Fußball-EM:Unglückliches Österreich

Iceland v Austria - EURO 2016 - Group F

Am Boden: Österreichs Spieler nach dem entscheidenden Konter des Isländer.

(Foto: REUTERS)

Drittes Spiel, dritte Enttäuschung: Nach einem fahrigen Auftritt beim Match gegen Island scheiden die vorher hoch gehandelten Österreicher mit einem Punkt schon nach der Gruppenphase aus.

Von Claudio Catuogno, Saint-Denis

"Viel gerühmtes Österreich" sangen die Österreicher im Stade de France, es ist ihre Nationalhymne, aber es ist auch eine Art fußballerische Wahrheit gewesen, bis zu diesem Mittwochabend. Ein kleines Land, zu großem Berufen, das sollte die Geschichte der österreichischen EM-Mission sein. Und warum auch nicht, wenn man sich ungeschlagen für dieses Turnier qualifiziert hat, wenn an der Seitenlinie ein besonnener Trainer steht und auf dem Rasen eine goldene Generation?

Doch nun ist das Gruppenspiel gegen Island schon ihr letztes gewesen. Es endete 1:2 (0:1). Träume zerplatzen - aber so traurig wie Österreich hat sich lange kein Geheimfavorit mehr aus einem Turnier geschlichen, nicht einmal, wie in diesem Fall, ein überwiegend selbsternannter.

"Die Enttäuschung ist riesig. Wir sind traurig, es gibt keine Ausreden", stammelte Alessandro Schöpf, der die Österreicher mit seinem zwischenzeitlichen Ausgleich in der 60. Minute wieder ins Spiel gebracht hatte - fassungslos stellte er fest: "Und jetzt ist es vorbei."

"Land der Hämmer, zukunftsreich", das sangen die Österreicher im Stade de France auch. Man muss nicht jede Liedzeile mit Bedeutung aufladen. Aber die Melodie war kaum verklungen, da rauschte der erste Hammer heran - von Johann Gudmundsson, an die Latte (2.). Und als in der 18. Minute ein hoher Ball angeflogen kam, ein Einwurf von Aron Gunnarsson, verlängert von Kari Arnason, da waren die Österreicher schon so verunsichert, dass niemand Jon Dadi Bödvarsson am Torschuss hinderte. 1:0 für Island.

"Ein blödes Gegentor", sagte Schöpf: "Danach standen die Isländer tief. Wir haben nicht die Räume gefunden.

Ich habe kleine Erklärung dafür." Das Glück der Isländer verblasste fast ein bisschen angesichts der unglücklichen Österreicher. Die erste Turnierteilnahe für die Atlantikinsel, und dann gleich die Qualifikation für die K.o.-Runde, als Gruppenzweiter. "Ein bisschen, als wenn du das erste Mal im Disneyland bist", so war Islands Eidur Gudjohnsen die EM vorgekommen. Und nun dürfen sie tatsächlich noch bleiben, für ein Achtelfinale gegen England.

"Dafür haben wir gekämpft, für unser Land. Ich weiß gar nicht, wie wir das geschafft haben", sagte Islands Kapitän Aron Gunnarsson und ergänzte: "Wir haben Charakter gezeigt und es aufgrund unserer Mentalität geschafft. Wir haben unsere Handballer als Vorbild genommen, die haben das oft gezeigt." Für die Österreicher war es nicht wie das erste Mal im Disneyland, sondern eher so, wie wenn ihr Slalom-Ass Marcel Hirscher als Schnellster in den zweiten Durchgang startet - und dann schon am ersten Stangerl einfädelt mit dem Ski.

Wie das erste Mal im Disneyland kam den Isländern die EM vor

Obwohl, Hoffnung gab es: Sie spielten ordentlich, insbesondere der einstige Bremer Marko Arnautovic hatte seine Szenen. Und weil Ari Skularson ein bisschen zu offensichtlich am Arm von David Alaba zerrte, bekamen die Österreicher einen Elfmeter (36.). Aber wo geht der Ball hin, wenn sich die Verunsicherung schon unter die rot-weißen Trikot geschlichen hat? Genau: an den Pfosten (Dragovic; 38.). Das Scheitern bekam jetzt etwas Zwangsläufiges. Wenn man beim Skirennen einfädelt, ist wenigstens Schluss. Diese Partie fühlte sich eher an wie ein Slalom, bei dem man Stange um Stange verfehlt und trotzdem immer weiter den Berg runter muss. Der Trainer Marcel Koller, der unzweifelhaft dafür gesorgt hat, dass Österreichs Fußball zuletzt viel gerühmt wurde, wirkte jetzt auch eher ratlos als besonnen.

Fehlende Konsequenz, immerhin, kann man Koller nicht nachsagen. Stursinn schon eher. Nachdem er Alaba, der beim FC Bayern Linksverteidiger und in der Nationalelf sonst im defensiven Mittelfeld spielt, zuletzt schon hinter den Spitzen hatte spielen lassen (was nicht funktionierte), schob er ihn diesmal noch weiter nach vorne. Aus der Not heraus, als Vertreter des am Knöchel verletzten Bremers Zlatko Junuzovic. Alaba wirkte auch diesmal eher orientierungslos. Aber dann begann die zweite Halbzeit - und die Österreicher erschienen wie ausgewechselt. Und mit einer Wir-finden-Heil-in-der-Flucht-Formation: Schöpf und Mark Janko ersetzten Stefan Olsanker und Sebastian Prödl, Alaba rückte weiter nach hinten. Die 60. Minute: Schöpf, von Alaba bedient, zieht aus 15 Metern ab - der Ausgleich. Es war nur eine von unzähligen guten Gelegenheiten.

Doch, man hat jetzt schon verstanden, warum Österreich so stolz war auf seine Fußballer. Aber viel, viel, viel zu spät. Und man hat auch verstanden, dass es wohl einfach nicht sein sollte. In der Nachspielzeit erzielte Arnor Ingvi Traustason das 2:1. Glückliches Island.

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