FC Bayern: Louis van Gaal:"Er ist halt so, wie er ist"

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Louis van Gaal, neuerdings Interimstrainer des FC Bayern, macht nach dem Sturm des Wochenendes einfach weiter seine Arbeit. Ein Besuch beim Training an der Säbener Straße.

Andreas Burkert

Es ist kein Applaus zu hören und auch kein Buh, als der neue Interimstrainer des FC Bayern endlich ins Freie tritt. Die vielen Menschen müssen sich offenbar konzentrieren, um zu erkennen, wer das dort drüben überhaupt ist. Einer witzelt: "Und wer ist jetzt der Heynckes?"

Der Interimstrainer bei der Arbeit: Louis van Gaal verfolgt die Übungen seiner Spieler. (Foto: dapd)

Es ist dann ziemlich bald klar, dass es sich beim Mann mit der Stoppuhr um den Hals doch um Louis van Gaal handelt, er hat es sich also nach seiner Beinahe-Entlassung am Sonntag, die kurzfristig in eine Trennung zum Saisonende umgewandelt wurde, nicht noch anders überlegt.

Als Erster tritt er hinaus, er hat eine Hand in der Hosentasche stecken und schaut sich für seine Verhältnisse recht verlegen um, wo sie denn bleiben, die Herren Spieler. Sie kommen nacheinander, als Letzter natürlich Ribéry. Auch die Profis erhalten keinen Applaus der rund 1500 Schaulustigen, das Gute kommt heute bei den Bayern ausnahmsweise mal von ganz oben: Kaiserwetter.

Grüß Gott beim FC Bayern, der, man muss das einfach mal zugeben, keineswegs experimentiert mit seinem Übergangstrainer - sondern einen Trend schuf. Veh, Magath, womöglich Heynckes, Dutt und Rehhagel, Auslaufmodelle und Abschiede sind plötzlich in Mode in der Liga, wahrscheinlich steht der Trendsetter van Gaal am Mittwoch auch deshalb so kerzengerade und lässig auf dem Rasen.

Eine halbe Stunde Verspätung haben sie, drinnen hatten der Vorstand und dann der Trainer appelliert, die letzten Wochen bitte anständig über die Bühne zu bringen. Es gibt ja noch einiges zu holen, das Startrecht für die Champions League 2011/2012 zum Beispiel. Und die Sonderprämien dafür.

Schnellkraft und Kurzzeitausdauer lässt van Gaal zunächst trainieren, ohne Ball. Dann geht es rüber aufs Spielfeld, neun gegen neun, die orangefarbenen Leibchen werden ausgegeben. Wer bei van Gaal in Orange spielt und nicht in Blau, so ist es bei ihm seit Jahren, darf mit seinem Einsatz am Wochenende rechnen. Gomez, Ribéry, Schweinsteiger, Kroos, Robben, Gustavo, van Buyten und Lahm sind demnach dabei - wie auch Kraft, der junge Torwart, dessen fürchterlicher Fehlgriff beim 1:3 in Hannover van Gaals Abschied beflügelt hat.

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Bei Aussetzern in Schlüsselmomenten ist van Gaal , 59, eher nachtragend, Demichelis etwa hat für seine Fehler im Europapokal-Finale gegen Inter gebüßt. Und van Buyten spielt jetzt nur wieder eine Rolle, weil Breno gesperrt ist und Badstuber außer Form. "Aber ich gebe meinen Spielern auch Kredit", sagt van Gaal, was nun auf Thomas Kraft zutrifft, gerade auf ihn.

Neuer Kredit: Daniel van Buyten spielt plötzlich wieder eine Rolle in van Gaals System - weil Breno verletzt ist und Badstuber außer Form. (Foto: dpa)

Denn wenn der Trainer die Chefs unverhofft befrieden wollte, würde er ja vielleicht doch wieder Jörg Butt ins Tor stellen, der zum Entsetzen der hohen Herren den Stammplatz verlor. Oder van Gaal könnte Luiz Gustavo doch mal im Mittelfeld platzieren, wie das die Bosse gern sähen, spätestens seit dessen starker Leistung zuletzt gegen Inter.

Aber van Gaal bleibt van Gaal, "er ist halt so, wie er ist", sagt jemand aus dem zweiten Stock der Geschäftsstelle, wo sich die Führung hinter abgedunkelten Scheiben von der Sturheit ihres Fußballlehrers überzeugen kann; oder von seiner Geradlinigkeit, je nach Sichtweise.

Denn Kraft spielt dort unten mit bei Orange, und neben seinem Tor steht Frans Hoek, van Gaals Torwartflüsterer. Er schaut Kraft zu, er korrigiert ihn während des Trainingsspiels und auch in den Pausen. Man muss das mögen, aber Kraft kann dieser Aufdringlichkeit nun wohl auch etwas Positives abgewinnen: Wer so viel Aufmerksamkeit genießt, wer zudem hinterher noch mit Hoek Sonderschichten schiebt, während Butt schon duscht - der spielt gegen den HSV. Kraft sagt: "Wenn ich am Samstag nicht im Tor stehen würde, hätte ich das erfahren."

Van Gaal macht einfach weiter wie gehabt: Keine Defensivübungen, und Gustavo verteidigt selbstredend hinten links; in der Mitte spielen Schweinsteiger und Kroos. Ribéry wirkt lustlos, klar, Gomez kriegt wieder keinen Elfmeter, wie gegen Schalke. Und Robben, es ist wirklich verhext, ihn stellen die Blauen außen zu, als hätten sie zuletzt gut bei den Dortmundern, Schalkern und 96ern zugeschaut. In den Pausen redet van Gaals Co Andries Jonker auf Orange ein, der Chef hört zu, auch der Teampsychologe. Bei Blau steht nur Hermann Gerland, der andere Assistent. Geredet wird dort nichts, Butt schaut rüber zu Kraft.

Dort flüstert Hoek laut auf Kraft ein.

Nach fast zwei Stunden hört man Pfiffe, van Gaal beendet die Einheit souverän mit der Trillerpfeife. Und dann applaudieren sie ihm doch, laut sogar, denn van Gaal kommt an den Zaun und gibt lange Autogramme. "Jetzt hab' ich Zeit für die Fans", sagt der Holländer. Er sieht aus der Nähe sehr gut aus, gesund und gelassen wie lange nicht. Es muss an der Sonne liegen.

© SZ vom 10.03.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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