Fußball:Die Marke PSG verkommt zur Lachnummer

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Konnte mit seinem Treffer das Aus gegen Barcelona nicht verhindern: Angreifer Edinson Cavani. (Foto: AFP)
  • Paris ist Frankreichs Zentrum in allem. Nur im Fußball war es die meiste Zeit Provinz, Peripherie.
  • 2011 übernahm Katar, und alles wurde neu. Das Emirat setzte seinen Staatsfonds Qatar Sports Investments ein, eine scheinbar unversiegbare Geldquelle.
  • Das 1:6 in der Champions League gegen den FC Barcelona könnte das Image-Problem des Klubs noch verschärfen.

Von Oliver Meiler

Nun lachen alle, und so war das natürlich nicht gedacht. Die Nacht von Barcelona, dieses hymnische 6:1 für die Nachwelt, hat neben einem satten Hosianna für die Sieger auch viel Häme für die Verlierer gebracht. Im Sport gibt es ein Wunder eben selten ohne Opfer.

Als die Maschine mit den Spielern von Paris Saint-Germain in Le Bourget, dem Pariser Flughafen für Privatjets, gelandet war, warteten da in den frühen Morgenstunden noch immer 40 Fans, die mal einige elementare Dinge loswerden wollten. Es waren keine Worte des Trosts. "Ihr seid eine Schande", hieß es da. "Ihr habt die Farben nicht verdient, die ihr tragt, haut schon ab!" Vor dem Flughafen gab es dann einen Vorfall, der wohl vor einem Gericht verhandelt werden muss. Der Italiener Thiago Motta, Mittelfeldspieler ohne Einsatz im Camp Nou, fuhr mit seinem Wagen einen Fan an. Hat er ihn nur versehentlich gestreift, wie Motta behauptet? Oder hat er absichtlich Gas gegeben, wie der Kläger sagt? Es steht Aussage gegen Aussage. Und auch das passt gut ins traurige Bild.

In Paris werden nun die ganz großen Fragen erörtert. Es könnte nämlich sein, dass diese Geschichte mit Paris und dem großen Fußball immer ein Missverständnis war. Sie war es schon vor der katarischen Ära, und sie ist es immer noch. Und vielleicht wird nun, nach dieser Nacht von Barcelona, nie mehr etwas draus.

Nach einer Nacht, in der nicht einmal ein Vier-Tore-Vorsprung, ein 4:0 aus dem Hinspiel, genügte, um das Achtelfinale der Champions League zu überstehen.

"Paris pfeift auf uns"

Der große Just Fontaine, in den Siebzigern drei Jahre lang Trainer von PSG, sagte einmal: "Paris pfeift auf uns." In dieser knappen Formel war alles drin. Fußball war in dieser Stadt der Macht, der Museen und der Mode immer nur Accessoire - ein angehängtes, abgewetztes Täschchen. Es gab so viel mehr und Schöneres zu sehen als das ungelenke Gekicke einer meist nur mediokren Mannschaft in einer kleinen, architektonisch auch noch missratenen Betonschüssel draußen an der Ringstraße, dem "Périph'", XVI. Arrondissement. Außer dem Namen, Parc des Princes, ist daran nichts fürstlich.

Paris ist Frankreichs Zentrum in allem. Nur im Fußball war es die meiste Zeit Provinz, Peripherie. Marseille, Lyon, Monaco, Bordeaux und Saint-Étienne waren größer. Früher sogar Reims. Es hat in den letzten fünf Jahrzehnten, seit der Gründung von PSG, viele Versuche gegeben, den einzigen erstklassigen Verein der Hauptstadt auch wirklich erstklassig zu machen. Und immer trachteten die Investoren danach, den Glamour der Stadt auf den Klub zu übertragen, samt Glitter und Spektakel, ihn darin erstrahlen zu lassen. Doch alle scheiterten, oft mit viel Theater.

Champions League
:Randale am Flughafen gegen PSG-Spieler

Nach dem 1:6 in Barcelona wird Paris Saint-Germain zu Hause unfreundlich empfangen. Andrea Petkovic verdient sich ein Duell mit Angelique Kerber. Bundesliga setzt sich in Uefa-Wertung von Premier League ab.

PSG war immer ein Verein der Bourgeoisie. Oftmals weigerte man sich auch, Talente bei sich aufzunehmen, die aus der Banlieue stammten, den schwierigen Vororten der Stadt. Junge Männer mit Wurzeln in den ehemaligen Kolonien und mit viel Drang zum sozialen Aufstieg, zur Revanche über das Schicksal der Geburt, mit Ball am Fuß. Man ließ sie nach Lyon, Marseille und Monaco ziehen, wo sie groß und berühmt wurden. In Spielen gegen Paris waren sie besonders motiviert. PSG war also nicht nur im Rest des Landes unbeliebt, um es mal so zu sagen, sondern selbst im dicht besiedelten, fußballaffinen Gürtel seines näheren Einzugsgebiets.

Dann, 2011, übernahm Katar, und alles wurde neu. Das Emirat setzte dafür seinen Staatsfonds Qatar Sports Investments ein, eine scheinbar unversiegbare Geldquelle. Begünstigt (präziser: eingefädelt) hatte die Operation der französische Staatspräsident jener Zeit, Nicolas Sarkozy höchstselbst, ein passionierter Fan des Vereins.

Das war zumindest fragwürdig, aber wenn einer mal im Elysée sitzt, unter schweren Lüstern, darf er alles. Nicolas Sarkozy sorgte auch dafür, dass Katar bei etlichen Projekten weniger Steuern bezahlen muss. Man wollte den Emir möglichst glücklich stimmen. Um PSG groß zu machen, brauchte es einen Masterplan und Geld für geeignetes Personal.

Der Plan war schnell formuliert: PSG sollte PR für Katar machen, das Land global vermarkten. Fußball ist Softpower, und Softpower ist wichtig. Wenn man fortan an Katar denkt, wo 2022 die Weltmeisterschaft stattfinden wird, sollte man nicht mehr nur an ein Landkartenpünktchen am Golf denken und an dessen Gas und Öl und an Al Jazeera. Sondern an eine ganz große Erfolgsgeschichte im Sport. So ersann sich das zumindest Tamim bin Hamad al-Thani, der Emir. Den Coup hätte er auch anderswo versuchen können. Doch nirgendwo verhießen die Voraussetzungen eine schnellere Rendite.

Paris lag fußballerisch brach, fast ohne Traditionen. Und es hatte unerhörtes Strahlpotenzial: Stadt der Liebe plus Eiffelturm plus Weltklassefußball - viel mehr geht nicht. Als Präsidenten setzte der Emir einen Freund der Familie ein, den früheren Tennisspieler Nasser al-Khelaïfi. Der junge, weltläufige Mann wurde schnell zur Persönlichkeit, an der sich auch die Macher der berühmten Satiresendung "Les Guignols" freuten: Al-Khelaïfi heißt da "Prinz" und hat einen festen Platz im Marionettenkabinett.

Für die Klasse holte man Zlatan Ibrahimovic. Um ihn davon zu überzeugen, einige seiner besten Profijahre in der französischen Fußballprovinz und im Dienste Katars zu verbringen, brauchte es sehr, sehr viel Geld und ein Versprechen. Man sagte dem Schweden, man werde alles tun, dass PSG binnen fünf Jahren ganz oben stehe. In Europa! Er könne sich schon mal darauf einstellen, dass er mit Paris die Champions League gewinnen werde.

Es ist nicht überliefert, ob Ibrahimovic diese Verheißung je ernst nahm. Doch er blieb vier Jahre. Vier Mal machte er den Verein in dieser Zeit fast im Solo zum französischen Meister und unterhielt dabei das Publikum mit seiner Star-Attitüde und seinen grotesken Sprüchen. Er lockte auch Zuschauer aus der Banlieue in den Prinzenpark, sie sahen in dem Jungen aus einem Vorort von Malmö einen der Ihren.

Dieser Schlaks mit dem üppig dotierten Selbstbewusstsein und einem nicht minder üppig genährten Konto gab dem Verein so etwas wie eine Identität, einen Hauch davon, zum ersten Mal. Ganz allein. Obwohl er wegen des Geldes da war. Dann zog "Ibra" weiter, nach England, zu Manchester United, und mit ihm verzog sich auch der Hauch.

Paris verführt: Kurz vor Abreise waren zwei Profis auf einer Party mit Popstar Rihanna

Geblieben ist das viele Geld. Mittlerweile wirft Katar jedes Jahr 560 Millionen Euro auf, um das PR-Vehikel am Laufen zu halten. Jede Spielrolle ist im Kader doppelt besetzt und zwar auf jeder Position mit ehemaligen oder aktiven Internationalen. Für die Ligue 1 ist die Mannschaft eigentlich viel zu gut. Doch selbst da reicht es seit Ibrahimovic' Weggang nicht mehr zur Dominanz. Im Moment ist man nur Zweiter, punktgleich mit Nizza, hinter der AS Monaco. Das Team spielt zwar kollektiver als zuvor, an guten Tagen auch spektakulärer. Doch es fehlt an Leader-Figuren, an der Kraft für den letzten Qualitätssprung im Masterplan der Katarer.

Die Nacht im Camp Nou, die in Paris nun auch als "Nacht der Schande" verhandelt wird, diente da als Illustration, vielleicht sogar als Karikatur. PSG machte sich ganz klein. Es stand wie ein Kaninchen vor dem Monster Barça, was auch darum etwas lächerlich wirkte, weil das Monster so groß gar nicht mehr war. In den letzten, fatalen sieben Minuten des Spiels, vom 3:1 bis zum 6:1, passten sich die Pariser den Ball nur noch genau vier Mal zu.

Da war plötzlich alles weg, der Kredit aus dem schönen Hinspiel, auch der Goodwill des Publikums. Vertraut hat es den Herren Söldnern ja ohnehin nie so richtig.

Nun werden Geschichten publik, die sonst in der Freude über die Qualifikation fürs Viertelfinale untergegangen wären. La Chaîne Équipe, der TV-Sender der gleichnamigen Sportzeitung, berichtet zum Beispiel, dass die Mittelfeldspieler Marco Verratti und Blaise Matuidi, Regie und Lunge des Teams, sich die Nacht auf Dienstag in einem Nachtlokal an den Champs-Elysées um die Ohren geschlagen hatten, auf einer Party mit Popstar Rihanna. Um drei Uhr früh verließen sie den Laden, einige Stunden später saßen sie dann in der Maschine nach Barcelona. Im Spiel gehörten sie zu den Schwächsten. Solche Geschichten gab es im Fußball immer wieder, zum Glück auch, die Herren sind ja jung. Nur, in Paris ist die Geduldsdecke in solchen Fällen dünn.

PSG hat die Story über die Sause indes zurückgewiesen.

Der spendable Emir bestellte schon mal den "Prinzen" nach Doha ein zur Unterredung. Vielleicht wird ihm das alles jetzt zu blöd. Die Marke PSG, die zum festen Prestigeobjekt hätte werden sollen, zum Stolz Katars in der Welt, ist nun eine Lachnummer. Und wahrscheinlich wird man dieses Image auch nicht mehr so schnell los.

© SZ vom 11.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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