FC Bayern:Thomas Müller - lange genug gepiesackt

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Gegen Ingolstadt ohne Tor, dafür mit einer wichtigen Vorlage: Bayerns Thomas Müller. (Foto: dpa)

Kurios scheitert der Bayern-Profi beim Versuch, seine Torlosigkeit zu beenden. Dann gelingt ihm die Vorlage zum Siegtreffer. Geht es aufwärts?

Von Christopher Gerards, Ingolstadt

Hatte der Ball das vorhin wirklich gemacht? Hatte er sich tatsächlich rotzfrech kurz vor der Linie vom Tor weggedreht? Thomas Müller wusste es selbst nicht genau, er müsse sich die Szene nochmal anschauen, hat er am Samstagabend gesagt, kurz bevor er das Ingolstädter Stadion verließ. Wobei: Eigentlich wusste Müller sehr genau, was der Ball gemacht hatte. Er wusste sogar, wer dem Ball das alles befohlen hatte. "Piesacken von oben", schimpfte Müller und blickte zur Decke, über der er den Fußballgott vermutete.

Es lief die 47. Minute am Samstagnachmittag, 0:0 stand es zwischen dem FC Ingolstadt und dem FC Bayern. Müller hatte einen Raum gesehen, der vermutlich selbst nicht wusste, dass man ihn sehen kann. Er rannte in den Strafraum, vorbei an drei Ingolstädter Verteidigern, er sah einen Pass auf sich zufliegen, nahm ihn an, legte ihn vorbei an Marcel Tisserand. Dann schoss Müller, durch die Beine von Torwart Martin Hansen hindurch, und eigentlich konnte der Ball gar nichts anderes machen, als ins Tor zu rollen.

Aber irgendwo unterwegs muss der Ball es sich nochmal anders überlegt haben. Ja, er machte das jetzt wirklich: Der Ball berührte das Bein von Torwart Martin Hansen, und das gab ihm einen derart gemeinen Drall mit, dass er immer langsamer wurde und sich vor der Linie wegdrehte. Dann kam Florent Hadergjonaj und bolzte den Ball weg. Müller lächelte tapfer und schaute zum Himmel.

Was vorher erfrischend war, wirkt jetzt manchmal etwas staksig

"Das beschreibt vielleicht auch ein bissel die Situation", sagte Müller hinterher, als das Spiel 2:0 ausgegangen war, und dazu muss man wissen: Müllers Situation ist so, dass er erst ein Bundesligator geschossen hat in dieser Saison. Dass er erst fünf Vorlagen gab. Und dass sein neuer Trainer Carlo Ancelotti irgendwie auch das alte van Gaalsche Dogma ausgehebelt hat, wonach Müller immer spielt. Müller spielt nicht mehr immer, und genau deshalb wäre das ja eine hübsche Pointe gewesen: wenn dieser Müller jetzt das 1:0 geschossen hätte in diesem zähen Bundesligaspiel. Aber dann kamen ihm halt der Fußballgott und Martin Hansens Bein dazwischen.

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Andererseits konnte man es auch so sehen: War das nicht ein gutes Zeichen, dass Müller wieder Szenen gelingen, die so surreal sind, dass es sie eigentlich gar nicht geben dürfte?

So ist das ja oft gewesen bei Thomas Müller. Er machte Sachen, die keiner verstand, der nicht zufällig Thomas Müller heißt. Er entdeckte unerforschte Räume auf der Landkarte, und auf unerklärliche Weise brachte er immer noch seine Haxen an Bälle, die dann genauso unerklärlich ins Tor flogen. Über Jahre war das ein gutes Geschäftsmodell, aber irgendwo zwischen dem vergangenen Champions-League-Halbfinale, als er einen Elfmeter verschoss, und der Europameisterschaft ist ihm irgendwas abhanden gekommen. Müller schießt kaum Tore mehr, und was vorher erfrischend aussah, das wirkt jetzt manchmal etwas staksig.

"Ich muss in Kombinationen eingebunden sein" - diesen Satz hat Müller neulich in einem Interview mit dem amerikanischen Sportsender ESPN gesagt. Er gehört nicht zu den Robbens und Costas dieser Welt, die sich den Ball schnappen, ein paar Gegner ausdribbeln und dann halt in den Winkel schießen. Er müsse ohne den Ball rennen, tief laufen, sagte er. "Aber das ist das nächste Problem: Die Gegner verteidigen sehr tief gegen uns, lassen nicht viel Raum zwischen dem letzten Verteidiger und dem Torwart."

In Ingolstadt war es so, dass sich sein Leiden der vergangenen Wochen in der 47. Minute auf eine Szene verdichtete. Andererseits: Einen Angreifer, der aus so einem Winkel trifft, den möchte man auch erst mal sehen. "Ich hab mich gut durchgetankt", sagte er sehr zurecht. Müller hatte insgesamt ohnehin so gespielt, dass er zufrieden sein konnte mit sich, er lief viel, er warf sich in Zweikämpfe. Ancelotti hatte Bayerns Außenangreifer geschont, Robben saß auf der Bank, genau wie Costa und Coman. Dafür startete Müller neben Thiago im offensiven Mittelfeld.

Und am Ende war es so, dass eine weitere Szene von Müller blieb an diesem Samstag, sie fiel in die 90. Minute: Müller nahm den Ball an, flankte, der Ball landete bei Arturo Vidal, und der schoss ihn zum 1:0 ins Tor. Es sei "sicherlich ein super Spieltag für uns", hat Müller angesichts der Niederlagen von Leipzig und Dortmund noch gesagt. Und nach seiner Vorlage galt das zumindest auch ein kleines bisschen für ihn selbst.

© SZ vom 12.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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