Fifa-Prozess:Der nächste Zeuge belastet Katar

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So soll das Qatar Foundation Stadium 2022 aussehen. (Foto: Getty Images)
  • Im New Yorker Fifa-Prozess berichtet Kolumbiens ehemaliger Verbandschef von Millionen-Avancen rund um die Fußball-Weltmeisterschaft 2022.
  • Stück für Stück entsteht ein atemberaubendes Bild zur WM-Vergabe im Jahr 2010.

Von Thomas Kistner, New York/München

Spektakulär wie schon gewohnt geht der Prozess zur Fifa-Korruption im Brooklyner Gerichtsdistrikt in die dritte Woche. Während Morddrohungen im Gerichtssaal und mysteriöse Todesfälle andernorts für eine Untermalung wie im Mafia-Film sorgen, geht ein wenig unter, dass sich im Zuge all der drehbuchreifen Zeugenaussagen ein neuer Prozesskomplex zusammenbraut: zur WM-Vergabe 2022 an Katar. Am Montag trug Luis Bedoya dem Schwurgericht den nun schon vierten Korruptionsvorwurf gegen Sportvertreter des Emirats vor. Kolumbiens ehemaliger Verbandschef erklärte unter Eid, ihm sei Schmiergeld in Millionenhöhe offeriert worden - für seine Unterstützung bei der WM-Vergabe 2022.

Detailliert beschrieb Bedoya Vorgänge, die sich am Rande des Champions-League-Finales im Mai 2010 in einem Madrider Hotel zugetragen haben sollen. Dort habe der argentinische Rechtehändler Mariano Jinkis, Eigner der Agentur Full Play, ihm und Ecuador-Verbandschef Luis Chiriboga anlässlich eines Treffens mit einem "hohen" Fernsehvertreter Katars bis zu 15 Millionen Dollar offeriert für eine Unterstützung der WM-Bewerbung des Emirats, aufzuteilen unter den Beteiligten des Deals. Der Katarer, dessen Namen Bedoya nicht nannte, habe Englisch parliert, Jinkis übersetzt.

Die neuen Vorwürfe knüpfen nahtlos an die des Zeugen Santiago Pena an. Dieser verteilte viele Jahre die Schmiergelder der Agentur Full Play; als alles aufflog, kopierte er heikle Geschäftsakten und gab sie der US-Justiz. Letzte Woche verriet Pena im Zeugenstand, wie Funktionäre zwecks Verschleierung der Korruption mit Decknamen von "Benz" bis "Toyota" bedacht wurden - und dass manche Zahlung unter dem Kürzel Q2022 lief. Das könnte für Katar (engl. Qatar) stehen; das Emirat, das die WM 2022 austragen soll. Wie eng war die Beziehung zu Katar?

Stück für Stück entsteht ein atemberaubendes Bild zur WM-Vergabe

Pena berichtete auch von diskreten Verhandlungen über einen Teilverkauf der Korruptions-Agentur: mit Nasser al-Khelaifi, Chef des Spitzenklubs Paris St. Germain und des Senders BeIn Sports in Katar. Gegen al-Khelaifi laufen in der Schweiz schon Strafermittlungen im Fifa-Kontext. Katar und al-Khelaif weisen auch hier alle Vorwürfe von sich. Doch in New York fügt sich ein Puzzleteil zum anderen, die Staatsanwälte sammeln fleißig. Stück für Stück entsteht ein atemberaubendes Bild zur WM-Vergabe im Jahr 2010. Nicht nur, was mutmaßliche Zahlungswege angeht, sondern auch zur Motivlage.

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Strafankläger müssen beides ergründen, solange kein unumstößlicher Beweis vorliegt. Liefert also der New Yorker Prozess ausreichend Belastungsmaterial für ein erstes Katar-Verfahren, ließen sich so die diplomatischen Probleme elegant umgehen, die sich aus US-Sicht mit einer WM-Ermittlung gegen Katar verbinden. Zeuge Bedoya gab an, er habe zwischen 2007 und 2015 rund drei Millionen Dollar abkassiert. Im Jahr 2008 hätten auch die Kleinen, die Länder hinter den großen Absahnern Brasilien und Argentinien, endlich an die Geldtöpfe gewollt. Kolumbien, Peru, Paraguay, Bolivien, Ecuador und Venezuela taten sich zusammen, den neuen Schmiergeldfluss lenkte die Agentur Full Play über Strohfirmen.

Die Firma, die Hugo Jinkis und Sohn Mariano gehörte, stand zuhause in Argentinien selbst nur im Schatten eines großen Marktrivalen: Torneos y Competencias (TyC). TyC-Agenturchef Alejandro Burzaco hatte den Zugang zum wahren Fußballpatron in Südamerika: Julio Grondona. Der 2014 gestorbene "Don Julio", so Bedoya, habe seine Überzeugungskraft störrischen Kollege im Bedarfsfall in Sitzungspausen auf dem Herrenklo vorgeführt; gern ließ er sich auch Mafia-like den Siegelring am Finger küssen. Dies Kleinod - er zeigte es einst Journalisten - trug die Aufschrift "Todo Pasa". Alles geht vorbei.

In New York geht es erst richtig los. Für die Rechtevergabe der Copa-America-Turniere, so Bedoya, habe die Agentur Full Play dem Sechser-Bund eine Million Dollar pro Präsident ausgelobt. Ein Deal mit Katar sei damals aber nicht zustande gekommen. Die Bosse der Sechser-Allianz saßen ja nicht im Fifa-Vorstand, der im Dezember 2010 Katar die WM 2022 zuteilte.

Dort waren Grondona, Ricardo Teixeira (Brasilien) und Nicolas Leoz (Paraguay) zugange, und dass das Trio für Katar votierte, gilt nach Aktenlage als gesichert. Dass dies nicht ohne satte Gegenleistung geschah, den Verdacht hat Burzaco als Erster im Prozess genährt. Er habe von Don Julio selbst erfahren, dass dieser mindestens eine Million Dollar für die Katar-Stimme kassiert habe. Burzaco beschrieb auch, wie sauer Grondona wurde, als er erfuhr, dass Teixeira und Leoz viel mehr eingesackt hätten. Bedoya übrigens - so klein ist die Fußballfamilie - ist ein guter Bekannter der neuen Fifa-Chefethikerin, Claudia Rojas. Die hatte sich gar in Kolumbien als Richterin in einem Verfahren gegen Bedoya ob der persönlichen Nähe als befangen bezichtigt, wurde aber für zuständig erklärt. Rojas Erhebung zur Chefermittlerin durch den umstrittenen Verbandsboss Gianni Infantino trug der Fifa viel Kritik ein - die bis heute nicht zerstreut werden konnte.

Eine stille Prozessvorbereitung gegen erste Global Player im Weltfußball?

Bedoya berichtete weiter, ihm habe ein Vertreter des Sportkonzerns Nike 2010 Geld dafür geboten, dass Kolumbiens Auswahl zu dem Ausrüster wechsele. Nike reagierte umgehend, man sei stets gegen Korruption und pflege "Ethik und Fairplay". Ein konkretes Dementi liest sich anders. Auch Nike laviert auf glattem Geläuf. Allein eine Fülle dubioser Deals mit Brasiliens Teixeira und dem in Spanien inhaftierten früheren Nike-Manager Sandro Rosell weisen nicht in Richtung Geschäftsethik.

Juristische Beobachter betrachten das New Yorker Verfahren mit seinen fortwährend neuen, beeideten Sachverhalten allmählich als stille Prozessvorbereitung gegen erste Global Player im Weltfußball. Katar, Nike: Die Ermittlungsakten füllen sich.

© SZ vom 29.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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