FC Bayern in der Champions League:Pep Guardiola - vercoacht oder nicht?

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Grübelt nach dem 0:1 im Hinspiel: Bayern-Trainer Pep Guardiola. (Foto: AP)

Die Bayern verlieren in Madrid nicht nur, weil Pep Guardiola Thomas Müller auf die Bank setzt - sondern auch, weil Atlético so stark spielt.

Kommentar von Claudio Catuogno, Madrid

Zu Pep Guardiolas Stärken zählt - neben seinem Röntgenblick bei der Analyse von Fußballspielen sowie seinem Geschmack beim Kauf von Krawatten - die rhetorische Selbstanklage. "Es liegt am Trainer", "der Trainer ist schuld": Das hat Guardiola in seinen nun fast drei Münchner Jahren schon einige Male versichert. Zu beachten war dann stets der leicht spöttische Unterton. Aber dieses eine Mal, es war gerade ein Champions-League-Halbfinale verloren gegangen, nahm Guardiola tatsächlich alle Schuld auf sich, ohne Koketterie: "Der Trainer hat einen Riesenfehler gemacht", sagte er. Zwei Jahre ist das her, zu verarbeiten war ein 0:4 im eigenen Stadion gegen Real Madrid.

An Guardiolas Mea culpa damals wird bis heute oft erinnert. Bisweilen vergessen wird, was Guardiola sich genau vorwarf. Nicht etwa, dass er bei der Wahl der Startelf seinen speziellen Gedanken vertraut hat. Sondern dass er ihnen nicht vertraut hat. Dass er sich, gegen seine Überzeugung, aus der Mannschaft und aus dem sogenannten Umfeld eine hemdsärmelige Mia-san-mia-Taktik hatte aufschwatzen lassen.

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Auch damals hatte alles mit einem 0:1 in der spanischen Hauptstadt begonnen, etwas weiter nördlich, im Estadio Santiago Bernabéu. Ob diese Parallele nun eine Lehre sein könne fürs Rückspiel, wurde Guardiola am Mittwochabend gefragt. Er sagte: "Ich weiß es nicht." In jedem Fall hat ihn das 0:1 bei Atlético an jenes 0:1 bei Real erinnert. Kein Auswärtstor geschossen. Bei einem gegnerischen Angriff blöd ausgesehen. Und nicht alles, was der Trainer sich vorher ausgedacht hat, hat auf dem Platz funktioniert.

"Vercoacht", das schreibt sich schnell

Warum aber hat es gegen Atlético nicht funktioniert? Nun, vielleicht muss man auch den Gedanken zulassen, dass es ein bisschen an Atlético lag.

Dass ein Trainer die "falsche Taktik" gewählt hat, dass er ein Spiel "vercoacht" hat - das sagt oder schreibt sich immer leicht dahin. Guardiola steht da seit seinem "Riesenfehler" unter spezieller Beobachtung. Und im Fall des FC Bayern kommt noch die kulturelle Besonderheit hinzu, dass hier bereits jedes Spiel als fahrlässig vercoacht gilt, in dem Thomas Müller auf der Bank sitzt. Müller, der unberechenbare Instinktfußballer, der den Ball noch immer irgendwie versehentlich mit der Kniekehle über die Line bugsiert hat - ja gilt denn der alte Louis-van-Gaal-Spruch "Müller spielt immer" nicht mehr?

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Atlético legt Münchner Schwächen offen

Gegenfrage: Wie würde jetzt wohl Guardiolas Taktik verhandelt, wäre einfach dieser Alaba-Weitschuss in der zweiten Halbzeit nicht an die Latte gegangen, sondern im Torwinkel eingeschlagen? Aber damit muss man wohl leben als Taktikgrübler und Startelf-Durcheinanderwirbler: Dass die Akribie, mit der man sein Personal an die jeweilige Situation anzupassen versucht, im Erfolgsfall für einen spricht - bei Misserfolg aber gegen einen verwendet wird.

Es ist schon richtig: Drei Jahre ist Guardiola in München, drei Mal hatte er Halbfinals gegen eine spanische Elf zu bestreiten (Real 2014, Barcelona 2015, Atlético 2016), drei Mal ging es auswärts erst mal schief. Atlético hat am Mittwoch ziemlich schonungslos die aktuellen Münchner Schwächen offengelegt: zu wenig konkrete Gefahr im Strafraum (Lewandowski!), fehlende Körperlichkeit in der Rückwärtsbewegung (Thiago!), brotloses Eins-gegen-eins auf den Flügeln (Costa, Coman!). All das provoziert auch Fragen an den Trainer. Aber der alte Folklore-Slogan "Müller spielt immer" reicht da als Muster-Antwort nicht aus.

© SZ vom 29.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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