Europa League:Klopp in Augsburg: "Sollen beim Abendessen Brezn dazulegen"

Lesezeit: 3 min

Von den Fans verehrt: Trainer Jürgen Klopp ist beim FC Liverpool schon Kult. (Foto: dpa)
  • Jürgen Klopp ist beim FC Liverpool schon nach wenigen Monaten als Trainer Kult.
  • Beim Europa-League-Spiel in Augsburg muss sich aber zeigen, ob seine Elf auch sportlich Fortschritte macht.
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Von Sven Haist, London

Jürgen Klopp war offensichtlich froh, mal wieder zu Hause zu sein. Der Trainer des FC Liverpool saß am Mittwochabend im grauen Trainingsanzug vor den Journalisten in Augsburg - und sprach eigentlich gar nicht über Fußball, sondern vor allem über Deutschland. Er sei ja selbst aus dem Süden der Republik, sagte er: "Und ich mag die Lebensart hier." Oder: "Ich habe in der Küche Bescheid gesagt, dass sie beim Abendessen Brezn dazulegen sollen." Natürlich machte er auch ein paar Witze. Zum Beispiel, als er gebeten wurde, sich selbst mit Markus Weinzierl zu vergleichen, dem Trainer des FC Augsburg: "Wir konnten beide nicht besonders gut kicken und durften trotzdem in der Bundesliga trainieren." Er brummte, lachte und grinste sein typisches Grinsen.

Mit der Mischung aus trockenen Bonmots und emotionalen Ausbrüchen auf dem Rasen hat Klopp, 48, seit seiner Ankunft in Liverpool längst auch die Insel emotionalisiert. Nun stellt er in der Europa League gegen den FC Augsburg der deutschen Öffentlichkeit erstmals seinen neuen Klub vor, neun Monate, nachdem er für Borussia Dortmund im DFB-Pokalfinale sein bislang letztes Pflichtspiel in Deutschland beaufsichtigte. Nach nur 133 Tagen liegen ihm die Reds fast schon so zu Füßen wie einst die Fans in Dortmund, obwohl die Verständigung noch etwas hakt: "Ich könnte mehr sagen, aber mein Englisch ist nicht gut genug", sagte Klopp kürzlich.

Die folkloristische Zuneigung der Anhänger basiert bislang aber nicht zwingend auf den sportlichen Errungenschaften des Trainerteams, sondern auf Gesten. Zuletzt setzte sich Klopp für die Anhängerschaft ein, die gegen eine Preiserhöhung bei Eintrittskarten für die kommende Saison protestierte. Selbstverständlich ließ das den Kult um Klopp weiter ansteigen, bei den Fanartikeln besitzt der Trainer inzwischen eine eigene Kollektion. Werbekampagnen braucht der Verein nicht, um den Absatz zu steigern. Das Produkt Klopp verkauft sich von alleine, egal ob auf Tassen, Wimpeln oder Kleidungsstücken.

Die hohen Beliebtheitswerte macht Klopp sich auch gegenüber den Schiedsrichtern zunutze. Seine Schimpftiraden haben auf der Insel - ungestraft - noch einmal an Intensität zugenommen. Selbst die eigenen Spieler können sich vor seinen Wutausbrüchen nur sicher sein, wenn sie ähnlich erfolgreich spielen wie beim 6:0 über Aston Villa am vorigen Sonntag. Trotzdem kämpften sich die Reds unter Klopps Anleitung in der Premier League bislang lediglich von Rang zehn auf acht vor. Diese Stagnation in der Tabelle kommt den alteingesessenen Trainern und Experten in England entgegen, denen der anfängliche Höhenflug des Neulings ebenso missfiel wie der jäh einsetzende Hype um ihn. Man hört sie nun immer wieder mal spötteln.

Natürlich ist auch auf der Insel inzwischen aufgefallen, was in der Klopp'schen Spätphase in Dortmund ebenfalls Thema war: dass sein Team auswärts besser auftritt, weil dort das laufintensive Klopp-Spiel, das auf direkte Balleroberung ausgerichtet ist, besser funktioniert als an der heimischen Anfield Road, wo die Gästeteams sich gerne in ihrer Hälfte verbarrikadieren.

Wie schon beim BVB jagen die Reds den ballführenden Gegenspieler übers Feld, im Erfolgsfall kombinieren sie sich dann auf direktem Weg vors andere Tor. Diese Spielweise bescherte Liverpool ein 4:1 bei Manchester City und ein 6:1 in Southampton - zu Hause konnten die Liverpudlians die aufgekommenen Erwartungen aber in unschöner Regelmäßigkeit nicht bestätigen.

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(Foto: Getty Images)

"I told Arsène why I was on the tree." - Klopp über eine Fehlentscheidung im Spiel gegen Arsenal. Nicht sein erstes bemerkenswertes Englisch-Zitat...

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(Foto: dpa)

"Hamstring ist the shit-word of the year for me." Klopp angesichts der Verletztenmisere bei Liverpool (hamstring = hinterer Oberschenkel).

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(Foto: dpa)

"I can speak like a waterfall." Klopp während eines Interviews mit einem 9-jährigen Fan auf die Frage nach seiner größten Stärke.

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(Foto: REUTERS)

"I have a zero eight fifteen face." Bei seiner Vorstellung darüber, dass er einen Doppelgänger in Liverpool habe.

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"It's not a wish concert." Klopp nach dem Spiel gegen Manchester United, über die Aufstellung angesichts der langen Verletztenliste.

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(Foto: AFP)

"Sometimes one thing comes to the other." Schon wieder Verletzungen: Klopp noch als Dortmund-Trainer über die Seuche beim BVB.

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(Foto: REUTERS)

So unterhaltsam sie sind: Klopp ärgert sich über die Denglisch-Witze der englischen Presse: "Wenn ich mit meinem Englisch einen Fehler mache, ...

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(Foto: REUTERS)

...wird nicht versucht, das richtigzustellen, sondern der Fehler wird einfach genommen, um der Geschichte einen dramatischen Unterton zu verleihen."

Auch Klopp beginnt zu merken, dass die extreme Zahl an Pflichtspielen in England eine derart kraftraubende Intensität über einen langen Zeitraum kaum zulässt. Zumal die Vorbereitungsphase im vorigen Sommer noch vom Trainer Brendan Rodgers gestaltet wurde, dessen Herangehensweise an ein Fußballspiel sich doch deutlich von seinem Nachfolger unterscheidet. So gesehen ist es vielleicht sogar ein Vorteil, dass der FC Liverpool den Ballast des FA-Cups mittlerweile los ist.

Verschleiß im Kader

Der Verschleiß in Liverpools Kader stellte sich geballt über Neujahr ein, als eine ganze Elf verletzungsbedingt ausfiel. Klopp musste ein besseres Nachwuchsteam ins Rennen schicken, und nicht nur in diesen Partien fiel auf, dass Klopp ein Abwehrchef fehlt, wie er ihn in Dortmund mit Mats Hummels hatte. Nicht zufällig präsentierte der Verein in dieser Woche den Schalker Joel Matip als ersten Zugang für die neue Saison - eine Personalie, die auf Klopps Einfluss zurückzuführen ist.

Es wird spannend sein zu beobachten, ob mit Klopp etwas mehr Kontinuität einzieht. In den vergangenen fünf Jahren hat der FC Liverpool 50 Spieler verpflichtet, umgerechnet etwa eine Startelf pro Spielzeit. Immerhin waren auch drei offensive Hoffnungsträger dabei, der brasilianische Spielmacher Coutinho, sein Landsmann Roberto Firmino und - der allerdings verletzungsanfällige - Daniel Sturridge. Die Altersstruktur des Trios erweckt immerhin die Hoffnung, dass sie die sogenannten Heiligen Drei Könige - Sturridge, Suárez, Sterling - aus der Saison 2013/14 irgendwann ersetzen können. Die drei ließen den FC Liverpool damals mit 62 Toren bis kurz vor Schluss vom Meistertitel träumen.

Schalke 04
:Warum Schalke 04 keine Millionen für Joel Matip kassiert

Seit er neun Jahre alt ist, spielt Joel Matip für den FC Schalke 04. Im Sommer wechselt er ablösefrei nach Liverpool, weil der Verein im Frühjahr die Vertragsverhandlungen stoppte.

Von Philipp Selldorf

Von Rang eins hat sich der FC Liverpool um 15 Punkte entfernt, aber im Ligapokal hat Klopp die Chance, sein Titelversprechen einzulösen. "Wenn ich in vier Jahren hier sitze, bin ich ziemlich zuversichtlich, dass wir einen Titel gewonnen haben", kündigte Klopp bei seiner Vorstellung an. Und dann ist da natürlich noch die Europa League. Aber da steht jetzt erst mal der FC Augsburg im Weg.

© SZ vom 18.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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