FC Bayern:Guardiolas Bayern, Opfer der eigenen Schönheit

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Pep Guardiola wollte möglichst viele Trophäen gewinnen, darauf hat er sein Denken und Lenken ausgelegt. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Mit jedem Titel in München hat sich Pep Guardiola weiterentwickelt. Jetzt hinterlässt er einen FC Bayern, der es nicht mehr so einfach haben dürfte.

Kommentar von Benedikt Warmbrunn

Die vielleicht größte Überraschung in diesem letztlich doch wenig überraschenden Meisterschaftsrennen war es, dass Matthias Sammer in seinem Mahnen einmal recht gehabt hat. Alle redeten im Sommer darüber, ob der FC Bayern im dritten Jahr unter Pep Guardiola endlich die Champions League gewinnen wird. Nur Sammer, der Sportvorstand, redete genau darüber nicht. Man dürfte sich das auch in der Bundesliga nicht so leicht vorstellen, sagte er. Wieder und wieder und wieder. Selbst im Herbst warnte Sammer, obwohl es da in der Bundesliga nach einem gemütlichen Spaziergang aussah.

Weil das so selten vorkommt, noch einmal ganz ausdrücklich: Der Mahnvorstand Sammer hat recht gehabt in seinem Mahnen.

Vom Ballkontakt-Fanatiker zum Pragmatiker

Vor dem letzten Spieltag hat der FC Bayern komfortable acht Punkte Vorsprung auf Borussia Dortmund, den ersten Verfolger, aber so klar war dieser Titelgewinn nicht. Zum vierten Mal in Serie hat die Mannschaft nun die Meisterschaft gewonnen - Bundesligarekord. Da dieser Titel auch abschließt mit den drei Jahren des Trainers Pep Guardiola in München, ist es aber auch einer, der zeigt, dass die Mannschaft zum Ende der Zeit des Katalanen Opfer ihrer eigenen Schönheit geworden ist.

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In seinem ersten Jahr in München hat Guardiola das Team mit missionarischem Eifer umgebaut, er war ein taktischer Revolutionär, wie ihn die Bundesliga noch nicht gesehen hatte. Er stellte Lahm ins zentrale Mittelfeld. Er holte Thiago, der einen Ballkontaktrekord nach dem anderen aufstellte. So viele Ideen hatte er, dass die Mannschaft historisch früh die Meisterschaft feierte. Es war der Titelgewinn, der noch am reinsten mit der ursprünglichen Spielidee des Trainers verbunden war.

Im zweiten Jahr näherten sich Trainer und Verein etwas an, gerade als viele Spieler fehlten, entdeckte Guardiola die Flügelspieler für sich, er erweiterte sein taktisches Repertoire um ein paar bajuwarische Varianten. Mit viel personaltaktischem Geschick rettete er die Mannschaft durch den Frühling, er musste dem Titel jedoch teilweise die Schönheit des Spiels opfern.

Applaus nach einem Befreiungsschlag

Im dritten und letzten Jahr in München hat sich Guardiola nun als Pragmatiker gezeigt. In der Hinrunde gewann der FC Bayern manche Spiele noch in berauschender Manier, allen voran beim 5:1 Anfang Oktober gegen Dortmund. Doch in der Rückrunde arbeitete Guardiola hauptsächlich als Ergebnistrainer, die Spielanlage war natürlich immer noch um einiges besser als bei früheren Titeln. Aber es war eben auch das eine oder andere knappe, müde, wenig ansehnliche Spiel dabei. Gegen Ingolstadt am Samstag applaudierte Guardiola gar nach einem Stilmittel, das in seinem Kosmos eigentlich eine Todsünde ist - nach einem Befreiungsschlag.

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Guardiola wollte möglichst viele Trophäen gewinnen, darauf hat er sein Denken und Lenken ausgelegt, nicht mehr darauf, dass sich die Mannschaft noch weiterentwickelt. In der Rückrunde zeigte die Mannschaft die Spitzen ihres Könnens daher vor allem in den Partien des Achtelfinales der Champions League gegen Juventus Turin oder im Rückspiel im Halbfinale am vergangenen Mittwoch gegen Atlético Madrid. Mit der Schönheit verschwand aber auch die Dominanz in der Liga. Hinter diesem pragmatischen Ansatz lauerte eine Dortmunder Mannschaft, die sich auch in der Rückrunde sehr wohl weiterentwickelte. Eine Mannschaft, die selbst Guardiola als eigentlichen Gewinner dieser Spielzeit würdigte.

Die neue Saison verspricht also wieder eine ganz nach dem Geschmack von Matthias Sammer zu werden. Sobald er wieder vollständig genesen ist, kann er davor warnen, den fünften Titel in Serie als eine Selbstverständlichkeit zu sehen, und wahrscheinlich hat er wieder recht.

© SZ vom 08.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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