch Fußballer!

Fußball: Lacht noch, doch Ende Juli muss Cristiano Ronaldo vor Gericht erscheinen.

Lacht noch, doch Ende Juli muss Cristiano Ronaldo vor Gericht erscheinen.

(Foto: AFP)

Ronaldo unter Verdacht, Hoeneß und Messi verurteilt - doch das Spiel geht weiter. Warum im Fußball nur das Ergebnis auf der Anzeigetafel zählt, nicht das auf dem Steuerbescheid.

Kommentar von Thomas Hummel

Cristiano Ronaldo ist im Grunde gar kein Mensch. Zumindest keiner, der sich mit sterblichen Maßstäben herumschlagen muss. Kürzlich postete er, beziehungsweise seine Beraterfirma Gestifute, ein Bild seiner neuen Fußballschuhe in den sozialen Medien. Orangefarbene Schlappen, mit einer goldenen Sohle und seinem Kürzel CR7, sie lagen in einem Schuhkarton seines Ausrüsters. Ergebnis bei Instagram: 3,2 Millionen Likes. Bei Facebook sind es 730 000 Likes, mehr als 14 000 Mal geteilt. Marketing- und Werbeexperten dürften solche Zahlen die Tränen in die Augen treiben.

12 500 Kommentare stehen unter dem Facebook-Bild, darunter viele flehentliche Bitten, er möge doch um Himmelswillen bei Real Madrid bleiben. Ronaldo hat angeblich angekündigt, Spanien verlassen zu wollen, weil sich die Steuerbehörde erdreistet habe, ihn anzuklagen. Ende Juli muss der Weltfußballer vor einem Gericht erscheinen und Stellung beziehen zu dem Vorwurf, er solle 14,7 Millionen Euro unterschlagen haben.

Steuerschlupflöcher so groß wie der Atlantik

Ronaldo führt das illustre Feld an mutmaßlichen Steuerhinterziehern an, die ein Medienkonsortium um das Magazin Der Spiegel mit Daten der Plattform Football Leaks an die Öffentlichkeit brachte. Die meisten der Fußballer werden von Jorge Mendes und dessen Firma Gestifute beraten, darunter Pepe, Radamel Falcao - und Ángel Di María. Der Argentinier wurde nun von einem spanischen Gericht zu einer Geldbuße und einer Haftstrafe verurteilt, die jedoch zur Bewährung ausgesetzt wird. Ähnlich wie im vergangenen Sommer Lionel Messi, der ebenfalls eine Bewährungsstrafe erhielt. Gegen Trainer José Mourinho, auch ein Mendes-Klient, hat die Madrider Staatsanwaltschaft am Dienstag Strafanzeige eingereicht. Bei ihm geht es um 3,3 Millionen Euro.

Nun ist das, so hart es klingt, heutzutage nichts Besonderes mehr. Den Wohlhabenden dieser Welt stehen Steuerschlupflöcher so groß wie der Atlantik offen. Heerscharen von Kanzleien, Banken und Finanzberater dienen sich an, gegen eine Gebühr das Geld ihrer Klienten um den Globus zu schicken. Manche überschreiten dabei auch die gesetzlichen Grenzen. Große Teile des Fußball-Publikums nehmen das achselzuckend zur Kenntnis. Wer würde es nicht so machen?

Dennoch einmal dreist gefragt: Worin würde die Motivation bei einem geschätzten Jahreseinkommen von 83 Millionen Euro (Ronaldo) bestehen, seine Steuern nicht in voller Höhe zu bezahlen? Kommt es da wirklich auf die eine oder andere Million an? Verändert Geld vielleicht wirklich den Charakter? Nach dem Motto: Die 220-Euro-Schuhe mit meinem Namen drauf sollen die Leute bitteschön kaufen und dazu noch das 90-Euro-Trikot. Aber zur Finanzierung der öffentlichen Ausgaben im durchaus gebeutelten Spanien trage ich nur das Nötigste bei.

Es steht keineswegs fest, dass Ronaldo und all die anderen (samt ihrer Berater) gegen das Gesetz verstoßen haben. Vielleicht stellt sich heraus, dass alles regelkonform gelaufen ist, sie nur geschickt ein paar Tricks anwandten und sie können weiter munter Tore schießen. Doch selbst wenn juristisch nichts hängen bleibt, so bleibt doch die Moral. Bei Protagonisten eines sogenannten Volkssports ist dieser Aspekt spannender als bei namenlosen Vorstandsvorsitzenden internationaler Firmen. Es ist das Publikum, das aus Fußballern Helden und entsprechend Millionäre macht. Ein Publikum, das im Normalfall seine im Vergleich mickrigen Groschen einwandfrei versteuern muss.

Die Leute in der Branche sind es gewohnt, mit Liebe und Anerkennung zugeschüttet zu werden. Ihre Sieger erfahren große Verehrung von Fans, werden von Politikern hofiert, selbst von Königen und oft genug auch von den Medien. Der Fußball ist der weltgrößte Unterhaltungsmarkt. Das Geld sprudelt nur so und wenn man denkt, jetzt sei es aber mal gut mit den vielen Millionen, dann kommen ein arabischer Staatsfonds, ein britischer Fernsehsender, ein russischer Oligarch oder eine chinesische Liga daher und machen noch mehr locker. Die Profis und ihre Begleiter müssen nur noch die Hand hinhalten und es fällt das Geld hinein.

Ist es da verwunderlich, dass viele Protagonisten offenbar selbst glauben, über dem Rest der Menschheit zu thronen? Dass sie zu einer Gruppe Auserwählter gehören, die sich mit den Mühen des Alltags nicht herumschlagen muss? Steuern zahlen? Wieso das denn? Wir sind Fußballer!

Hauptsache, er schießt Tore

Uli Hoeneß, wiedergewählter Präsident des FC Bayern, der derzeit als verurteilter Steuerhinterzieher auf Bewährung frei ist, sagte zuletzt bei einer Veranstaltung in Liechtenstein: "Ich bin der einzige Deutsche, der Selbstanzeige gemacht hat und trotzdem im Gefängnis war. Ein Freispruch wäre völlig normal gewesen." Dass die Selbstanzeige aus guten Gründen unwirksam war, will er offenbar nicht wahrhaben.

José Mourinho wies in einem Statement alle Vorwürfe von sich. Alle juristischen wohlgemerkt, zu den moralischen sagt er nichts. Cristiano Ronaldo soll so empört sein über die Anschuldigungen, dass er Spanien verlassen will. Für viele Anhänger ist er weiterhin der Fußballheld, den sie gerne in ihrer Mannschaft sähen. Egal, ob in Madrid oder Manchester oder Paris oder sonstwo. Was interessiert es, wie viel Geld er dem spanischen Staat vorbehält, Hauptsache er schießt Tore und jubelt seinen Ronaldo-Jubel. Uli Hoeneß haben sie beim FC Bayern noch als "besten Mann" besungen, während das Ausmaß seiner Steuerschuld immer größer wurde. Weil sie dachten, dass nur mit ihm der Verein so gut bleibt, wie er ist.

Der Fußball verzeiht viel, er ist ein eigener Kosmos. Dass sich rundherum angesichts der vielen Affären und Eklats in den Verbänden, Vereinen und nun auch bei Spielern ein immer größeres Unbehagen einschleicht, nimmt der Kosmos kaum wahr. Denn darin zählt nur das Ergebnis - auf der Anzeigetafel, nicht auf dem Steuerbescheid.

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