Fußball: Michael Ballack:Ein bisschen Capitano

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Im Testspiel gegen den SV Wehen Wiesbaden zeigt sich Leverkusens Rückkehrer Michael Ballack erstmals seit drei Monaten wieder auf dem Fußballplatz. Die Kapitänsbinde trägt er dabei vielleicht zum letzten Mal in seiner Karriere.

Philipp Selldorf

Angeblich sollte es ein "Geheimspiel" werden, ein streng vertraulicher Tauglichkeitstest des neuen Leverkusener Top-Models, aber am Samstag haben sämtliche lokalen Zeitungen über die Verabredung berichtet, die Bayer Leverkusen mit dem SV Wehen-Wiesbaden getroffen hatte. Nur die Uhrzeit des Sonder-Testspiels zwischen Erst- und Drittligaklub wurde halbwegs als Geheimnis behandelt, weshalb sich am Sonntagvormittag nur etwa 100 Zuschauer bei Michael Ballacks Rückkehr auf den Fußballplatz in der Bay Arena einfanden. Dabei stand die Tür offen für jedermann, auch auf Eintrittsgeld verzichtete der Klub, obwohl Trainer Jupp Heynckes die konzertierte Übung hinterher mehrmals als "Pflichtspiel" bezeichnete. Er hat das wohl im übertragenen Sinn gemeint.

Michael Ballack spielte erstmals seit drei Monaten wieder richtig Fußball. Ob er wieder Kapitän des Nationalteams wird, ist weiter unklar. (Foto: dpa)

Sein letztes amtliches Pflichtspiel hatte Ballack am 15. Mai bestritten, im englischen Pokalfinale mit dem FC Chelsea. Durch ein Foul seines Landsmanns und Gegenspielers Kevin-Prince Boateng erlitt er einen Riss des Syndesmosebandes, die Folgen für den Betroffenen und fürs ganze Land sind bekannt. Seit jenem Tag hat Ballack dem Wiederaufbau seines Hochleistungskörpers viele, viele Stunden gewidmet, Heynckes lobte, er habe noch nie in seiner Jahrzehnte währenden Karriere einen Fußballer erlebt, der seine Reha-Kur so professionell absolviert habe wie Michael Ballack.

Am Sonntag um 11 Uhr im Bayer-Stadion sah Ballack nicht mehr aus wie ein Patient, er spielte bis zum Schluss mit und ließ sich vom Dauerregen erfrischen, oben auf der Tribüne sah es die quasi vollzählig angetretene Bayer-04-Obrigkeit mit Freuden. Sportchef Rudi Völler und Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser waren vergnügt, als würden sie einem herrlichen Spaß beiwohnen. Ganz so brillant war es dann allerdings doch nicht, Heynckes erlebte seinen neuen Mittelfeldchef "im Bereich seiner Möglichkeiten - ist ja klar, dass er noch nicht in Bestform oder in guter Form ist".

Löw glaubt an EM-Auftritt

Doch auch der Trainer war zufrieden über die Fortschritte Ballacks, der auf seinem angestammten Platz im Zentrum mit großer Ruhe und Routine die Bälle sortierte und verteilte. In Abwesenheit der üblichen Amtsinhaber - Simon Rolfes und Manuel Friedrich - durfte er auch wieder seine alte Rolle als "Capitano" ausüben, am rechten Oberarm trug er die Kapitänsschleife.

Zum 4:0-Sieg gegen den sich höflich zurückhaltenden Sparringspartner trug Ballack zwar keinen Treffer bei, aber eine schöne Vorlage auf den Torschützen Marcel Risse. Als die Partie vorüber war, verlor er dann keine Zeit und nahm Platz auf dem Ergometer-Rad, um die Form zu forcieren, denn seine Reha-Kur ist nicht zuletzt ein Kampf gegen die Zeit. Am Donnerstag spielt Bayer 04 im Europacup gegen Simferopol, am Sonntag zum Bundesligastart in Dortmund - es sind die einzigen Vorführtermine, die Ballack zur Verfügung stehen, wenn er sich für die nächste Länderspielrunde empfehlen will. Denn seinen Kader für die EM-Qualifikationspartien in Belgien und gegen Aserbaidschan (3. und 7. September) wird der Bundestrainer wohl schon Ende nächster Woche benennen. Es wird eng für Ballack, zu eng, glaubt Heynckes.

Dass also Joachim Löw auf Ballacks Nominierung verzichtet und sich daraufhin noch einige Wochen Zeit lässt mit der Klärung der schicksalhaften Kapitänsfrage im DFB-Team, ist möglich. Muss aber nicht sein, dem Express hat Löw erläutert, dass er die Vergabe des Postens nicht für ein entscheidendes Kriterium hält. "Egal, wie meine Entscheidung ausgeht - die EM wird er sich nicht nehmen lassen", glaubt Löw. Ballack teilte am Sonntag eher unfroh mit, er habe die "Aussagen zur Kenntnis genommen". Womöglich war er gegen Wehen-Wiesbaden das letzte Mal in seiner Karriere der Capitano.

© SZ vom 16.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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