Fußball:Der VfB Stuttgart ist die größte Baustelle in Fußball-Deutschland

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Nach dem Abstieg folgen die nächsten Enttäuschungen: Die VfB-Spieler Takuma Asano, Florian Klein und Simon Terodde (von links) nach der Niederlage gegen Heidenheim (Foto: dpa)

Seit dem Titelgewinn 2007 ändert der Traditionsverein ständig orientierungslos die Richtung. So schlingert er in die Bedeutungslosigkeit.

Kommentar von Matthias Schmid

An diesem Freitag ist die Grundsteinlegung des umstrittenen Bahn-Projekts Stuttgart 21. Für viele Bewohner der Stadt sind die Baugrube um den Hauptbahnhof und die damit verbundenen Tunnel-Bohrungen ein großes Ärgernis. Aber für die größte Baustelle der Stadt halten die meisten dennoch den Verein für Bewegungsspiele.

Der VfB Stuttgart kommt nach dem Abstieg aus der Bundesliga nicht zur Ruhe. Nach vier Spieltagen müssen die Verantwortlichen schon wieder einen neuen Trainer suchen. Jos Luhukay hat nach öffentlichen Streitereien mit Sportvorstand Jan Schindelmeiser hingeschmissen. Es ist die nächste Eskalationsstufe im schwäbischen Fußball-Chaos.

Dabei war der Klub vor neun Jahren noch deutscher Meister. Es folgte ein rasanter Absturz, weil die handelnden Personen nach dem Titelgewinn 2007 stets viel zu kurzfristig dachten, statt ein langfristig verbindliches Konzept vorzustellen. Selbst kleine Misserfolge führten zu größeren Umwälzungen und Richtungsänderungen. Wofür steht der VfB eigentlich? Unter Trainer Felix Magath (2001 bis 2004) gab es mal die jungen Wilden um Andreas Hinkel, Alexander Hleb und Kevin Kuranyi. Die Jugendwelle war eher aus wirtschaftlicher Not geboren und weniger Folge eines fixen Plans. Auf jeden Fall verpasste es der VfB, diese für Klub und Fans identitätsstiftende Idee weiterzuentwickeln und zu einer eigenen Marke aufzubauen.

Stattdessen verscherbelte der Klub den selbstgemachten Erfolg durch fragwürdige Ab- und Zukäufe, zahlreiche Trainerwechsel führten zu einem beispielosen Schlingerkurs. Wofür steht der VfB also? Auf diese Frage gibt es heute keine Antwort. Dabei machen Klubs wie Köln, Mainz oder Augsburg mit klaren Spielideen und unaufgeregtem Umfeld vor, dass man auch mit wenig Geld Tore schießen kann.

Der Traditionsklub von 1893 ist auf dem besten Weg, sich kopflos in die Bedeutungslosigkeit des Fußballs zu verabschieden - und zwar unabhängig davon, ob der Wiederaufstieg sofort verwirklicht wird oder nicht. Beispiel dafür war die Verpflichtung von Luhukay. Mit ihr hatten die Macher die Hoffnung verbunden, direkt in die Bundesliga zurückzukehren. Mit einem ruhigen, aber eigenwilligen Trainer, dem das schon mit Hertha, Gladbach und Augsburg gelungen war.

Das Missverständnis war allerdings nicht Luhukay selbst. Er stieß als Erster in das VfB-Vakuum nach dem Abstieg, sollte Spieler verpflichten und erhielt Kompetenzen, die weit über den üblichen Trainerstatus hinausgehen. Dann holte der Klub mit Schindelmeiser überraschend einen neuen Vorgesetzten für Luhukay. Der kauzige Niederländer wollte seine Machtfülle nicht mehr abgeben. Das führte zu verbalen Auseinandersetzungen um neue Spieler und letztlich zu seinem Rücktritt.

Der VfB braucht einen Fünf-Jahres-Plan

"Wir brauchen keinen Fünf-Jahres-Plan", sagt Schindelmeiser nun. Das ist einerseits richtig, weil der VfB aufsteigen muss, um an die Millionen aus den TV-Rechten in der ersten Liga zu kommen. Aber anderseits ist Schindelmeisers Aussage grundlegend falsch. Der VfB braucht einen Fünf-Jahres-Plan, in dem die Verantwortlichen konkrete Ziele und Maßnahmen formulieren, um sich sportlich langfristig neu aufzustellen - ungeachtet der kurzfristigen Resultate. Probleme gibt es genügend: Wer soll nun Trainer werden? Mit welcher Spielidee? Ein Nachwuchs- und Scoutingkonzept muss erarbeitet werden, die Ausgliederung der Profiabteilung in eine Kapitalgesellschaft steht an. Und einen Präsidenten hat der Klub auch noch nicht. Der VfB ist nicht nur die größte Baustelle von Stuttgart, sondern von ganz Fußball-Deutschland.

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