Formel 1: Istanbul:Formel Playstation, Formel Spektakel oder Formel Power?

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Zahlreiche Überholmanöver, kleinere Unfälle wie der von Sebastian Vettel, Unübersichtlichkeit durch Boxenstopps und zu große Konzentration auf die Aerodynamik: In der Formel 1 wird über das Reglement diskutiert.

Sebastian Vettel funkte nach seinem Unfall sogleich an die Box: "Entschuldigt, ich habe den Randstein erwischt. Ich konnte nichts machen." Beim ersten Training zum Großen Preis von Istanbul war der Red-Bull-Pilot auf der nassen Strecke ins Gras gekommen und in die Leitplanken gekracht. Vettel stieg unverletzt aus seinem Dienstwagen und zog sich sogleich mit den Ingenieuren zur Analyse zurück. Ob Vettel aufgrund der vielen Knöpfe am Lenkrad den Überblick verloren hatte, war zunächst nicht festzustellen.

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In der Formel 1 müssen die Piloten nicht nur Gas geben und steuern, sondern auch allerhand Knöpfe drücken. Fahren Sie virtuell einen Grand Prix mit dem Formel-1-Lenkrad und lernen Sie die Tücken kennen, mit denen die Fahrer bei jedem Rennen zu tun haben.

Von Jürgen Schmieder

26 Knöpfe am Lenkrad, aber auch 137 Überholmanöver: Die Formel 1 kämpft derzeit gegen die Lästerer und Skeptiker des neuen Reglements und ist dabei sich zu bewähren. Die Reifen des neuen Herstellers Pirelli, die laut Vorgabe nur 40 Prozent eines Rennens halten sollen, sorgten bei den ersten drei Rennen der Saison ebenso für Spannung wie das Energie-Rückgewinnungssystem Kers und der verstellbare Heckflügel.

Dennoch wird in der Formel 1 derzeit heftig diskutiert, was die Rennserie sein möchte: eine Formel Playstation, eine Formel Umweltschutz, eine Formel Aerodynamik oder eine Formel Power.

Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali hatte unter der Woche moniert, dass die Aerodynamik in der Formel 1 mittlerweile zu wichtig sei. "Die Aerodynamik macht 90 Prozent der Performance eines Formel-1-Autos aus. Das ist für mich nicht tragbar. Die Zukunft des Automobils liegt nicht in der Aerodynamik", sagte Domenicali in einem Interview.

In der Tat gingen auch die Tüfteleien vor dem Wochenende in Istanbul vor allem darum, den Autos aerodynamische Upgrades zu verpassen. "Wir haben hier ein Update am Auto, das sich hoffentlich schon im Qualifying bemerkbar machen wird", sagte Ferrari-Pilot Felipe Massa am Donnerstag. Mercedes-Fahrer Lewis Hamilton gab an, dass er sich von den Verbesserungen an seinem Dienstwagen "einen Schritt nach vorne" erhoffe.

Domenicali forderte, das in den vergangenen Jahren restriktiv gehandhabte Motorenfeld wieder freier zu gestalten, weshalb sein Rennstall auch gegen die für 2013 geplante Einführung von 1,6-Liter-Motoren mit nur vier Zylindern in Reihe und maximal 12.000 Umdrehungen pro Minute ist. Der Formel 1 steht die nächste Debatte um die Ausrichtung der Rennserie bevor.

Nach den ersten Rennen der Saison scheint zumindest klar, dass die Formel 1 auf jeden Fall eine Formel Spektakel sein möchte - auch wenn einige Fahrer das monierten. Sebastian Vettel sorgte sich mit Blick auf den Zuschauer, "dass die kleine Raupe Nimmersatt vor dem Fernseher sitzt und sich immer mehr Unterhaltung wünscht".

Routinier Rubens Barrichello hatte die Rolle des Oberskeptikers übernommen: "Wenn du ein Rennen lang abwechselnd auf die Straße und das Armaturenbrett schaust, kriegst du Kopfweh", schimpfte er und befürchtete eine deutlich höhere Unfallgefahr.

Vor dem vierten Rennen am Sonntag in Istanbul lässt sich aber feststellen: Die mehr als 20 Knöpfe, unter anderem für das Teamradio, den Heckflügel, das Kers oder Getränke haben noch keinen Unfall verursacht. Die Fahrer der heutigen Generation verlieren bei den vielen bunten Knöpfen offenbar keinesfalls den Durchblick, zudem haben die Teams manche Funktionen auf Pedale oder die Lenkrad-Rückseite verlagert.

Den Durchblick verlieren durch die vielen Boxenstopps manche Piloten allenfalls in Bezug auf ihre aktuelle Position im Feld. Jenson Button hält dies für "sehr verwirrend", sagt aber auch: "2010 hatte man nur einen Boxenstopp, das war langweilig." Das Rennen in China sei dagegen "zweifelsohne eines der aufregendsten Rennen gewesen, an denen ich bisher teilgenommen habe". 68 Überholmanöver gab es allein in diesem Rennen.

Dennoch gibt es auch Piloten, die die Inflation an Überholmanövern kritisieren: "Für den Zuschauer ist das nicht so spannend", sagt etwa Nick Heidfeld: "Ein Überholmanöver sollte schon eine Herausforderung sein." Auch Vettels Teamkollege Mark Webber, der in Shanghai 13 Mal überholt hatte, sagte danach, es sei zu einfach gewesen.

Den wichtigsten Satz zu diesem Thema indes sagte Lewis Hamilton: "Es liegt immer noch das schnellste Auto ganz vorne."

© sueddeutsche.de/sid/dpa/jüsc - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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