US Open:Kohlschreibers packende Niederlage

Philipp Kohlschreiber of Germany serves to Rafael Nadal of Spain at the U.S. Open tennis championships in New York

Liefert dem haushohen Favoriten einen großen Kampf: Philipp Kohlschreiber.

(Foto: Adam Hunger/Reuters)

Der deutsche Tennisprofi zeigt gegen Rafael Nadal eine beeindruckende Leistung, er ist Marathonläufer und Mathegenie zugleich - der US-Open-Favorit aus Spanien feiert am Ende seinen zähen Sieg minutenlang. Kohlschreiber ist der Lichtblick in der deutschen Bilanz von New York.

Von Jürgen Schmieder

Es war dieser eine Schlag, nach dem Philipp Kohlschreiber vielleicht schon wusste, dass er diese Partie gegen Rafael Nadal wohl nicht mehr würde gewinnen können. Gerade hatte er sich den ersten Breakpunkt des Matches erspielt, Nadal sah sich erst zum fünften Mal bei diesen US Open dieser Situation ausgesetzt. Kohlschreiber dominierte den Ballwechsel, er stürmte ans Netz, er bekam durch einen zu kurz geratenen Lobversuch des Spaniers die Gelegenheit zum Schmettern - und prügelte den Ball ins Netz.

Das war im ersten Spiel des vierten Satzes, noch Minuten später schüttelte Kohlschreiber den Kopf über diese vergebene Chance. Er sollte keine weitere mehr bekommen. Nach mehr als drei Stunden Spielzeit unterlag Kohlschreiber dem an Rang zwei gesetzten Spanier mit 7:6, 4:6, 3:6 und 1:6. Zum ersten Mal bei diesem Turnier gab Nadal einen Satz ab.

Kohlschreiber lieferte seinem Gegner eine packende und hochinteressante Partie, bei der die Zuschauer im New Yorker Arthur Ashe Stadion nicht böse gewesen wären, hätte sie noch eine oder zwei Stunden länger gedauert. Er präsentierte sich dabei sowohl als Marathonläufer als auch als Mathegenie: Die wuchtigen Grundschläge Nadals erlief er zumeist, er gestaltete die einzelnen Ballwechsel lange ausgeglichen und erreichte auch die filigranen Stoppbälle des Spaniers. "Er läuft heute in zwei Sätzen mehr als bei seinem Fünf-Satz-Match vor ein paar Jahren gegen Andy Roddick", sagte John McEnroe während der Partie.

Frust im vierten Satz

Kohlschreiber konterte die Angriffe seines Gegners mit intelligentem und ausgefeiltem Winkelspiel, immer wieder trieb er Nadal mit kniffligen Crossbällen weit nach außen und rückte dann bisweilen mutig nach vorne ans Netz. Dazu zeigte der Deutsche eine Kunst, von der es vor diesen US Open hieß, dass sie mit dem Karriereende von Pete Sampras aus dem Tennis verschwunden sei. Nein, nicht der Drei-Tage-Bart, sondern das Serve-and-Volley-Spiel.

Kohlschreiber servierte immer wieder mit Slice nach außen, dann rückte er nach vorne und gewann auf diese Weise fast 20 Punkte. Weil sich Nadal im Laufe der Partie nach außen positionierte, konnte ihn Kohlschreiber mit harten Aufschlägen durch die Mitte überraschen. Auf diese Weise gewann Kohlschreiber den ersten Satz im Tie Break und gestaltete die beiden folgenden Durchgänge ausgeglichen - erst nach dem vergebenen Breakball zu Beginn des vierten Satzes wirkte Kohlschreiber ein wenig frustriert und müde.

Unbezwingbarer Nadal

Wie eng diese Partie war, das zeigte die Reaktion Nadals danach. Er stand minutenlang auf dem Platz und feierte sich selbst. Er wusste: Zum ersten Mal bei diesen US Open hatte er gegen einen gespielt, der ihm eine herausragende Leistung abverlangt hatte. Im Viertelfinale trifft Nadal auf Tommy Robredo, der zuvor überraschend gegen Roger Federer gewonnen hatte - zum ersten Mal seit 2002 beendet Federer eine Saison ohne Teilnahme an einem Grand-Slam-Finale.

Kohlschreiber muss sich wahrlich nicht grämen, gegen Rafael Nadal in dieser Verfassung kann man durchaus verlieren - eigentlich kann man gegen Nadal in dieser Verfassung nichts anderes tun als am Ende zu verlieren. Der Spanier gehört zu den vier Akteuren, die derzeit die großen Turniere unter sich ausmachen: Die vergangenen 30 Grand-Slam-Wettbewerbe gewannen entweder Novak Djokovic, Andy Murray, Roger Federer oder Rafael Nadal - die einzige Ausnahme war der Erfolg von Juan Martin del Potro bei den US Open 2009.

Kohlschreiber scheiterte also an Nadal, Benjamin Becker hatte zuvor in der zweiten Runde gegen Djokovic verloren, Florian Mayer gegen Murray. Insgesamt waren neun deutsche Männer bei den US Open angetreten: Drei schieden in der ersten Runde aus, drei in der zweiten, zwei in der dritten - nur Kohlschreiber hatte es ins Achtelfinale geschafft.

Deutsche Spieler aus dem Spiel

Ähnlich die Bilanz der deutschen Frauen, die zuletzt aufgrund einiger Erfolge wie etwa der Finalteilnahme von Sabine Lisicki in Wimbledon im Fokus gestanden hatten. Andrea Petkovic und Julia Görges schieden in New York wie Dinah Pfizenmaier und Annika Beck in der ersten Runde aus, Mona Barthel unterlag in Runde zwei. Sabine Lisicki verlor ihr drittes Spiel, Angelique Kerber scheiterte im Achtelfinale.

Es wäre vermessen, aufgrund dieser Ergebnisse eine Turnierbilanz zu ziehen oder gar einen Trend für das deutsche Spitzentennis abzulesen - zu unterschiedlich waren die einzelnen Auftritte der deutschen Athleten, zu verschieden die Gründe für Siege und Niederlagen. Deshalb einfach nur die Fakten: Neun Männer und sieben Frauen aus Deutschland sind bei diesen US Open im Einzel angetreten - von Dienstag an ist keiner mehr im Wettbewerb.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: