Rudi Völler hat ein paar Mal aufgelacht, als er um eine Formulierung zur nicht wirklich verblüffenden Nachricht aus München rang. "Das ist ja jetzt wirklich überraschend!", brachte er zunächst heraus. So viel Ironie muss schon sein, auch in Leverkusen, wo nun also auch offiziell bis zum Saisonende ein Trainer auf der Bank sitzt, der künftig den FC Bayern betreuen wird.
Darauf lief es nun schon seit drei Wochen hinaus, seit jenem Sonntagabend, als sie in München in ihrer Grünwalder Elefantenrunde den vorzeitigen Abschied Louis van Gaals zum Saisonende beschlossen und Präsident Uli Hoeneß sogleich seinen alten Kumpel Jupp Heynckes erfolgreich als Nachfolger vorschlug. Nur die Leverkusener hatten das lange für einen Irrtum gehalten und weiter aufrichtig um Heynckes' Vertragsverlängerung gekämpft. Aber das ist schon vergessen: "Das war ja jetzt zu erwarten", sagte Bayer-Sportchef Völler am Freitag zu Heynckes' Unterschrift, und das meinte er diesmal ernst: "Wir sind dennoch überzeugt, dass wir mit Jupp Heynckes einen tollen Saisonabschluss schaffen."
Wie erwartet für zwei Jahre, bis Juli 2013, soll Heynckes den FC Bayern trainieren. Er wird 68 Jahre alt sein, wenn er dann vielleicht doch mal in den Ruhestand tritt. Nachdem der frühere Nationalstürmer vorigen Montag seinen Abschied aus Leverkusen zum Sommer bestätigt hatte, geriet donnerstags die erste konkrete Verhandlungsrunde mit dem FC Bayern bei ihm daheim im niederrheinischen Schwalmtal natürlich zur Routinesache. Am Freitagmorgen, halb neun, informierte er als ersten Bayer 04-Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser.
"Ganz abgesehen von den guten persönlichen Beziehungen zu den Verantwortlichen des FC Bayern hat mir immer imponiert, wie professionell dieser Klub geführt wird", teilte der 65-Jährige dann offiziell zum Meeting mit dem Münchner Vorstand Karl-Heinz Rummenigge, Sportdirektor Christian Nerlinger und Finanzchef Karl Hopfner mit. "Ich war bereits zweimal Trainer beim FC Bayern und habe dabei immer das Klima geschätzt, in dem dort gearbeitet wird."
Damit haben die Bayern ihren "Wunschkandidaten" (Rummenigge) verpflichtet. Hoeneß verspricht sich von seinem Freund, den er nach der Entlassung Jürgen Klinsmanns im April 2009 für die Rückkehr ins Berufsleben gewann, vor allem eine Verbesserung des Binnenklimas, das bei van Gaal gelitten habe. Sportlich trauen sie Heynckes in München zu, die Abwehrschwäche zu beheben, welche sie nun sogar um die Qualifikation zur Champions League bangen lässt.
Perspektivisch gilt Heynckes als Bindeglied in die Moderne, der sich die Bayern ja keineswegs verschließen möchten. Bis 2013 werden sie nun die Trainer der "Generation Klopp" beobachten, die Zeit des Übergangs wollen sie auch fürs Chefcoach-Scouting nutzen. Heynckes erscheint ihnen hierfür dank seiner Erfahrung als Idealbesetzung.
Ein Fahrensmann in Dortmund, Stufen auf der Reeperbahn und Laptop-Probleme an der Säbener Straße: Die exklusive Vorschau auf die verbleibenden Trainerwechsel dieser Bundesliga-Saison.
Mit der Vertragsunterschrift in München beginnt nun allerdings auch eine zweigleisige Planung. Wer Heynckes kennt, weiß zum einen, dass er die ihm ans Herz gewachsene, junge Leverkusener Mannschaft nun erst recht auf Rang zwei führen will. "Das wird ja grundsätzlich nicht einfach", findet Völler, der sein Team jedoch als "stabil genug" einschätzt. Sentimentalitäten seien ohnehin überflüssig, "das ist halt im Profigeschäft so, wir hatten zwei tolle Jahre mit Jupp Heynckes". Der wiederum geht nun aber auch daran, mit den Münchnern die Personalplanung voranzutreiben.
Was seinen Stab betrifft, werden die Leverkusener nach SZ-Informationen einen weiteren Verlust hinzunehmen haben: Peter Hermann, 59, früherer Bayer-Profi, der 1979 zur Aufstiegsmannschaft gehörte und seit 35 Jahren Vereinsmitglied ist, wird Heynckes als Assistent begleiten. "Er hat sich Bedenkzeit auserbeten", sagt Völler über Hermann, der beim Bayern-Termin im Hause Heynckes anwesend war.
Für Leverkusen wäre Hermanns Abschied ein schwerwiegender Verlust, der anerkannte Fachmann zählt dort zum Inventar, zu Völlers aktiven Zeiten war er sogar mal Interimscoach. Nur 2008/09, als Bruno Labbadia nicht mit ihm plante, wechselte Hermann mal zum 1.FC Nürnberg, nach dem Aufstieg überwog jedoch das Heimweh ins Rheinland nach Opladen, wo seine Familie lebt.
Heynckes möchte aber nicht auf Hermann verzichten, dagegen wird Torwarttrainer Walter Junghans trotz seiner guten Beziehungen zu ihm wohl nicht wieder von der FC-Bayern-Reserve zu den Profis zurückkehren. Zwar verlässt van Gaals Stab komplett die Bayern, also auch Torwarttrainer Frans Hoek. Doch Junghans war vor einem Jahr auch aus fachlichen Gründen ersetzt worden.
Ob Heynckes seine Überredungskünste auch bei seinem aktuellen Lieblingsspieler Arturo Vidal wirken lässt, ist derweil noch offen. "Die Bayern haben sich noch nicht gemeldet", sagte Völler der SZ, allerdings hat Heynckes seine besondere Begeisterung für den defensiven Mittelfeldspieler aus Chile (Vertrag bis 2012) auch schon der Münchner Abordnung vorgetragen. Geschäftsführer Holzhäuser ist dennoch überzeugt, dass "der Jupp viel zu loyal und anständig ist", Vidal zu den Bayern umzuleiten.
Bayer 04 verhandelt gerade über eine Vertragsverlängerung mit dem 23-Jährigen und könnte dabei noch davon profitieren, dass die Münchner für Vidals Position erst im Winter Luiz Gustavo gegen 15 Millionen Euro Ablöse aus Hoffenheim akquirierten. Man werde zunächst "den eigenen Kader durchleuchten" und dann entscheiden, heißt es zu Vidal von den Bayern. Und dann entscheidet Jupp Heynckes.