Frauen-Finale in Wimbledon:Sabine Lisicki verpasst den großen Traum

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Tränen nach dem verlorenen Finale: Sabine Lisicki. (Foto: AFP)

Erst das große Endspiel, dann die Tränen: Sabine Lisicki verliert ihr Wimbledon-Finale gegen Marion Bartoli. Mit 1:6 und 4:6 fällt die Niederlage deutlich aus. Ausgerechnet im größten Spiel ihrer bisherigen Karriere kann die junge Deutsche nicht ihr bestes Tennis abrufen - weil sie keine Kraft mehr hatte.

Von Carsten Eberts

Als der Traum vorbei war, wurde Sabine Lisicki ganz ruhig. Flüsterte Marion Bartoli ihre Glückwünsche ins Ohr, nahm auf ihrem Stuhl Platz, schaute aus der Ferne zu, wie die Französin zur Box mit ihrem Trainer und ihrem Vater stürmte. Ein wenig glasig wurden Lisickis Augen, sie hatte gerade ihr erstes Wimbledon-Finale verloren.

Als leichte Favoritin war Lisicki ins Endspiel gegangen - am Ende hatte sie kaum eine Chance. Den ersten Satz verlor sie 1:6, den zweiten 4:6. "Ich hätte sehr gerne gewonnen, hoffentlich komme ich mal wieder ins Finale", sagte Lisicki völlig erschöpft. Dann kamen immer wieder die Tränen. Ausgerechnet im größten Spiel ihrer Karriere konnte sie ihr bestes Tennis nicht abrufen.

Auch Gegnerin Bartoli hatte noch nie zuvor bei einem Grand-Slam-Turnier gesiegt, nun ist sie die Nachfolgerin der großen Serena Williams in Wimbledon. "Seit meinem sechsten Lebensjahr habe ich davon geträumt", sagte die Französin, "aber ich habe nicht in meinen wildesten Träumen daran geglaubt." Sie konnte ihr Glück schwerlich fassen.

Stimmen zum Wimbledon-Finale
:"Das Fass war leer"

Sabine Lisicki hat ihr erstes Wimbledon-Finale verloren, trotzdem erhält sie Lob von allen Seiten. Gegnerin Marion Bartoli erwartet die Deutsche bald wieder im Endspiel. Auch von Boris Becker und Dirk Nowitzki kommen aufmunternde Worte.

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Um 14:01 Uhr Londoner Zeit betrat Lisicki den Centre Court, bepackt mit dem großen Blumenstrauß, wie es in Wimbledon so üblich ist, die Stöpsel mit Musik im Ohr. Sie wirkte tatsächlich "ruhig im Kopf", wie es ihr Trainer, der Belgier Wim Fissette, zuvor erwartet hatte. Trotz der großen Strapazen der Vortage. Lisicki sollte sich auf ihr eigenes Spiel konzentrieren, sich wenige Gedanken über die Größe des Finals machen, das wirklich das größte Match ihrer Karriere war.

Das war natürlich leicht gesagt, doch Lisicki startete in der Tat konzentriert. Gleich im ersten Spiel erarbeitete sich die Berlinerin drei Breakmöglichkeiten, nutzte die dritte und nahm Bartoli sofort den Aufschlag ab. Doch Bartoli konterte, holte sich das Aufschlagspiel sofort zurück, profitierte dabei von einem Doppelfehler der Deutschen. Lisicki war doch ein wenig nervös.

Bartoli ist eine höchst unbequeme Gegnerin, spielt sowohl Vorhand als auch Rückhand beidhändig, profitiert zudem von ihrem kräftigen Aufschlag. Lisicki kassierte zwei weitere Breaks, lag schnell 1:5 zurück. Mal agierte Lisicki überhastet, mal hatte sie beim Service Probleme mit dem Ballwurf. Nur 36 Prozent ihrer ersten Aufschläge fanden den Weg ins Feld. Natürlich zu wenig für ein großes Finale.

Fast alle langen, umkämpften Ballwechsel gingen in dieser Phase an Bartoli. Lisicki wirkte viel müder als an den Vortagen. Nach einer halben Stunde war der erste Satz verloren.

Lisicki tat das einzig Richtige: Eilte sofort aus dem Stadion, gönnte sich in den Katakomben eine kurze Pause. Fernab der Kameras, fernab der Zuschauer. So oft war sie während des Turniers in schweren Situationen zurückgekommen. Im Achtelfinale gegen Williams, die Weltranglistenerste. Im Halbfinale gegen Agnieszka Radwanska, als die Deutsche im entscheidenden dritten Satz schon 0:3 zurücklag.

Mit einem Lächeln kehrte Lisicki zurück. Und es folgte die entscheidende Phase des Matches. Im zweiten Spiel hatte Lisicki gleich mehrere Breakmöglichkeiten, nutzte keine. Beim eigenen Aufschlag versuchte Lisicki einen Lob, als Bartoli schon geschlagen schien, der geriet eindeutig zu niedrig: Die Französin schmetterte den Ball an ihr vorbei ins Feld. Schon wieder ein Break.

Wimbledon-Finale in Bildern
:Bartoli breakt und breakt

Sabine Lisicki wird vom Publikum angefeuert, pusht sich selbst nach vorne, doch macht zu viele Fehler: Am Ende verliert Lisicki das Wimbledon-Finale gegen die Französin Marion Bartoli deutlich. Das Finale in Bildern.

Das Wimbledon-Finale in Bildern

Die Willenskraft der Französin war bemerkenswert. Nach jedem Punktgewinn pushte sie sich, reckte ihre Faust besonders lange in Richtung ihrer Gegnerin, damit diese auch mitkriegte, wie entschlossen Bartoli war. Irgendwann glaubte niemand mehr, dass sie dieses Spiel verlieren könnte. Auch Lisicki versuchte natürlich weiterhin, das Spiel zu drehen. Ballte ebenfalls Fäuste, sog die Kraft des Publikums auf, das klar mit der Deutschen sympathisierte.

Und Lisicki kam tatsächlich noch einmal zurück. Kurz vor Schluss lag sie mit 1:6, 1:5 zurück, wehrte drei Matchbälle ab, gewann kurz darauf zwei weitere Spiele. Plötzlich stand es nur noch 4:5. Ging hier noch etwas?

Unfasslich, hätte Lisicki auch dieses Spiel gedreht. Nach dem irren Spiel gegen Williams, nach dem Krimi gegen Radwanska. Doch die zwei Wochen zuvor waren anstrengend gewesen. "Der ganze Weg hat viel Kraft gekostet, mehr als ich es mir eingestehen wollte", sagte Lisicki später. Bartoli ließ sich an diesem Nachmittag von ihrem Weg nicht mehr abbringen. Und beendete das Spiel mit einem Ass.

Nach dem Match versuchte auch Lisickis Trainer Fissette, die körperliche Konstitution seiner Spielerin zu erklären. "Sie musste im Halbfinale über ihre Grenzen gehen", sagte Fissette: "Sie hat super Spielerinnen geschlagen, sie hat alles richtig gemacht, aber heute war das Fass einfach leer." Lisicki musste den Tribut zollen für ihre begeisternden Spiele zuvor. Ausgerechnet im Finale.

Ganz geschafft stand Lisicki schließlich bei der Siegerehrung auf dem Court. Bei ihrer Dankesrede kamen immer wieder die Tränen. "Ich bin sicher, du wirst irgendwann auch hier stehen", entgegnete ihr Bartoli. Die britischen Fans sahen es genauso. Der Applaus für die junge Deutsche war fast noch lauter als für die Siegerin.

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