Felix Neureuther vor dem WM-Slalom:"Es zählt nur der eine Tag"

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Verlässt er Colorado mit Gold im Slalom? Felix Neureuther. (Foto: dpa)
  • Es ist das vielleicht wichtigste Rennen seiner Karriere: Zum Abschluss der Ski-WM steht für Deutschlands Gold-Hoffnung Felix Neureuther der Slalom an.
  • Vorbereitet hat er sich in ungewohnter Umgebung.
  • Hier geht es zu allen Ergebnissen der WM in Beaver Creek.

Von Johannes Knuth, Beaver Creek

Felix Neureuther ist neulich durch die Innenstadt von Vail spaziert, ihm habe es gut gefallen, sagt er. Überhaupt mag Neureuther die WM-Orte Beaver Creek und Vail - wenn auch weniger aufgrund der touristischen Angebote. "Ich konnte mich endlich mal frei bewegen", sagt Neureuther, "das war überragend." Im Januar, wenige Tage vor den Ski-Weltmeisterschaften in den USA, hatte sich Neureuther mit der Auswahl des Deutschen Skiverbands (DSV) in Waidring/Österreich vorbereitet, "als wir oben am Lift ausgestiegen sind, standen da manchmal mehr Zuschauer als bei manchen Weltcuprennen in Amerika", erinnert sich Fritz Dopfer, Neureuthers Teamkollege. Jetzt, in Nordamerika, ergänzt, Neureuther, "schaut ab und zu einer aus dem Sessellift zu, da kann man mal vernünftig in Ruhe arbeiten."

"Endlich", sagt Neureuther.

Am Sonntag beschließen die Männer mit ihrem Slalom die 43. alpinen Ski-Weltmeisterschaften in Vail und Beaver Creek (ab 18.15 im SZ-Liveticker). Der Slalom ist das letzte Rennen in einer Serie, die DSV-Cheftrainer Mathias Berthold im Januar als "wichtigste Rennen der Saison" ausgerufen hatte. Neureuther hat anstrengende Wochen hinter sich. Die Rennen in Adelboden, Wengen, Kitzbühel, die Podiumsplatzierungen, die Aufmerksamkeit, das alles zehrte an den Reserven, körperlich und mental.

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Einst belächelt, jetzt sollen sie für Medaillen sorgen: Auf die deutschen Männer um Felix Neureuther und Fritz Dopfer warten bei der Ski-WM in den USA die größten Rennen der Saison.

Von Johannes Knuth

Doch jetzt, in den Tagen von Vail, gibt es nur wenige äußerliche Indizien, die nahelegen, als fiebere hier der derzeit beste Slalomfahrer der Saison seinem wichtigsten Bühnenauftritt des Winters entgegen. Der 30-Jährige flachst mit seinen Teamkollegen, spaziert unerkannt durch die Fußgängerzone, und wenn er trainiert, schauen ihm ein paar wohlgenährte Skitouristen aus Colorado aus dem Sessellift zu. Wobei sich Neureuther durchaus fokussiert vorbereitet, das schon. "Du kannst vorher 50 Mal gewinnen", sagt er, "es zählt nur der eine Tag." Und der ist jetzt da.

Wenn man Neureuther beobachtet, erkennt man einen Menschen, der sich seine negativen Gedanken offenbar weitgehend abtrainiert hat. "Man wird älter, reifer, man macht Erfahrung", sagt Neureuther, er lächelt. "Früher hätte ich vor einer WM gesagt, ich will Gold gewinnen", sagt Neureuther, jetzt verkündet er: "Wenn ich meine Leistung bringe, wird auch das Ergebnis passen." Früher klammerten sich seine Gedanken wochenlang an das eine, große Rennen. Vor der Heim-WM 2011 in Garmisch malte er sich wochenlang aus, wie es sein würde, das Rennen, das Drumherum. Er stand dann am Start, "meine Oberschenkel wären fast explodiert", sagte er einmal, "schon bevor ich überhaupt gefahren bin".

WM in Schladming war das Ende einer langen Kindheit

Zwei Jahre später reiste er spät zur WM nach Schladming, der Druck war ja auch so groß genug, alle redeten über Marcel Hirscher und Neureuther, das große Duell um Gold. Neureuther gewann dann Silber, vor 50 000 Zuschauern am Hang, es war seine erste, große Einzelmedaille. Vorher hatte er ein Leben als "Der Sohn von Christian Neureuther und Rosi Mittermaier" geführt, spätestens seit Schladming ist Neureuther bekannt als Felix Neureuther, der Slalomfahrer. Es war ein Stück weit das Ende einer langen Kindheit.

Es ist schon auffällig, mit welcher Konstanz Neureuther im jüngsten Abschnitt seiner Karriere unterwegs ist, spätestens seit dieser Medaille in Schladming. Er zerschellt nicht an der Erwartungshaltung, an Flutlichtslaloms und zehntausenden Betrachtern, er ist, wie es im Sportlerdeutsch heißt, ein Wettkampftyp. Er trat in diesem Winter zu acht Slaloms an, einmal schied er aus, zwei Mal gewann er, ansonsten stand er immer auf dem Podest.

Nicht zuletzt deshalb spricht DSV-Alpindirektor Wolfgang Maier vom "System Felix", er weiß ja, wem er die Renaissance der deutschen Skirennfahrer vor allem zu verdanken hat. Es ist Neureuther, der sich nach harten Lehrjahren in der Weltspitze festgebissen hat, der Dopfer, Linus Strasser und Stefan Luitz mitzieht. Auch Dopfer, Strasser, Luitz und viele andere sind wichtig in diesem System, sie fordern Neureuther in jedem Training aufs Neue, am Ende ist es dann aber meistens Neureuther, der Verband und Kollegen mit seinen Ergebnissen ein angenehmes Arbeitsumfeld verschafft.

Das vorerst letzte Fallbeispiel war der Riesenslalom am Freitag in Beaver Creek. Dopfer fuhr nach tagelangen Rückenproblemen seltsam gehemmt, Luitz fehlte nach einem grippalen Infekt die Kraft, Neureuther wurde Vierter, er ärgerte sich ein wenig, dann stellte er fest: "Das war mit Abstand der beste Riesenslalom des Jahres."

Am Sonntag ist Neureuther nicht mehr Außenseiter, er ist Favorit, es gibt ja keinen Fahrer, der in dieser Disziplin derzeit konstanter fährt. Neureuthers Saison wäre auch ohne einen WM-Titel bemerkenswert, sollte er jetzt aber in Beaver Creek gewinnen, würde die Wintersportmarke Neureuther noch wertvoller. Der 30-Jährige gibt sich zurückhaltend, es soll warm werden, die Piste könnte aufweichen, Hirscher, sein großer Konkurrent, sagt: "Es könnte eine Überraschung geben."

Hirscher und Neureuther haben in dieser Saison bislang je zwei Slaloms gewonnen, sie erinnern gerne daran, dass es auch vier weitere Sieger in diesem Jahr gab: Henrik Kristoffersen/Norwegen, Stefano Gross/Italien, Mattias Hargin/Schweden und Alexander Koroshilow/Russland. Der Sonntag, sagt Neureuther, "darauf gilt es sich ab jetzt voll zu konzentrieren".

Dann schießt er noch schnell ein paar Erinnerungsfotos mit zwei koreanischen Journalisten.

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