FC Bayern gegen Leipzig:"Maximaler Erfolg" im Sparmodus

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Erfreute Bayern, jetzt auch wieder an der Tabellenspitze. (Foto: Stuart Franklin/Bongarts/Getty Images)
  • Die Bayern sind nach dem 2:0 über Leipzig zufrieden: mit der Tabellenführung und der eigenen Bilanz.
  • Doch es gibt auch kritische Stimmen: Jérôme Boateng moniert eine "ganz schlechte" zweite Halbzeit.
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Aus dem Stadion von Maik Rosner

Hinterher war Jupp Heynckes beinahe verdutzt, als er von den kritischen Anmerkungen seiner Spieler hörte. Zu wenig Tempo und Tordrang hatten Jérôme Boateng und Arjen Robben nach dem 2:0 (2:0) gegen RB Leipzig moniert. "Ich habe mehr Erfahrung", sagte ihr 72 Jahre alter Trainer dazu mit einem Lächeln und verwies auf die anstehende Dienstreisen zum Spiel in der Champions League bei Celtic Glasgow am Dienstag und am Samstag zu Borussia Dortmund. Wichtiger als viele Tore zu erzielen seien die Stabilität und das Positionsspiel gewesen, sagte Heynckes: "Für mich war es wichtig, wieder zu Null spielen zu können."

Mit den Händen in den Jackentaschen hatte Heynckes Mitte der zweiten Halbzeit in seiner Coachingzone gestanden und dem gedimmten Treiben seiner Belegschaft fast so gelassen zugeschaut wie einem Fußballspiel, das er zu Hause vom Sofa aus verfolgt. Durch die Tore von James Rodríguez (19.) und Robert Lewandowski (38.) führte seine Mannschaft längst gegen Leipzig, das seit der roten Karte gegen Willi Orban (13.) zudem in Unterzahl agieren musste.

Und als die Münchner ihren Vorsprung völlig ungefährdet ins Ziel gebracht hatten, konnten sie beschwingt in den Samstagabend ziehen. So sah es jedenfalls ihr Trainer. "Meine Mannschaft hat es verstanden, das Spiel zu kontrollieren und clever zu gestalten", lobte Heynckes später. Anlass zu Kritik sah er nicht, schon gar nicht nach diesem Prestigeerfolg.

Die Bayern sind nun Tabellenführer

Erstmals übernahmen die Bayern in dieser Saison die Tabellenführung, nachdem Dortmund 2:4 bei Hannover 96 verloren hatte. Außerdem durften sie nach ihrem fünften Sieg im fünften Auftritt unter Heynckes den zehnten Spieltag in dem Gefühl beschließen, den Angriff des aufstrebenden Konkurrenten aus Leipzig vorerst abgewehrt zu haben. "Wir haben maximalen Erfolg, seit Jupp da ist, wir haben alles gewonnen", sagte Arjen Robben und erinnerte an den zwischenzeitlichen Rückstand von fünf Punkten, der sich drei Spiele später in drei Punkte Vorsprung gewandelt hat. "Das ist Wahnsinn", sagte Robben.

"Das war für uns natürlich ein toller Spieltag", befand auch Jérôme Boateng. Der Innenverteidiger monierte aber: "Die zweite Halbzeit spielen wir ganz schlecht mit einem Mann mehr. Darüber müssen wir sprechen, das geht so nicht." Mit Fortsetzungsgeschichten verhält es sich ähnlich wie mit sogenannten Topspielen. Zuweilen halten sie nicht, was sich das Publikum von ihnen verspricht. Die Frage vor dem zweiten Teil des Vergleichs zwischen dem deutschen Branchenführer FC Bayern und den forschen Leipzigern war nun, wie es läuft, wenn Fortsetzungsgeschichte und Topspiel auf ein Ereignis fallen. Vor allem dann, wenn ihnen ein aufreibender Pokalkrimi über 120 Minuten samt Elfmeterschießen vorausgegangen war, der drei Tage zuvor erheblich an den Kräften und Nerven gezehrt hatte.

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Aus dem Stadion von Martin Schneider

Das Ergebnis war ein einseitiger Spielfilm, der nie in die Nähe eines packenden Thrillers kam, weil die Handlung vorhersehbar geriet und die Pointen fehlten. Einmal abgesehen davon, dass Leipzig in dieser Begegnung wie schon im Pokal über weite Strecken in Unterzahl agieren musste. Anders als am Mittwoch, als Naby Keita nach seiner gelb-roten Karte nach 54. Minuten vom Feld musste, hatte Orban die rote Karte nun allerdings so früh gesehen, dass die Spannung schon entwich, bevor sie überhaupt richtig aufkommen konnte. "In der Halbzeit hätten wir eigentlich nach Hause gehen können", sagte Leipzigs Trainer Ralph Hasenhüttl. Kritik am Schiedsrichter wollte er diesmal allerdings nicht üben, anders als nach dem Pokalspiel. Der Platzverweis sei "regelkonform" gewesen, sagte Hasenhüttl.

Eigentlich hatten beide Trainer nach cineastischem Vorbild versucht, die Fortsetzungsgeschichte durch Neubesetzungen aufzupeppen. Je drei Mal tauschten Heynckes und Hasenhüttl ihr Personal. Bei den Münchner spielten Javier Martínez, Sebastian Rudy und James Rodríguez für Arturo Vidal, Corentin Tolisso und Kingsley Coman, der wegen seiner jüngsten Knieprellung gar nicht im Kader stand. Bei den Leipzigern rückten für Bernardo, Kevin Kampl und Jean-Kévin Augustin Lukas Klostermann, Diego Demme und Timo Werner in die Startelf.

Bei Werner schwang auch ein therapeutischer Ansatz mit, nachdem der deutsche Nationalstürmer am Mittwochabend jenen entscheidenden Elfmeter nicht verwandelt hatte, der die 4:5-Niederlage nach sich zog. Heraus kam nun allerdings ein Spiel, dessen therapeutische Wirkung aus Sicht der Leipziger das Gegenteil jenes Effektes nach sich zog, den sie sich vom Gegenbesuch erhofft hatten. Das galt nicht nur für Werner, der bereits nach 22 Minuten mit seiner Auswechselung aus taktischen Gründen wieder vom Dienst befreit wurde. Es galt für die Leipziger insgesamt.

Denn Werners Herausnahme war ja auf den Platzverweis von Orban gefolgt, nachdem dieser Robben als letzter Mann kurz vor dem Strafraum zu Fall gebracht hatte. Schiedsrichter Daniel Siebert kramte nach Ansicht der TV-Bilder die rote Karte aus seiner Gesäßtasche. "Das darf uns nicht passieren. Das müssen wir abstellen, wenn wir gegen die Bayern gewinnen wollen", sagte Marcel Sabitzer nach dem dritten Platzverweis gegen Leipzig in den bisher vier Spielen gegen die Münchner.

Was folgte, war ein Drehbuch fast wie gemalt für die Münchner. Einmal abgesehen von Lewandowskis Oberschenkelblessur, wegen der der einzige echte Angreifer im Kader kurz vor der Pause den Dienst quittieren musste, was Boateng nach den Ausfällen der Offensivkräfte Thomas Müller, Franck Ribéry und Coman als "besorgniserregend" bezeichnete. Heynckes glaubt aber, dass Lewandowskis Verletzung "nicht ganz so gravierend ist". Eine genaue Diagnose stand am Samstagabend noch aus.

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