Fifa-Ethikbericht zur WM-Vergabe:Offenheit nur nach innen

Domenico Scala, der neue Gutachter des umstrittenen WM-Reports, hat Erfahrung mit den einschlägigen Fifa-Themen. Doch die erhoffte Ruhe wird beim Fußball-Weltverband nicht einkehren. Dafür sorgen neue Anschuldigungen.

Von Thomas Kistner

Jetzt darf auch Domenico Scala ran, der Chef der Finanzprüfer im Fußball-Weltverband. Nachdem am Donnerstag die Vorsitzenden der beiden Ethikkammern, Ermittler Michael Garcia und Richter Hans-Joachim Eckert, über den Bericht der Korruptionsuntersuchung bei den WM-Vergaben 2018/22 sprachen, soll sich Scala über die Papiere beugen.

Über das 430-seitige Konvolut, das Garcia gefertigt hat und die Fifa trotz massiver Proteste geheim hält. Publik ist bisher ja nur Eckerts 42-seitiges Extrakt, demzufolge keine Korruptionsbeweise gegen Russland und Katar vorliegen.

Garcia, Eckert, Scala. Der Aktionismus wächst, es wird unübersichtlich. Unbekannt ist dafür weiter, ob der große Streit zwischen Eckert und Garcia beigelegt ist: Letzterer hatte beklagt, Eckert habe seine Ergebnisse "verfälscht und irreführend" widergegeben. Nun liegen diese bei einem weiteren Reformhelfer, der bisher nie als Fifa-kritisch auffiel. Andererseits, laut Fifa soll Scala sowieso nur entscheiden, "wie viele dieser Informationen dem Exekutivkomitee offengelegt werden sollten". Es geht um Offenheit: nach innen.

Peinlichkeit aus der Karibik

Mit einschlägigen Fifa-Themen besitzt Scala Erfahrung. Just am Donnerstag ereilte ihn eine traurige Nachricht aus der sonnigen Karibik: Canover Watson, Mitglied seines Compliance-Stabes, ist auf den Cayman-Inseln angeklagt worden. Der Verdacht gegen den Vizepräsidenten der karibischen Fußballunion: Betrug und Geldwäsche. Mehr könnte folgen, teilte die Behörde Reuters mit. Watson war bereits wegen der Ermittlungen in Scalas Gremium suspendiert worden.

So bleibt alles im Bild bei der Fifa und ihren internen Reinigungskräften, die neben der Peinlichkeit aus dem Fiskalparadies noch einen weiteren Nackenschlag wegstecken müssen: In Australien meldete sich Les Murray zu Wort. Der TV-Kommentator saß viele Jahre selbst im Fifa-Ethikkomitee - und in der Rolle sei er 2011 von australischen Bewerbern informiert worden, dass ihnen "ein Mitglied der Fifa-Exekutive seine Stimme gegen Bargeld angeboten hat".

Blatter kann sich seinem Lieblingsthema widmen

Er habe dies an die Spitze des Ethikkomitees weitergereicht, finde aber "nirgendwo eine Erwähnung dazu in Eckerts Bericht". Wurde diese Information nicht berücksichtigt?

Entweder fügt der Vorgang den Ermittlungsdefiziten Garcias und Eckerts eine weitere Episode hinzu - oder die Ethikkommission muss sich nun selbst durchleuchten. 2011 war sie noch das alte, handverlesene Gremium von Fifa-Chef Sepp Blatter; erst 2012 war im Zuge der Selbstreform eine Aufteilung in zwei Kammern erfolgt, die dann den externen Juristen Garcia und Eckert anvertraut wurden.

Die erhoffte Ruhe wird nicht einkehren

Geäußert hat sich nun auch eine vierte Partei, die sich in die Fifa-Selbstaufklärung hineingezogen sieht. Der Schweizer Bundesanwalt Michael Lauber hatte am Dienstag eine Fifa-Anzeige gegen Unbekannt samt Garcia-Report erhalten. Nun erklärte er, über eine Anklage könne erst nach Aktensichtung befunden werden. Das heißt, der Fall liegt erst einmal im Eisfach der Berner Bundesanwaltschaft, und Blatter kann sich seinem Lieblingsthema zuwenden: Seine fünfte Wiederwahl im Mai, mit dann 79 Jahren.

Die erhoffte Ruhe wird aber nicht einkehren. Am Freitag teilte Phaedra Almajid der SZ mit, dass sie seit 2011 eng mit dem FBI kooperiere. Die Amerikanerin hatte für Katar gearbeitet, später Korruptionsvorwürfe erhoben und diese im Juni 2011 unter Druck per Eideserklärung widerrufen. Für Garcia wurde sie eine Kernzeugin, in Eckerts Schlussbericht aber sieht sie sich nun bloßgestellt und als unglaubwürdig verunglimpft.

Der SZ teilt Almajid nun mit, sie habe schon im Herbst 2011 all ihr Wissen zur Katar-Bewerbung dem FBI übermittelt. Das habe dann bei einem Treffen mit ihr einen "hohen Katar-Vertreter mitgeschnitten, der zugab, dass es für meine Eideserklärung einen Deal gab: im Gegenzug für eine Garantie, dass sie mich nicht verklagen." Seither schütze das FBI sie.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: