FC Bayern München:Wie Trickdiebe ohne Tricks

Real Madrid - FC Bayern München

Trick- und glücklos: Arjen Robben (links) und Thomas Müller.

(Foto: dpa)

Die Bayern bieten Fleißkärtchen-Fußball, ohne sich dafür zu belohnen. So auch beim 0:1 gegen Real Madrid. Dabei wird ersichtlich, was der Trainerwechsel von Jupp Heynckes zu Pep Guardiola bewirkt hat: Bei den Bayern herrscht eine neue Kultur. Es gibt keine Abenteuer mehr. Es fehlt der Pfiff.

Ein Kommentar von Klaus Hoeltzenbein

Die Bayern kamen nach Madrid wie die Räuber, die es auf die Kronjuwelen abgesehen hatten. Sie drangen ein ins Stadion der Königlichen mit dem gleichen Fleiß, mit der gleichen Geduld, mit der Räuber einen Tunnel buddeln. Schaufel auf Schaufel, Pass auf Pass, Ballkontakt auf Ballkontakt. Ein emsiges, eintöniges Unterfangen. Am Strafraum aber stellten sie fest: Sie hatten ihr Handwerkszeug vergessen, um zum Tor zu gelangen. Wie die Räuber, die nach tagelangem Schaufeln am Tresor ankommen und begreifen müssen: Alles fehlt, kein Bohrer, kein Brecheisen, kein Dynamit, um das Ding zu knacken. Kein Spielzug, keine Flanke, keine Flügelzange, um von der Strafraumgrenze zum Tor durchzubrechen. Die Bayern traten auf wie Trickdiebe ohne Tricks. Wie Räuber ohne Dietrich.

Es war schon ein komisches Spiel, eigentlich eine Groteske, die da im Champions-League-Halbfinale des FC Bayern bei den Königlichen von Real zu verfolgen war. Gefühlt 1000 Prozent Ballbesitz bei 100:0 Ecken haben die Münchner herausgewirtschaftet, aber diese Blödsinns-Werte, mit denen inzwischen inflationär versucht wird, den Fußball statistisch zu erfassen, führten wieder einmal völlig in die Irre.

Zielt alles auf die Kontrolle, gibt es keine Abenteuer

Der ganze Abend eine einzige optische Täuschung. Denn Reals Sicherheitskräfte, Reals Palastwachen, hatten die Eindringlinge immer unter Beobachtung, immer unter Kontrolle. Der einzige Wert, der wirklich zählt im Fußball, bleiben die Tore, und nur wegen diesem Wert besitzen die Bayern im Rückspiel weiter ihre nicht einmal so kleine Option, zur Titelverteidigung ins Finale vorzurücken. Hätten allein die klaren Torchancen gezählt, hätte Real nicht 1:0, sondern 3:0 oder 4:1 gewinnen müssen. Dann wäre dieses Duell zwischen Räuber und Gendarm bereits entschieden.

Da ist jetzt halt die Frage, weshalb, wer so viel Aufwand betreibt, sich nicht belohnen kann für seinen Fleißkärtchen-Fußball? Und so kommt es zum Vergleich zwischen den Jupp-Bayern und den Pep-Bayern, trotz Trainerwechsel blieben die Spieler ja nahezu die selben. Die Heynckes-Bayern agierten ähnlich wie Madrid, sie stellten den Gegner und konterten ihn überfallartig aus. Dies ergab 2013 in Viertel- und Halbfinale der Champions League insgesamt ein imposantes 11:0 gegen Juventus Turin und den FC Barcelona.

Pep Guardiola hat die Münchner einem Systemwechsel unterzogen. Ein ziemlicher Luxus, aber auch ein Wagnis ist das, auf diesem Weltklasse-Niveau einen Kulturwandel zu riskieren. Die Pep-Bayern wollen jetzt dominieren, immer, sie erheben den Anspruch auf ständigen Ballbesitz und damit auf die gesamte Dramaturgie des Spiels. Das ist eine gute, da optimistische Idee.

Nur wirkte es in Madrid wie im richtigen Leben: Wenn alles auf Kontrolle ausgerichtet ist, gibt es keine Abenteuer mehr. Es fehlte der Pfiff, um den Tresor zu knacken. Ein Beispiel: Die Jupp-Bayern hatten diese einzigartige Flügelzange Lahm/Robben (rechts) und Alaba/Ribéry (links). Guardiola plant ohne diese Zange, nur wurde noch kein neues Weltklasse-Werkzeug entwickelt, das für die verblüffend einfachen Lösungen steht. Gut, manchmal trifft Mandzukic mit dem Kopf, manchmal taucht Müller auf, manchmal dribbelt Robben sich selbst und andere schwindlig. Darin liegt die Option fürs Rückspiel. Dass sich der Wahnsinn über das System erhebt. Sonst ergeht es den Ballbesitz-Königen wie einst dem alten Sisyphos am Berg: Am Ende sind alle nur noch müde.

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