Fußball-EM:"Hodgson hat es vermasselt"

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Im Viertelfinale wartet auf Wayne Rooney und die Engländer der Zweite der Gruppe F - also Portugal, Ungarn, Island oder Österreich. (Foto: Getty Images)

Totale Dominanz, 29 Torschüsse, kein Treffer: England wird nur Gruppenzweiter. Die Presse tobt, aber Trainer Hodgson sagt: Wir treffen schon noch. Und zwar vor dem Elfmeterschießen.

Von Thomas Hummel, Saint-Étienne

Roy Hodgson entwickelte im Laufe des Abends einen gewissen Trotz. "Was ich sagen kann, ist das: Die Zeit wird kommen, in der wir unsere Chancen nutzen werden." Damit müsse der Gegner dann fertig werden.

Die Zeiten sind eigentlich vorbei, dass englische Fußballtrainer bei Turnieren große Sprüche reißen. Doch was blieb Hodgson anderes übrig nach drei Vorrundenspielen, die alle gleich aussahen? Seine Mannschaft war jedes Mal hoch überlegen, hatte gegen Russland, Wales und die Slowakei die erkennbar besseren Fußballer auf dem Platz. Doch der Ertrag war mehr als unbefriedigend.

Ein Freistoßtor gegen die Russen. Ein Last-Minute-Sieg gegen Wales. Nun die Nullnummer gegen die Slowaken. Platz zwei nur in einer Gruppe, die England mit seiner neuen, talentierten Generation eigentlich locker hätte gewinnen müssen. Auch noch hinter dem kleinen Nachbarn Wales, der im Parallelspiel am Montagabend gezeigt hat, wie es geht: 3:0 gegen Russland.

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Hodgson hat eigentlich ein ganzes Arsenal an Spezialisten dabei

Doch wer möchte Roy Hodgson eigentlich widersprechen? Bevor er trotzig wurde an diesem Abend in Saint-Étienne, hatte er noch frustriert erklärt: "Ich war eigentlich der Meinung, dass wir genügend Spieler besitzen, die ein Tor schießen können." Er hatte schließlich ein ganzes Arsenal an Spezialisten mit nach Frankreich genommen. Harry Kane, Torschützenkönig der englischen Premier League. Jamie Vardy, Platz zwei der Torschützenliste und Meister mit Außenseiter Leicester. Daniel Sturridge, der unberechenbare Dribbler aus Liverpool. Dazu das Hochgeschwindigkeits-Talent Marcus Rashford von Manchester United. Adam Lallana, Raheem Sterling und natürlich Wayne Rooney, Erster der ewigen Torschützenliste des Nationalteams.

England hat so viele gute Offensivspieler im Kader, dass sich auch die Öffentlichkeit nicht mehr einig war, wen der Trainer zuerst aufstellen soll. Wie es die Experten gefordert hatten, wählte er Vardy und Sturridge, weil sie die Tore gegen Wales erzielt hatten. Insgesamt sechs personelle Änderungen nahm Hodgson nach dem "Battle of Britain" vor. Das war dann nach dem 0:0 gegen die Slowaken natürlich auch wieder nicht recht.

"Hodgons Zockerei geht nicht auf", titelt das Boulevardblatt The Sun, die Daily Mail schimpft: "Wenn ein Trainer sechs Spieler austauscht, ist die einzige Rechtfertigung das Ergebnis. Und Roy Hodgson hat das nicht erreicht." Sogar die seriöse Times griff zu harschen Worten, vor allem weil Wayne Rooney erst nach 56 Minuten das Spielfeld betrat: "England führungslos ohne Rooney, als Hodgson es vermasselt."

Dabei setzte sich in dem Spiel nur fort, was man bei diesem Turnier schon ein paar Mal zu sehen bekam. Eine Mannschaft dominiert das Spiel, fesselt den Gegner an dessen eigenen Strafraum. Doch dieser Gegner wehrt sich mit großer Leidenschaft und versucht mit zunehmender Spieldauer nur noch, das eigene Tor zu verteidigen. Oft kamen die Favoriten erst in den Schlussminuten zu Treffern - wenn überhaupt. Zuletzt schaffte Österreich gegen die Portugiesen so ein torloses 0:0, diesmal die Slowaken gegen England.

Die Rezepte waren ähnlich: Ein sehr guter Torwart (Matus Kozacik), starke Kopfballspieler in der Defensive, um die Ecken und Freistöße abzuwehren (die Slowakei gewann mehr als 60 Prozent aller Luftduelle). Und eine Menge Glück. Die Engländer schossen zwar keinen Elfmeter an den Pfosten wie Cristiano Ronaldo gegen Österreich, doch einer ihrer 29 Torschüsse hätte auch seinen Weg ins Netz finden können. Und sei es abgefälscht von einem slowakischen Bein.

Im Viertelfinale droht das Duell mit Frankreich

Durch Platz zwei treffen die Engländer nun auf den Zweiten der Gruppe F. Also Portugal, Ungarn, Island oder Österreich. Danach droht im Viertelfinale das Duell mit Gastgeber Frankreich. Allein das löst auf der Insel Verwerfungen aus. "Er hat es für England sehr schwer gemacht, über das Viertelfinale hinauszukommen. Und das ist sein Job. Alles andere ist nur Gelaber", schimpft die Daily Mail.

Hodgson rechtfertigte seine Maßnahmen im Nachhinein damit, dass sich doch auch nach den Einwechslungen von Delle Alli, Rooney und Kane kaum etwas verändert hatte. "Wir werden kritisiert dafür, dass wir unsere Chancen nicht genutzt haben. Dass wir so viel Ballbesitz hatten, ohne Tore zu schießen. Das kann ich nicht zurückweisen." Und dann kam er wieder, der Trotz. Angesprochen auf ein mögliches Elfmeterschießen in der K.-o.-Runde, in der England schon so häufig ausgeschieden ist, sagte er: "Wenn das Team so weiterspielt mit dieser Dominanz und dieser Intensität, dann werden wir Tore schießen und Spiele in der regulären Zeit gewinnen."

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