Dortmunder 1:0 in München:"Wir haben die Sterne vom Himmel verteidigt"

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Sie haben es wieder getan: Zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate gewinnt Borussia Dortmund in München und verleitet Trainer Jürgen Klopp zu kosmischem Lob. Dabei siegt seine Mannschaft auf eine ganz untypische Dortmunder Weise.

Carsten Eberts, Fröttmaning

Mats Hummels vollführte zunächst ein Tänzchen mit Felipe Santana, dann machte er sich auf den Weg in Richtung Münchner Haupttribüne, wo er befreundete Gesichter entdeckt hatte. Freudestrahlend klatschte Hummels diverse ebenfalls freudestrahlende Menschen in gelben Trikots ab, umarmte manche, ließ am Ende sogar sein verschwitztes Leibchen da. Teamkollege Kevin Großkreutz fasste schließlich Hummels' Gefühlszustand und den aller anderen Dortmunder trefflich zusammen: "Das haben wir heute richtig gut gemacht. Wir sind einfach eine geile Truppe."

Der Dortmunder Trainer Jürgen Klopp im Münchner Stadion: "Wir haben die Sterne vom Himmel verteidigt." (Foto: AFP)

Der Dortmunder 1:0-Sieg in München vom Samstagabend war nicht nur deshalb bemerkenswert, weil die Münchner erstmals nach zuletzt sechs Heimsiegen wieder zu Hause verloren. Es war vor allem der zweite Dortmunder Auswärtserfolg beim FC Bayern innerhalb weniger Monate: Schon im Februar hatte der BVB 3:1 in München gewonnen und mit faszinierenden Offensivfußball überzeugt - und dabei den womöglich entscheidenden Schritt zur späteren Meisterschaft gemacht.

An diesem Samstagabend war die Dortmunder Kernkompetenz eine andere, das gab auch Trainer Jürgen Klopp zu. Statt pfeilschneller Offensivkunst war es eher die bemerkenswerte defensive Organisation der Dortmunder, die den FC Bayern vor Probleme stellte. "Wir haben heute sicher nicht die Sterne vom Himmel gespielt", fasste Klopp den Abend in gewählten Worten zusammen, "aber wir haben die Sterne vom Himmel verteidigt."

In der Tat hatte Klopp sein Team, das in der 65. Minute durch Mario Götze zum entscheidenden Tor kam, ziemlich perfekt auf die Münchner eingestellt. Er wusste, dass der verletzte Dirigent Bastian Schweinsteiger dem Rekordmeister fehlte. Mit der Rückbeorderung von Toni Kroos versuchte Bayern-Trainer Jupp Heynckes zwar, diese Lücke zu schließen. Dafür fehlte Kroos jedoch als Schaltstelle in der Offensive - dies nutzten die Dortmunder aus.

Klopps Spieler begannen von der ersten Sekunde an, allen weiteren Bayern-Akteuren in der Offensive mächtig zuzusetzen: dem gerade erst genesenen Arjen Robben, auch den glücklosen Franck Ribéry und Thomas Müller, Mario Gomez sowieso. Nicht ängstlich, wie all die anderen Teams, die in dieser Saison München bereisten, sondern forsch und ausgesprochen mutig. Vor allem der junge Sven Bender lieferte eine bemerkenswerte Partie ab, auch Sebastian Kehl, dazu erneut Marcel Schmelzer, der Robben schon beim letzten Dortmunder Sieg in München nahezu aus dem Spiel genommen hatte.

"Wir haben überraschend wenig zugelassen und gegen den Ball ein überragendes Spiel gemacht", verteilte Klopp ordentlich Lob. Das merkten auch die Bayern: "Wir hatten insgesamt zu wenig Bewegung im Spiel nach vorne. Unser Offensivspiel war nicht so geprägt von Aktionen oder großem Laufradius", erklärte Philipp Lahm. Anders formuliert: Die Dortmunder ließen es nicht zu. Sie waren am Ende satte zehn Kilometer mehr gelaufen als die Münchner.

Wer nun jedoch Dortmunder Kampfansagen erwartete, der wurde enttäuscht. Gleich dreimal wurde Kevin Großkreutz von einem Fernsehreporter gefragt, ob der BVB nun seinen Meistertitel verteidigen wolle. Großkreutz ist diesbezüglich normalerweise ein dankbarer Gesprächspartner, weil er gerne zur Euphorie neigt. Diesmal jedoch entgegnete er: "Bayern ist Favorit, Bayern bleibt Favorit. Wir bleiben ruhig und ziehen unser Ding durch." Dieses Ziel, so klärte Großkreutz auf, hieße weiterhin internationales Geschäft.

Einzelkritik FC Bayern
:Tiefschläfer und Teetrinker

Arjen Robben verzückt die Fans nur bei der Verkündung der Mannschaftsaufstellung, Mario Gomez gönnt sich zwischenzeitlich ein dampfendes Tässchen - und Thomas Müller ist sogar zu schnell für Thomas Müller. Die Bayern beim 0:1 gegen Dortmund in der Einzelkritik.

Carsten Eberts, Fröttmaning

Auch Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke hatte seine Mühe, die Fragen nach der veränderten Tabellenkonstellation als unberechtigt zu verkaufen. "Wir sind ruhig geblieben, als wir innerhalb einer Wochen gegen Hertha und Hannover verloren haben", erklärte Watzke sorgfältig formuliert: "Wir bleiben auch ruhig, wenn wir bei Bayern München gewinnen. Das ist unsere spezielle westfälische Art."

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Carsten Eberts, Fröttmaning

Die westfälische Art wird in dieser eminent wichtigen Woche noch zweimal auf die Probe gestellt. Der Sieg in München war gut für die Lage in der Liga, ein weiterer Erfolg gegen Arsenal London am Mittwochabend wäre gut für die Lage in der Champions League. Und ein dritter Erfolg am kommenden Wochenende gegen Schalke 04 wäre ebenfalls gut, nun ja, zuallererst für das Dortmunder Seelenheil.

Ganz schaffte es Watzke dann doch nicht, den Stolz über den neuerlichen Coup zu verbergen. "Der Trend geht schon seit Wochen nach oben", erklärte er nach dem siebten Bundesligaspiel in Serie ohne Niederlage. Fast ein wenig ärgerlich wurde der Geschäftsführer sogar, als er auf Philipp Lahm angesprochen wurde - und auf dessen Wertung des Spiels. Die Bayern seien über 90 Minuten das bessere Team gewesen, hatte Lahm erklärt, die Dortmunder Chance zum 1:0 von Mario Götze sei "aus dem Nichts" gekommen.

Watzke sah das grundlegend anders. "Dass das Spiel auch unentschieden ausgehen kann, ist natürlich klar. Aber wenn Philipp Lahm meint, sie hätten mehr Chancen gehabt, habe ich mir wohl welche eingebildet." Er meinte die guten Gelegenheiten seiner Dortmunder, etwa jene von Shinji Kagawa, der völlig frei an Bayern-Keeper Manuel Neuer scheiterte (58.). Oder das Abseitstor von Robert Lewandowski, das in der 74. Minute aberkannt wurde. Hochwertigere Gelegenheiten hatten auch die Bayern nicht, der Dortmunder Sieg ging somit in Ordnung.

Was fehlte den Dortmundern an diesem Abend noch zu ihrem Glück? Natürlich, ein Treuebekenntnis von Mario Götze, ihrem Siegtorschützen und wichtigsten Spieler. Dem widerfuhr zuletzt, was jedem jungen Bundesligastürmer passieren muss, der sich allzu schnell und allzu eindrucksvoll in höchste Sphären spielt: Er wird mit anderen Klubs in Verbindung gemacht, nicht zuletzt mit dem FC Bayern, der grundsätzliches Interesse an Götze nicht dementiert hatte.

Götze enttäuschte seine Anhänger nicht. "Ich habe das Dortmund-Trikot an, spiele für diesen Verein und bin sehr glücklich hier", erklärte Götze, bevor er in den Mannschaftsbus entschwand. Die Sterne vom Himmel gelogen hatte er damit sicher nicht.

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