Formel 1:Von Bruchpiloten und rüpelhaften Weltmeistern

Senna, Prost, Schumacher: Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel ist nicht der erste Fahrer, der mit einem vermeidbaren Unfall für Aufregung sorgt. Eine Rückschau in Bildern.

Von Daniel Timm

Vettel gegen Hamilton, Baku 2017

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(Foto: Getty Images)

Gelbe Flagge, Safety Car, die vorletzte Kurve vor der langen Start- und Zielgeraden: Lewis Hamilton führt das Fahrerfeld in Baku vor Sebastian Vettel an und bereitet den fliegenden Neustart vor, den er eröffnen wird. Um den Fuß vor seinem Kontrahenten auf dem Gaspedal zu haben, verzögert er kurz - das Fahrerfeld wird eingebremst. Vettel hat das jedoch nicht antizipiert: Der WM-Führende wollte zunächst den Abstand zu Hamilton möglichst gering halten und fährt dem Briten deshalb geradewegs ins Heck. Wütend über dessen Taktieren gestikuliert Vettel anschließend in Richtung des Silberpfeils, fährt neben ihm her und schließlich - absichtlich oder nicht? - abermals in Hamiltons Wagen hinein. Mit einer zehn Sekunden langen Stop-and-Go-Strafe kam der Deutsche dabei noch glimpflich davon. Der Vorfall zwischen Vettel und Hamilton beim kurzweiligen Grand Prix von Aserbaidschan am Sonntag war jedoch längst nicht der erste rüpelhafte Zusammenstoß zweier WM-Kandidaten - und erst recht nicht der erste mit deutscher Beteiligung.

Piquet gegen Salazar, Hockenheim 1982

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(Foto: imago)

Bereits vor 35 Jahren lebte man als Formel-1-Weltmeister gefährlich: Nelson Piquet (im Bild) lag beim Großen Preis von Deutschland 1982 fast uneinholbar in Front und fuhr einem sicher geglaubten Sieg entgegen - bis sich der Brasilianer dem Wagen des an 19. Position fahrenden Eliseo Salazar näherte. Der Chilene machte dem dreimaligen Weltmeister nicht freiwillig Platz, und so fuhren die beiden Südamerikaner Seite an Seite in die nächste Kurve. Piquet dachte, sein Kontrahent sei längst hinter ihm, und lenkte scharf ein - genau in den Ford von Salazar. Beide Autos kollidierten und blieben reglos im Reifenstapel liegen. Dass er von einem Nachzügler aus dem Rennen geworfen wurde, konnte Piquet nicht auf sich sitzen lassen: Wutentbrannt stieg er aus seinem Auto und gestikulierte wild in Richtung des chilenischen Unfallverursachers. Als Salazar schließlich auch ausstieg, flogen die Fäuste: Piquet attackierte den chilenischen Fahrer und versuchte ihn zu treten, bevor er sich besann und enttäuscht davonstapfte.

Senna gegen Prost, Suzuka 1989 und 1990

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(Foto: imago/LAT Photographic)

Zwischen den McLaren-Teamkollegen Ayrton Senna und Alain Prost kam es gleich zweimal zu Zusammenstößen, die die Weltmeisterschaft entschieden: Beim Großen Preis von Japan 1989 führte Prost die WM-Wertung vor Senna an - der Brasilianer musste das Rennen gewinnen, um seine Chance auf den Titel zu wahren. Nach 47 Runden versuchte er deshalb, den in Führung liegenden Prost zu überholen. Gerade, als Senna zum Überholmanöver ansetzte, zog sein Teamkollege jedoch in dessen Spur und schloss die Lücke - es kam zur Kollision. Senna konnte zunächst weiterfahren, wurde später jedoch disqualifiziert. Die WM war Prost dadurch nicht mehr zu nehmen. Ein Jahr später sollte das Duell auf derselben Strecke ihren Höhepunkt finden: Beim Großen Preis von Japan 1990 war es nun Senna, der die Weltmeisterschaft vor Prost anführte. Sollte der Franzose das Rennen nicht beenden, wäre die Fahrerwertung entschieden. Auch deshalb gelten die ersten sieben Sekunden des Rennens von Suzuka als eine der größten Kontroversen der Motorsportgeschichte: Prost kam besser weg und gewann den Start. In der ersten Rechtskurve versuchte Senna dann, eine Lücke zu nutzen, die keine war - anstatt sich hinter seinem Kontrahenten einzureihen, klippte er das rechte Hinterrad des Ferraris und schoss beide Wagen ins Kiesbett. Mit Ansage: "Wenn Prost am Sonntag den Start gewinnt, dann werde ich es in der ersten Kurve drauf ankommen lassen", hatte Senna vorher angekündigt. "Er sollte besser nicht vor mir einlenken, denn dann wird er es nicht durch die Kurve schaffen." Bestraft wurde er für das Manöver nicht, dafür war ihm der WM-Titel nicht mehr zu nehmen.

Schumacher gegen Hill, Adelaide 1994

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(Foto: imago/Laci Perenyi)

Im Saisonfinale 1994 demonstrierte Michael Schumacher (im Bild vorne) zum ersten Mal, dass er auf dem Weg zum WM-Titel keine Kompromisse machen würde. Vor dem Großen Preis von Australien, dem letzten Rennen der Saison, führte er die Fahrerwertung vor Damon Hill an - mit nur einem Punkt Vorsprung. Der junge Schumacher konnte es also ruhig darauf anlegen, dass keiner der beiden Kontrahenten die schwarzweiß-karierte Flagge zu Gesicht bekommen würde. Und genau so kam es: Schumacher führte das Rennen zwar an, aber Hill konnte ihn schnell einholen. Als der Brite schließlich zum Überholmanöver ansetzte, zog Schumacher in seine Bahn und führte die unvermeidbare Kollision herbei. Schumachers Benetton schied sofort aus, Hill musste seinen Williams mit einer gebrochenen Spurstange in der Box abstellen - und Deutschland feierte seinen ersten Formel-1-Weltmeister unter denkbar fragwürdigen Umständen.

Schumacher gegen Villeneuve, Jerez 1997

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(Foto: RTL/DPA)

Im dramatischen Formel-1-Jahr 1997 war es erneut Schumacher, der für den größten Aufreger der Saison sorgte. Jacques Villeneuve führt lange die Fahrerwertung an, ehe Schumacher fünf Rennen nacheinander gewinnt und vor dem letzten Rennwochenende mit einem Punkt führt. In der Qualifikation erreichen Villeneuve, Schumacher und Heinz-Harald Frentzen eine bis auf die Tausendstelsekunde gleiche Zeit. Da Villeneuve die Zeit als Erster schafft, darf er von der Pole Position aus starten. Im Rennen liegt Schumacher lange vorne, hat dann jedoch Probleme mit seinen Reifen, Villeneuve holt auf. In der 48. Runde will Villeneuve überholen, Schumacher zieht nach innen - die beiden kollidieren. Schumacher scheidet aus, Villeneuve lässt in der letzten Runde Mika Häkkinen und David Coulthard überholen und wird Weltmeister. Schumacher wird nach dem Rennen wegen seines Manövers disqualifiziert, die Rennkommissare streichen ihm gar sämtliche WM-Punkte. Wenige Tage später entschuldigt sich Schumacher: "Ich bin ein Mensch wie jeder andere auch - und unglücklicherweise habe ich einen Fehler gemacht." Er gibt jedoch an, Villeneuve nicht absichtlich gerammt zu haben.

Schumacher gegen Coulthard, Spa 1998

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(Foto: REUTERS)

Es dauerte nicht lange, bevor Michael Schumacher selbst Leidtragender einer rüpelhaften Intervention war. Im dritten Jahr bei Ferrari jagte er noch immer seine erste Weltmeisterschaft in Rot, und als der WM-Führende Mika Häkkinen beim Großen Preis von Belgien 1998 ausfiel, schien alles nach Plan zu laufen: Schumacher lag souverän in Front, die widrigen Witterungsbedingungen zähmte er am besten. Der starke Regen und die sehr schlechte Sicht wurden ihm jedoch bei einem Routinemanöver zum Verhängnis: Als er David Coulthard überrunden wollte, krachte er diesem ins Heck und verlor ein Vorderrad. Als sich die beiden ramponierten Boliden in die Box retteten, stieg Schumacher wutentbrannt aus und rannte in Richtung der McLaren-Box. "Willst du mich umbringen?", schrie er in Richtung von Coulthard, dem er vorwarf, den Unfall absichtlich herbeigeführt zu haben, um seinem Teamkollegen Mika Häkkinen einen Vorteil in der WM-Wertung zu verschaffen. Die spätere Auswertung der Telemetriedaten ergab jedoch, dass Coulthard auf freier Strecke nicht gebremst habe - besonders schnell war der Brite jedoch auch nicht unterwegs. Bei schlechter Sicht und strömendem Regen war Schumacher von der mäßigen Geschwindigkeit des Vordermannes überrascht - dass es sich beim Unfall jedoch um einen unglücklichen Zufall handelte, wollte er nicht wahrhaben.

Rosberg gegen Hamilton, Spa 2014

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(Foto: dpa)

"Absolut inakzeptabel", "unglaublich" - wenn einem Fahrer derartige Worte vom eigenen Kommandostand aus entgegengeschleudert werden, muss etwas Ernstes vorgefallen sein zwischen den beiden größten Streithähnen der Gegenwart. So wie beim Großen Preis von Belgien 2014. Rosberg hatte Hamilton bei einem missglückten Überholmanöver den Hinterreifen aufgeschlitzt - absichtlich, wie Hamilton mit Berufung auf die Teamsitzung später angibt. Der Brite muss aufgeben, Rosberg baut als Zweiter seine WM-Führung aus, für die Schlussphase der Saison liegt er im Vorteil. Hatten beide Piloten bis zuletzt an der Schwelle des Erlaubten gearbeitet, verschiebt sich der Zweikampf um den WM-Titel 2014 immer weiter ins Unerlaubte. Rückblende: In Bahrain, zu Beginn der Saison 2014, berühren sich die beiden mehrmals fast, Hamilton gewinnt. In der auf dem Stadtkurs von Monaco wichtigen Qualifikation verbremst sich Rosberg - absichtlich? - im letzten Durchgang des Qualifyings, die Streckenposten schwenken gelbe Flaggen, Hamilton muss seine letzte Runde abbrechen. Rosberg erobert die Pole und gewinnt. In Ungarn erhält Hamilton den Befehl, Rosberg vorbeizulassen, weil der eine andere Strategie anwendet und sich freie Fahrt erbittet. Hamilton ignoriert die Anweisung.

Rosberg gegen Hamilton, Barcelona 2016

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(Foto: imago/LAT Photographic)

Seinen Höhepunkt fand das Duell der beiden Mercedes-Piloten jedoch beim Großen Preis von Spanien 2016. Nico Rosberg führte in der Fahrerwertung bereits mit 43 Punkten vor Hamilton, der Brite sicherte sich in Barcelona die Pole Position. Hamilton blieb auch beim Start vorne, doch in der ersten Kurve konnte sich Rosberg auf der Außenbahn vorbeischieben. Im Windschatten kam Hamilton direkt wieder heran und setzte schon auf der ersten Geraden zum Überholmanöver gegen den Teamkollegen an. Rosberg hat das im Außenspiegel freilich beobachtet und drängte Hamilton ins Gras rechts neben der Strecke - dort verlor der Brite die Kontrolle über seinen Wagen, drehte sich und prallte gegen Rosberg. Im Kiesbett des Kurvenausgangs kamen die Mercedes-Boliden schließlich zum Erliegen. Rosberg verhinderte so womöglich, dass Hamilton mit einem Mercedes-Doppelsieg sieben Punkte auf ihn aufholen würde. Mit Folgen: Mit nur fünf Punkten Vorsprung gewann Nico Rosberg später die Weltmeisterschaft 2016.

Vettel gegen Verstappen, Mexiko 2016

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(Foto: imago/Crash Media Group)

Doch noch bevor Nico Rosberg in Abu Dhabi die WM-Trophäe entgegennehmen konnte, legte sich sein Landsmann Sebastian Vettel in Mexiko mit Max Verstappen an. Der Niederländer machte sich beim Ferrari-Piloten unbeliebt mit Sätzen wie "Er ist ein sehr frustrierter Typ und sollte nochmal zur Schule gehen und sich eine andere Ausdrucksweise zulegen" - nicht ganz ohne Grund: "Was für ein Idiot", stieß Vettel über Fernando Alonso aus, der ihm im Training des Rennens von Mexiko-Stadt zu spät Platz gemacht hatte. "Er ist dumm", entfuhr es ihm über eine Aktion von Felipe Massa. Und auch vor Renndirektor Charlie Whiting machte er nicht halt. Als die Strafe für ein Manöver von Verstappen zunächst ausblieb, sagte Vettel: "Hier ist eine Nachricht an Charlie: Fuck off! Fuck off!" Verstappen hatte den Ärger des deutschen Weltmeisters zuvor mit mehreren grenzwertigen Aktionen auf sich gezogen: Der 19-Jährige fährt einen extrem aggressiven Stil, lässt keinen Raum und zieht bei Überholmanövern gefährlich nahe an den schnelleren Wagen heran. Auch deshalb ließ sich eine andere Formel-1-Legende zu einer kleinen Rüpelei hin: "Der Junge gehört in die Psychatrie", diagnostizierte Niki Lauda.

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