Formel 1 in China:Ratlos im Regen

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Der einstige Schlecht-Wetter-König Michael Schumacher wird im Regenrennen von Shanghai durchgereicht. Bei Buttons Sieg bleibt der Ex-Weltmeister erneut hinter Teamkollege Rosberg.

Elmar Brümmer

Schumacher-Wetter, wie war das schön. 2006, Großer Preis von China, die letzte Siegfahrt des Rekord-Weltmeisters - Regen. 2010, der Shanghai International Circuit ist wieder ein Feuchtgebiet: Platz zehn für Michael Schumacher, kurz vor Schluss vom Frischling Witali Petrow und seinem ehemaligen Ferrari-Adjudanten Felipe Massa überholt.

Bleibt ein Ehrenpunkt, während der Mercedes-Kollege Nico Rosberg im identischen Auto das Rennen mit der couragierteren Reifenwahl ein Drittel lang anführt und am Ende den zweiten dritten Platz in Serie nach Hause fährt, die Briten Jenson Button und Lewis Hamilton in der McLaren-Variante des Silberpfeils kann auch er nicht erreichen. Aber es macht einen Unterschied, von wem man überholt wird. "Es war einfach hoffnungslos", bilanzierte Schumacher. Und bezieht das auf die Wehrlosigkeit von Shanghai, als seine Pneus auf den letzten zehn Runden komplett abgefahren waren. Schumacher auf der letzten Rille - ein desolates Sinnbild.

Desillusionierend auch, wo der siebenmalige Weltmeister nach der Überseetournee in der WM-Tabelle steht: Die wird nach dem zweiten Saisonsieg im dritten Regen-Grand-Prix der Saison von Jenson Button angeführt (60 Zähler), es folgen Rosberg (50), Fernando Alonso, Hamilton (je 49) und Sebastian Vettel (45), der nach dem verschlafenen Start und zwei Safety-Car-Phasen mit dem Red Bull ähnlich aus der Balance geraten war wie Michael Schumacher.

1:19 gegen Rosberg

Der Mercedes-Pilot ist punktgleich mit Adrian Sutil auf dem Force India Gesamtzehnter mit zehn Punkten. In den offiziellen Pressekonferenzen wollen die chinesischen Reporter von allen wissen, warum der Rückkehrer "außer Betrieb" sei. 1:19 steht es in der Summe aller direkten Vergleiche von Training, Qualifikation und Rennen gegen Rosberg nun.

Einen solchen Saisonstart hat Schumacher noch nie erlebt. In dem chaotischen Rennen wirkt nur der Titelverteidiger Button überlegt und überlegen, wie es einmal Schumachers Art war. "Im richtigen Moment die richtige Entscheidung treffen, das macht es aus. Dann ist es keine Frage des Glücks, sondern ob man ein Rennen richtig lesen kann", belehrte der Brite. Schumacher wechselte in der Anfangsphase einmal zu früh auf Regenreifen und musste wieder zurück - Rosberg war draußen geblieben und hatte so die Führung übernommen.

Schumacher wird in China achtmal auf der Strecke überholt. Selbst der Allerwerteste des Rekord-Weltmeisters muss da als Problemzone herhalten. Kein Witz, es geht um die Schwerpunktverteilung im Auto. Die betrifft zwar vorrangig den Dienstwagen, aber mit jeder hämischen Frage, mit jeder kleinen Ungereimtheit werden die Zweifel größer: Ist Schumachers Magie verblasst?

Mercedes-Sportchef Norbert Haug, bekennender Freund seiner Fahrer, sieht sich angesichts der neuerlichen Schmach als Werksschützer berufen: "Der Mann ist eine Institution. Die wahren Fans halten jetzt zu ihm." Chefkritiker Niki Lauda hat da ein kürzeres Verständnis von Geduld: "Eine schwache Leistung. Er ist nicht in die Gänge gekommen, obwohl die Bedingungen seiner Erfahrung eigentlich entgegenkommen sollten."

"Kein glückliches Wochenende"

Das klingt verdächtig nach einer Runde Mitleid, aber das wäre dem Betroffenen garantiert zu peinlich. "Es war ein Pokerspiel. Aber ich habe keinen guten Job gemacht. Ich habe die Reifen zu hart rangenommen und konnte mich am Ende nicht mehr wehren. Es war ziemlich hoffnungslos. Dieses Wochenende war kein glückliches für mich, ich muss daraus lernen", sagt Schumacher. Im sehenswerten Duell mit Hamilton bekam sein W01 dazu noch einen Rempler ab. Gerade will so gar nichts nach Plan laufen. Schumacher kann sich zwar lange wacker im Rennen halten, aber an der Spitze mithalten- das ist nochmal etwas anderes.

Der Analytiker kann sich den neuerlichen Leistungsabschwung zwar erklären, nicht aber die größer werdende Differenz zu Nico Rosberg. Generell ist der W01 zu langsam, generell ist der Wagen kaum in jene Balance zu bringen, die Schumacher benötigt, um zum alten Fahrstil und damit zu seinen Stärken zurückzukehren. Dass er häufiger an der Box war als die meisten anderen ist eine Marginalie - mit der Spitzengruppe hätte er bei diesem Rennen so oder so nichts zu tun gehabt.

Die Rollen bei Mercedes scheinen vertauscht zu sein. Der Druck wächst, auf Schumacher und auf das Konzernteam. "Jeder weiß, wie gut Michael im Rennen ist, es muss also am Auto liegen", gesteht Mercedes-Sportchef Norbert Haug ein, "ich würde nicht zu früh den Stab brechen". Es ist der letzte Auftritt für den Mercedes in dieser Form, das Auto kommt jetzt zur Generalüberholung. Außer dem Motor wird fast alles neu sein beim Europastart am 9. Mai in der Nähe von Barcelona.

© SZ vom 19.04.2010/jbe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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