FC Bayern in der Champions League:Alarm in Moskau

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Bayern-Coach Pep Guardiola in Moskau. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Erst eine Bombendrohung im Mannschaftshotel, am Dienstag ein Spiel vor leeren Tribünen: Der FC Bayern kämpft bei ZSKA Moskau unter erschwerten Bedingungen. Trainer Guardiola setzt auf die Anpassungsfähigkeit seiner Spieler.

Von Johannes Aumüller, Moskau

Es ist wirklich ein großes Glück für die Fußball-Welt, dass Manuel Neuer in seinen Jugendjahren nicht nur auf den Trainingsplätzen von Schalke 04 so ein aufmerksamer Knabe war, sondern auch in den Klassenzimmern der Gesamtschule Berger Feld.

Und so gab sich der Torwart mindestens so gelassen wie bei einem algerischen Fünf-Mann-Konter, als sich für seinen FC Bayern am späten Sonntagabend im Moskauer Ritz-Carlton-Hotel in der üblichen Vorbereitung auf ein Champions-League-Spiel eine kleine Abweichung ergab: Alarm! Alle Mann aus dem Hotel, bitte! "Das war wie früher in der Schule, wenn mal der Alarm ausprobiert wurde und wir dann das Klassenzimmer verlassen mussten und uns alle auf dem Pausenhof versammelt haben", berichtete Neuer.

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Wobei, ein paar kleine Unterschiede hat es vielleicht doch gegeben: Erstens bekamen alle eine kuschelige Decke, zweitens fand sich in der Nähe des Roten Platzes schnell ein nettes Restaurant für den weiteren Aufenthalt. Und drittens dürfte sich der Pennäler Neuer damals wohl über eine möglichst lange Feueralarmübungspause gefreut haben - diesmal waren die Bayern ganz froh, dass sie nach knapp zwei Stunden wieder zurück in die Zimmer konnten.

Nun ist die Liste an listigen Sabotagetricks vor Fußballspielen so umfangreich, dass sie locker ein Halbjahr Geschichte in der Berger-Feld-Schule füllen würde. Wie sich der aktuelle Zwischenfall einreiht, bleibt wohl ungeklärt, zumindest wenn die Version des Hotel-Managements als Grundlage dient. Sie hätten einen Warnanruf wegen einer Bombendrohung erhalten und daraufhin planmäßig alle Sicherheitsprozeduren durchgeführt, hieß es. "Zum Glück haben wir nichts gefunden und die Gäste schnell wieder zurückgebracht."

So bleibt fürs Erste also ganz verschwörungstheorienfrei festzuhalten, dass sich in Moskau die Fälle häufen, in denen die Gegner unter ein paar ungewöhnlichen Rahmenbedingungen antreten müssen. Als 2013 Viktoria Pilsen aus Tschechien anreiste, fand sich nach einer regenreichen Woche in der ganzen 15-Millionen-Metropole Moskau leider kein einziges bespielbares Fußballstadion, daher wurde die Partie im 800 Kilometer entfernt gelegenen Sankt Petersburg ausgetragen. Als ein paar Wochen später der FC Bayern zu Gast war, blieb der Bus samt Ausrüstung im Stau stecken, und es gab statt des Abschlusstrainings einen lustigen Kick auf dem Hotelflur. Obendrein erfolgte das Spiel dann bei klirrender Kälte und ziemlich viel Schnee.

Und nun also: ein Feueralarm - sowie ein leeres Stadion, weil die Europäische Fußball-Union (Uefa) wegen der vielen rassistischen Vorfälle mit Fans von ZSKA Moskau entschieden hat, dass die Paarung unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet (siehe Text links)

. Die Bayern sind durchaus verwundert, dass diese Sanktion auch ihre Fans trifft, zumal "unter Ausschluss der Öffentlichkeit" ein sehr dehnbarer Begriff ist und doch ein paar Personen im Stadion sein werden. Zur Öffentlichkeit zählen nach offizieller Lesart der Uefa nicht: die Delegationen der Klubs, die Medien, das Sicherheitspersonal sowie "Uefa-Vertreter und -Partner". Sponsoren des Verbandes kommen also in den Genuss der Partie, Fans nicht.

Die Münchner Akteure wissen noch nicht so recht, was da auf sie zukommt, wenn nahezu alle Ränge unbesetzt sind. "Die Stimmung wird ein bisschen anders", erkannte Robert Lewandowski jedenfalls messerscharf, und auch sein Trainer Pep Guardiola glaubt, dass das "ein bisschen komisch" wird, "aber okay, wir müssen uns halt anpassen".

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Durch die wegfallende Publikumsunterstützung für ZSKA sind die Münchner nun ein noch viel größerer Favorit, als sie es vorher ohnehin schon waren, weshalb sie sich schon wieder dezente Mahnungen zurufen. Manuel Neuer erinnerte vorsichtshalber an das Auswärtsspiel bei Bate Borissow vor zwei Jahren, das der FCB 1:3 verlor, und Sportdirektor Matthias Sammer rechnete in seiner Matthias-Sammer-Mathematik vor, dass sie in Moskau wohl gewinnen müssen, wenn sie Gruppensieger werden wollen.

Welche Formation das tut, ist noch offen; es seien alle angereisten Spieler fit, sagte Guardiola am Montagmittag. Unter diesen angereisten Spieler ist auch Abwehrmann Jérôme Boateng, der zuletzt nicht nur wegen seines Tores gegen ManCity zum Auftakt der Gruppenphase seinen neuen Wert für die Elf bewies. Am Samstag nach dem Sieg in Köln hatte sich Guardiola geärgert, dass er Boateng so oft so früh auswechseln müsse, er wollte noch mal mit den Ärzten reden.

Auch die Gespräche über die nächtliche Hotelflucht sind noch nicht zu Ende. Man prüfe eine Kompensation wegen der entstandenen Unannehmlichkeiten, sagt das Management. Aber zum einen hat Manuel Neuer bereits amtlich vermerkt, dass er trotz der kleinen Aufregung gut geschlafen habe. Und zum anderen dürften drei weitere Pluspunkte in der Tabelle der Vorrundengruppe E für die Münchner eine genügende Kompensation bedeuten.

© SZ vom 30.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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