Fußball-EM:Die Nummer eins auf der Insel heißt Wales

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  • Angeführt von einem starken Gareth Bale siegt Wales 3:0 gegen ein überfordertes Russland.
  • Die Waliser erreichen als Gruppenerster das Achtelfinale - vor dem großen Rivalen England.
  • Hier gibt es alle Tabellen und Ergebnisse zum Turnier in Frankreich.

Von Johannes Aumüller, Toulouse

Die walisischen Zuschauer sangen und sangen, und mit zunehmender Spieldauer reifte neben dem Tun der eigenen Mannschaft noch ein weiterer Grund für ihren Jubel heran. Es war ja schon ein besonderer Genuss, den eigenen flinken Akteuren zuzusehen, wie diese wieder und wieder Russlands überforderte Deckung überliefen und dabei drei Mal auch zu einem Torerfolg kamen.

Aber irgendwann bereitete es fast ebenso große Freude, auf das Ergebnis des Parallelspiels zwischen England und der Slowakei zu schauen. Und als dieses beendet war, durfte die walisische Elf beglückt konstatieren, dass sie sich mit dem 3:0 (2:0) gegen Russland nicht nur überraschenderweise fürs Achtelfinale qualifizierte - sondern dies sogar als Gruppensieger vor dem großen Insel-Rivalen England.

Die Waliser dribbeln nach Herzenslust

Es war ein überzeugendes Spiel, aber es war auch erstaunlich, wie leicht den Walisern dieser Triumph fiel. Das hohe Durchschnittsalter und die damit einhergehenden Geschwindigkeits-Defizite der russischen Mannschaft waren ja durchaus ein Thema gewesen in den beiden Auftritten gegen England (1:1) und die Slowakei (1:2). Aber am Montagabend kam das noch mal in verschärfter Form auf. Erstens ersetzte Trainer Leonid Sluzkij quasi sein komplettes zentrales Mittelfeld und nominierte dort die Herren Gluschakow, Mamajew und Schirokow.

Damit wollte er zwar den kreativen Part stärken, steigerte aber zugleich der Altersdurchschnitt auf stolze 29,8 Jahre. Und zweitens feierte die Innenverteidigung sogar ihren 70. Geburtstag: Wassilij Beresuzkij wurde am Montag 34, Sergej Ignaschewitsch ist bereits 36.

Nun zeigt Italiens Senioren-Combo, dass hohes Alter nicht zwangsläufig etwas Schlechtes bedeutet, aber im Fall der russischen Elf führte das zu bisweilen grotesken Szenen gegen Wales. Noch schlimmer als in den beiden ersten Spielen traten die Defizite von Ignaschewitsch, Beresuzkij & Co. zutage, weil sich die langsame russische Defensive einem Hochgeschwindigkeitssprinter wie Gareth Bale ausgesetzt sah. Nach Herzenslust dribbelten und spazierten die Waliser durch des Gegners Deckung, und deswegen war die Sache in Toulouse im Kern auch schnell geklärt.

Bereits in der ersten Minute hatten die Waliser die erste Chance. Bale zog ab, nur mit Mühe konnte Russlands Torwart Igor Akinfejew parieren. Nach zehn Minuten ging Joe Allen mit Tempo nach vorne, ein feiner Pass auf Aaron Ramsey, ein Lupfer, und schon stand es 1:0. Keine zehn Minuten später landete der Ball bei einem Konter etwas glücklich bei Neil Taylor, der dann seinerseits noch einmal etwas Glück hatte: Versuch Nummer eins parierte Akinfejew noch, aber der Abpraller landete wieder bei Taylor, 2:0, und fortan nahm die Dribbel- und Spazierkunst der Waliser nur noch zu.

Vor allem Bale schien es prächtig zu amüsieren, wie mühelos sich im internationalen Fußball manchmal gegnerische Abwehrspieler überlaufen lassen, und so gab es im Laufe der ersten Hälfte unter anderem noch folgende Szenen: Bale stürmte in den gegnerischen Strafraum und passte dort zu Sam Vokes, der aber verzog (30.); Bale schoss aus der Distanz (38.), Bale schoss aus dem Sechzehner (40.), Bale bediente Ramsey, der aber zu lange mit dem Abschluss zögerte (45.). Zwischendurch gab's auch mal eine, aber wirklich nur eine Chance für die Russen, als Artjom Dsjuba einen weiten Abschlag Akinfejews verwerten wollte, aber Wales' Torwart Wayne Hennessey lenkte den Ball zur Ecke.

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Russland ergibt sich dem bitteren Aus

Es ist zwar anzunehmen, dass Russlands Abwehrspieler ob der ständig um sie herum, auf sie zu und ihnen davon stürmenden Waliser nicht viel Zeit zum Nachdenken über andere Themen und Zeiten hatten. Aber für einen Moment mögen sie sich mal ans Jahr 2008 und die damalige EM erinnert haben. Damals erschien eine Mannschaft auf der internationalen Bühne, die viele erstaunte: Sie war defensiv extrem gut organisiert, rannte aus welchen Gründen auch immer meist mehr und schneller als der Gegner, gewann viele Zweikämpfe und hatte vorne ein paar verblüffende Turbosprinter. Diese Mannschaft, das waren die Russen selbst gewesen, und in Toulouse musste es der Sbornaja bisweilen so vorkommen, als spielte sie gegen ihre eigene Mannschaft von 2008.

In der zweiten Hälfte änderte sich das Bild nur unwesentlich. Die Waliser drückten und drückten - und dass es ob diverser Chancen nur noch zu einem Treffer durch den überragenden Gareth Bale (67.) reichte, war auch egal. Die Russen demonstrierten all die Probleme in ihrer Mannschaft noch einmal auf besondere Weise, als sich bei der Auswechslung von Kapitän Roman Schirokow zunächst niemand fand, der dessen Binde übernahm - bis sie schließlich bei Torwart Igor Akinfejew landete.

Und während sich die Waliser mehr und mehr in Stimmung sangen, ergaben sich die Russen ziemlich emotionslos diesem bitteren Aus, manchem Fan konnte es mit Blick auf die WM im eigenen Land in zwei Jahren schon bange werden. Denn dann dürften, mangels vieler Talente, immer noch viele Akteure dieses Abends im Kader stehen. Womöglich gar Ignaschewitsch und Beresuzkij.

© SZ vom 21.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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