Frühes Aus bei den US Open:Roger Federer beginnt zu zweifeln

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Verzweifelt in New York: Roger Federer. (Foto: AFP)

Zu langsam, zu alt: Die Experten sind sich nach dem frühen Aus bei den US Open einig, dass Roger Federers Zeit als Tennis-Ausnahmeerscheinung vorbei ist. Auch der Schweizer hadert mit sich. Doch darf man den größten Spieler aller Zeiten wirklich abschreiben?

Von Matthias Schmid

Julien Benneteau, Federico Delbonis, Sergej Stachowski, Daniel Brands. Jetzt also Tommy Robredo. Es ist noch nicht lange her, da hätte sich für diese Tennisprofis aus der zweiten Reihe ein gewonnener Satz gegen Roger Federer wie ein Sieg angefühlt.

Nun ist alles anders. Benneteau, Delbonis, Stachowski, Brands, Robredo - sie alle konnten Roger Federer 2013 besiegen. Das sagt viel aus über die ernsthafteste Schaffenskrise in der Karriere des Schweizer Ausnahmespielers - fast so, als hätte es diesen Überspieler, diesen Künstler mit dem gelben Ball nie gegeben.

Federer muss erklären, was er nicht erklären kann. Zum Beispiel das Aus im Achtelfinale bei den US Open gegen den Spanier Robredo. Von zehn Duellen hatte Federer zuvor zehn für sich entschieden. Gerade mal drei Sätze konnte Robredo gewinnen - und jetzt diese lockere Niederlage in drei Sätzen. "Es fühlt sich an, als hätte ich mich selber geschlagen", sagt Federer nach dem Match, die Mütze tief ins Gesicht gezogen: "Es kann eigentlich nicht sein, dass ich dieses Match in drei Sätzen verliere. Die Enttäuschung ist riesig!"

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Ist Federers große Zeit vorbei? Zahlreiche Experten fühlen sich bestätigt. Dieser Federer ist nicht mehr gut genug für große Siege, sagt John McEnroe zum Beispiel. "Roger ist langsamer geworden. Er wird keinen Grand-Slam-Titel mehr holen", sagt die amerikanische Tennislegende. Die starke Konkurrenz sei zu jung, Federer zu alt.

Ist das erlaubt? Darf man diesen Federer, der im Tennis einen Rekord nach dem anderen pulverisiert und den Sport auf ein nie dagewesenes Niveau gehoben hat, einfach abschreiben? Federer zeigte Schläge, die nur er zu spielen vermochte. Zauberbälle. Der bereits verstorbene US-Autor David Foster Wallace sprach vom "Federer-Moment", von einer spirituellen Erfahrung, wenn man diesem Schweizer mit seiner Eleganz und seiner Leichtigkeit zuschaute. Alles aus und vorbei?

Die vergangenen Monate lassen dies zumindest vermuten. Seit dem Triumph in Wimbledon 2012, seinem 17. Majortitel, hat der 32-Jährige nur noch zwei kleinere Turniere gewonnen. Die Tenniswelt sprach häufiger über seine erstaunlichen Niederlagen als über seinen große Siege. Federer selbst wirkte ratlos, verzweifelt, irgendwie erschöpft, körperlich und mental.

Der "Schläger-Seitensprung", wie die Schweizer Boulevardzeitung Blick titelte, war auch Ausdruck seiner Not gewesen. Federer spielte bei den Sandplatzturnieren in Hamburg und Gstaad plötzlich nicht nur mit einer um neun Prozent größeren Schlagfläche, sondern wechselte innerhalb des Sortiments seines Ausrüsters von einem Square- zu einem Flat-Beam-Rahmen.

Ein Schlägerwechsel unter Tennisspielern ist ein sensibles Thema. Es ist ihr kostbarster Partner. Kaum einer wagt sich an etwas Neues ran. Pete Sampras spielte bis zu seinem Karriereende immer mit dem gleichen Spielgerät. Eher tauschen die Profis zehn Mal ihren Trainer aus, als dass sie an einen Schlägerwechsel denken. Auch Wilson-Kenner hatten vorausgesagt, dass Federer nach der Umstellung kein Turnier gewinnen werde. Sie sagten, der Einsatz eines nicht fertig kalibrierten Rackets mitten in der Saison kommt einem Glücksspiel gleich.

Dass Federer in entscheidenden Momenten plötzlich zaudert, zeigte auch das Match gegen Robredo. Von 16 Breakbällen konnte er nur zwei verwerten. "Unglaublich", fand er das selbst: "Wenn das Selbstvertrauen fehlt, ist alles viel schwerer."

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In diesem Satz könnte auch der Schlüssel für die nächsten Monaten liegen. Federer will eine Pause einlegen. Mindestens fünf Wochen kein Turnier mehr spielen. Zeit zur Besinnung finden. Es werden entscheidende Wochen sein: Schafft er es, wieder ganz bei sich selbst zu sein, dann kann er noch mal ein großes Turnier gewinnen.

Am ehesten ist ihm das in Wimbledon zuzutrauen, auf Rasen, wo die Ballwechsel am kürzesten sind. Wenn etwas stimmt, dann die Tatsache, dass Roger Federer älter wird, anfälliger für Verletzungen, wie zuletzt sein Rückenleiden offenbarte. Allerdings ist es noch zu früh für die sportlichen Nachrufe auf seine bespiellose Karriere. "Panikreaktioinen", wie er sagt, oder ein baldiges Karriereende schließt er aus. Und wer ihn spielen und trainieren sieht, kann noch diese grenzenlose Liebe zu diesem Spiel erkennen, diese Leidenschaft und Hingabe.

Federer kam schon einmal zurück, als niemand mehr mit ihm rechnete. 2011 konnte er keinen einzigen Gran-Slam-Titel gewinnen. Im Jahr danach triumphierte er in Wimbledon und übernahm die Spitze der Weltrangliste.

Federer will beweisen, dass ein Künstler auch kämpfen kann. Auf dem Podium in New York sagt er noch einen Satz, der ihm selbst Mut machen soll, aber auch als Ansage an die Konkurrenz zu werten ist. "All die, die mich abgeschrieben und für erledigt erklärt haben", sagt Federer, "die lagen bisher noch immer falsch. Sehr falsch sogar."

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