Fußball:Der FC Bayern wünscht sich Lederhosen-Fußball

Lesezeit: 2 min

Einerseits stellen sich die Münchner modern auf, gleichzeitig sehnt sich der Verein in schwierigen Zeiten nach Altbewährtem. Das ist beim FC Bayern nur scheinbar ein Widerspruch.

Kommentar von Christof Kneer

Büros in New York und Shanghai unterhält der FC Bayern bereits, vielleicht kommen demnächst noch Büros in Seoul, Singapur oder Sibirien dazu, auch der Mond ist noch nicht ausreichend erschlossen. Hinter dem Mond steckt ebenfalls noch eine Menge Vermarktungs-Potenzial, überhaupt gibt es nach jüngsten Erhebungen noch deutlich zu wenige Außerirdische, die im Robben-Trikot rumrennen oder im Dress des neuen Bayern-Profis und aktuellen Europameisters Renato Sanches.

Radikal wie selten zuvor handelt der Klub nach einem Stoiber'schen Diktum

Der FC Bayern versteht sich im Jahr 2016 als modernes und globales Wirtschaftsunternehmen, das inzwischen auch modern und global seine Spieler einkauft (zum Beispiel Renato Sanches). Den FC Bayern zieht es mit Macht auf die asiatischen Märkte, und auch seine Kommunikationsabteilung stellt er ab sofort so auf, dass sie in Asien künftig nur noch am Joystick drehen müssen, um einen virtuellen Rundgang durch die FC-Bayern-Kabine zu unternehmen.

Derselbe FC Bayern hat am Montag nun einen sympathischen, sehr traditionellen Trainer vorgestellt, der aus einer Zeit stammt, in der es keinerlei Joysticks gab, und erwartet wird in Kürze auch die Rückkehr des großmächtigen Uli Hoeneß, der einst über das "alberne Internet" spottete. Man könnte das für einen grotesken Widerspruch halten, aber in Wahrheit ist das natürlich überhaupt kein Widerspruch. Es ist der FC Bayern.

Radikal wie selten zuvor handeln die Bayern gerade nach der Stoiber'schen "Laptop-und-Lederhose"-Theorie. Sie haben Sehnsucht nach der neuen Zeit, aber mindestens genau so viel Sehnsucht haben sie nach den alten Figuren. Der Vollprofi Ancelotti soll den Verein und seine Anhänger nun erst mal zur Ruhe kommen lassen, er soll sie entstressen nach der anstrengenden Zeit mit diesem ständig treibenden, ständig drängenden Supersupersuperperfektionisten aus Katalonien. Im tiefsten Innern wünschen sich die hochmodernen Laptop-Bayern gerade nichts leidenschaftlicher als einen schon schönen, aber eben doch konservativeren Lederhosen-Fußball, in dem der linke Verteidiger nicht morgen schon der Rechtsaußen ist.

Sich im Zweifel erst mal auf sich selbst besinnen - der klassische Reflex greift

Es ist der klassische Bayern-Reflex, sich im Zweifel erst mal auf sich selbst und seine eigene Familientradition zu besinnen. So sollen nun die alten Köpfe und ein Heynckes-Hitzfeld-ähnlicher Trainer den Klub zurück in die Zukunft führen, für die schwierige Zeit des Übergangs traut die Familie nur sich selbst. Dieser klassische Bayern-Style macht den speziellen Charme dieses Klubs aus, aber er birgt im Jahr 2016 auch Risiken. Die Rivalen aus der englischen Premier League stecken die obszönen Quintilliarden, die ihnen ihr neuer TV-Vertrag bietet, inzwischen auch in Nachwuchsleistungszentren und fähige Trainer, und so wird der FC Bayern darauf achten müssen, dass er nicht nur seine schicken Geschäftsmodelle in Shanghai und auf dem Mond weiterentwickelt, sondern auch den Fußball, den die dazugehörige Betriebsmannschaft spielen soll.

Sie dürfen sich von Pep erholen, das ja. Abwickeln sollten sie ihn nicht.

© SZ vom 12.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

FC Bayern
:Eindeutig nicht Pep Guardiola

An seinem ersten Tag beim FC Bayern bekommt Carlo Ancelotti gleich vorgeführt, was diesen Klub auszeichnet. Der neue Trainer selbst vermittelt zum Auftakt vor allem eine Botschaft.

Von Benedikt Warmbrunn

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: