FC Bayern in der Champions League:Begegnung mit einem Geist

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Vor leeren Rängen: Xabi Alonso und der FC Bayern. (Foto: AFP)

"Es war ein komisches Spiel": Vor leeren Rängen und gegen ein sehr defensives ZSKA Moskau erlebt Bayern München den wohl grauesten Abend seiner Champions-League-Geschichte. Die Leistung der Abwehr gibt zu denken.

Von Thomas Hummel

Wäre der Hintergrund nicht so ernst, die Geschichte dieses Champions-League-Spiels im fernen Moskau könnte eine ganz abenteuerliche sein. Ein Spiel unter Ausschluss der Zuschauer hat ja etwas Puristisches, etwas Ursprüngliches. Auch etwas Konspiratives, denn es fühlt sich ein wenig an, als hätte eine Bande junger Menschen den Hausmeister überlistet und unerlaubt das größte Stadion der Stadt für einen Freizeitkick genutzt.

Dass eine Gruppe Bayern-Fans so viel Phantasie und Unternehmungslust hatte, sich in einem angrenzenden Hochhaus im 18. Stock ein Apartment mit Blick auf das Spielfeld zu mieten, geht in die Geschichte der außergewöhnlichsten Fanreisen ein. Sie machten von da oben so viel Lärm, dass sich am Ende Kapitän Philipp Lahm persönlich vom entfernten Spielfeld aus von ihnen verabschiedete.

Trotz des Hochhaus-Fanblocks sagte Lahm später im Keller der Arena Chimki: "Das hat keinen Spaß gemacht." Mit diesem Satz war fast alles über den Abend im fernen Russland gesagt. Der FC Bayern gewann sein zweites Gruppenspiel in der Champions-League-Gruppe E bei ZSKA Moskau durch einen Elfmeter von Thomas Müller in der 22. Minute. Vor leeren Rängen, gegen einen mit neun Spielern verteidigenden russischen Meister. Der Abend wird als einer der grauesten, biedersten, unemotionalsten in die Geschichte des FC Bayern München eingehen.

"Ein komisches Gefühl"

Spiele unter Ausschluss der Öffentlichkeit tragen den Beinamen "Geisterspiel", und tatsächlich äußerten sich die Münchner danach in einer Form, als wären sie einem Gespenst begegnet. "Wenn ich aus meinem Büro bei unserem Training zuschaue, ist das sympathischer, als das, was ich heute Abend hier erlebt habe", sagte der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge. Trainer Pep Guardiola sagte: "Das ist ein komisches Gefühl. Der Fußball ist für die Leute, nicht für uns. Ich hoffe, dass so etwas nicht wieder geschieht." Und Torschütze Müller meinte: "Normalerweise wird der Fußball für die Fans und Zuschauer gespielt. Wir sind ja in der Unterhaltungsbranche tätig, deswegen war das schon sehr seltsam und hat das, wofür man spielt, so ein bisschen in Frage gestellt."

ZSKA Moskau durfte zu diesem Spiel keine Zuschauer zulassen, weil seine Fans zuvor mehrfach mit rassistischen Aktionen aufgefallen waren. Viele Vereine in Russland haben Probleme in ihren Stadien, wo Rechtsradikale oft ungehindert ihre Parolen brüllen können und ihren Einfluss auf die Fanszene pflegen. Deshalb befürchten manche schon den Ausschluss einiger Vereine aus dem Europapokal, was angesichts der WM 2018 im Land brisant ist.

Bayern-Fans in Moskau
:Jubel aus dem 18. Stock

Not macht erfinderisch: Weil die Uefa ein Geisterspiel verlangt, mieten Fans des FC Bayern ein Appartement in einem anliegenden Hochhaus. Belohnt werden sie nicht nur mit dem Ausblick.

Von Saskia Aleythe

Das Problem ZSKA Moskau dürfte sich in dieser Europapokal-Saison bis Dezember von alleine lösen. Der russische Meister scheint mit der schweren Gruppe total überfordert zu sein und zog sich auf die Spielweise eines unterklassigen Pokal-Schrecks zurück. Nach dem 1:5 zum Auftakt in Rom konzentrierte sich Moskau gegen die Bayern auf das Schützen des eigenen Tores. Vor einer Fünfer-Abwehrreihe stand eine defensive Vierer-Mittelfeldreihe, so wollten die Moskauer ein zweites Debakel verhindern. Was ihnen insofern gelang, als die Münchner eben nur ein Tor zustande brachten. Ein energischer Antritt von Mario Götze mündete in ein Foul, den anschließenden Elfmeter verwandelte Müller sicher.

"Es war nicht nur wegen der nicht vorhandenen Fans ein komisches Spiel, sondern auch wegen der Spielweise des Gegners. Es war nicht leicht für uns", erklärte Müller. 77 Prozent Ballbesitz, 918:260 gespielte Pässe, 26:5 Flanken, 12:2 Ecken und 21:11 Torschüsse. Die Überlegenheit der Münchner war bisweilen drückend. Die 918 gespielten Pässe waren sogar Bayern-Rekord in der Champions League.

Was die Zahlen nicht ausdrücken: Moskau hatte in der ersten Halbzeit ein paar große Torchancen. Die neun Spieler hinten droschen den Ball einige Male zielgenau auf ihren einsamen Kameraden vorne, den kleinen Nigerianer Ahmed Musa. Und der lief einmal Medhi Benatia davon, als hätte dieser einen Rucksack voller Steine mit auf dem Platz genommen. Torwart Manuel Neuer musste retten. Später schoss Roman Eremenko an die Latte.

Der Gesamteindruck der Innenverteidigung Benatia und Dante fiel unter die Kategorie "bisweilen irritierend". Vor allem in der ersten Halbzeit hatten sie Probleme mit dem schnellen Musa. Ohne den diesmal geschonten Jérôme Boateng machte die Bayern-Abwehr einen verwundbaren Anschein. Nach der Pause allerdings spielten die Münchner derart dominant, dass Benatia und Dante nicht mehr in Bedrängnis kamen. Pep Guardiolas Idee, den Ball schon weit vor der letzten Abwehrreihe zu gewinnen und ihn dann einfach zu behalten, ging wieder auf.

Zwei Spiele, zweimal 1:0, Gruppenerster vor den beiden Treffen mit dem starken AS Rom. Es läuft wieder nach Plan für die Münchner. Ob mit oder ohne Zuschauer.

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