Fußball:Die Bundesliga verkommt zum Schneckenrennen

Fußball: Auch Schalke-Trainer Domenico Tedesco kann bei Bundesliga-Spielen manchmal nicht hinschauen.

Auch Schalke-Trainer Domenico Tedesco kann bei Bundesliga-Spielen manchmal nicht hinschauen.

(Foto: AFP)

Den Kampf um Platz zwei mögen manche spannend finden - qualitativ gut ist er nicht. Hinter dem FC Bayern herrschen Beliebigkeit und Banalität.

Kommentar von Philipp Selldorf

Am Wochenende wurde im Fernsehen die übliche Dosis Wiederholungen geboten: Unter anderem zum mutmaßlich 279. Mal John Carpenters "Nebel des Grauens", "Independence Day", mehrere steinalte Folgen von "Kommissar Rex" sowie zum bereits dritten Mal in diesem Jahr die Aufführung von "Dieter Hecking hat schlechte Laune". Die Sätze, die der Trainer von Borussia Mönchengladbach in diesem Stück spricht, kennt sein Publikum auswendig. Der eine ständige Wiederholungsfall lautet: "Wir müssen unsere Chancen besser nutzen." Der andere besagt: "Dieses Spiel hätten wir nicht verlieren dürfen."

Auch Heckings Kollege Domenico Tedesco moderiert auf Schalke ein Programm, das die Zuschauer in Gelsenkirchen schon sehr oft gesehen haben, weshalb sie Pfiffe und Buhrufe vorbrachten, als am Samstag der Vorhang fiel. Schon zum fünften Mal in dieser Saison hatte Schalke 04 ein Heimspiel trotz Führung nicht gewinnen können, nach den Unentschieden gegen Leverkusen, Wolfsburg, Köln und Hannover gab es jetzt in letzter Minute das bittere 1:2 gegen Bremen. Wie immer beklagte Tedesco, dass seine Elf die Gelegenheiten ausließ, um die Führung auszubauen und in einen Heimsieg zu übertragen.

Ab Platz zwei hat jeder weniger als die Hälfte der Spiele gewonnen - im Ausland ist das ganz anders

Würde jetzt jemand den Versuch unternehmen, ein Fußballbuch mit dem Titel "Deutschland, deine Spitzenmannschaften" zu schreiben, dann hätte er nicht viel Arbeit. Es würde ein sehr dünnes Buch werden, denn zurzeit gibt es jenseits des Teams, dessen Namen man nicht nennen muss, keine Spitzenmannschaften in Deutschland.

Qualitätsunterschiede äußern sich im Tabellenbild normalerweise dadurch, dass die besseren und besten Mannschaften (viel) häufiger gewinnen als die weniger gut besetzte Konkurrenz. Doch dieser unbestechliche Indikator kommt in der aktuellen Bundesligatabelle lediglich andeutungsweise vor. RB Leipzig hat in 21 Spielen nur zehnmal gewonnen, die übrigen potenziellen Top-Teams Dortmund, Schalke, Gladbach und Leverkusen jeweils neunmal - im internationalen Vergleich eine ziemlich erbärmliche Quote. Mit den 35 Punkten, die sie zum "Verfolger" des Tabellenführers machen, hätten Leipzig und Leverkusen in den Ligen in Spanien und Italien, die ähnlich viele Spiele gespielt haben wie die Budnesliga, einigen Rückstand auf die Champions-League-Ränge. In England, wo man ein paar Spieltage weiter ist, haben die Klubs hinter dem einsamen Ersten Manchester City bis hinunter auf den sechsten Platz mindestens 13 Mal und bis zu 17 Mal gewonnen.

Dazu ein Blick ins Lexikon Wikipedia: "Ein Schneckenrennen ist ein zur Belustigung der Zuschauer abgehaltener Wettkampf, der vor allem Kinder anspricht." Diese Definition verspricht Trost, denn das Vergnügen der Kinder ist heilig und schön, aber sie zeugt auch davon, dass die Bundesliga von einer gewissen Banalität und Beliebigkeit befallen ist. Man mag das Gedrängel und die Spannung auf den Europacup-Plätzen schätzen, aber das Versprechen, dass die Konkurrenz unter Spitzenteams hochklassigen Fußball hervorbringt, wird nicht erfüllt. Auch Dieter Heckings Laune wird wohl noch häufig strapaziert werden.

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