Dortmund und Gladbach:Borussias extreme Gesichter

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Zweifacher Torschütze in Hannover: Strahlemann Pierre-Emerick Aubameyang. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Die eine Borussia wankt, auf die andere ist als Bayern-Jäger Verlass: Gladbach und Dortmund scheinen ihre Rollen in dieser Saison zu tauschen.

Kommentar von Sebastian Fischer

Der Legende nach war das Bier schuld. Es soll turbulent zugegangen sein im Restaurant "Zum Wildschütz" am 19.12.1909, als 18 Mitglieder der Jugendgruppe der katholischen Dreifaltigkeitsgemeinde in Dortmund einen Fußballverein gründeten. Weil eine Brauerei gleich um die Ecke lag, so steht es in der BVB-Chronik, benannten sie den Verein nach ihr: Borussia. Knapp 106 Jahre später ist das immer noch eine gute Nachricht für den deutschen Fußball. Beziehungsweise: wieder.

Borussia, so hieß am Ende der vergangenen Saison einer der vorsichtigen Verfolger des deutschen Meisters FC Bayern - Borussia Mönchengladbach freilich. Die Mannschaft von Trainer Lucien Favre begeisterte mit einer weise ausgetüftelten, aber einfach und dynamisch vorgetragenen Spielweise und wurde Dritter. Die Geschichte von der Borussia, die den Bayern gefährlich wird, sollte sich eigentlich in dieser Spielzeit fortsetzen. Und sich bestenfalls weiter zuspitzen. Macht sie auch, eine Borussia wird in diesem Jahr wohl den Meister herausfordern können. Doch die Geschichte lautet anders als gedacht: Die Borussia aus Mönchengladbach ist mit null Punkten Letzter. Und die Borussia aus Dortmund von 1909 Tabellenerster.

Augsburgs Niederlage beim FC Bayern
:"Wir sind beschissen worden!"

Die Augsburger toben nach dem zu Unrecht verhängten Elfmeter für die Bayern in der 88. Minute. Der Schiedsrichter entschuldigt sich - sogar Philipp Lahm zeigt Verständnis.

Aus dem Stadion von Maik Rosner

Nach vier Spielen verschwinden ja langsam die kuriosen Zufälligkeiten aus dem Tableau, es zeichnen sich erste Trends ab. Dass der BVB in Hannover zunächst in Rückstand geriet und den Ausgleich zum 2:2 bekam, drohte den Trend zunächst auf den Kopf zu stellen. Doch wie die Mannschaft von Trainer Thomas Tuchel das Spiel drehte, wie Pierre-Emerick Aubameyang den Ball vom Elfmeterpunkt lässig zum 4:2-Endstand ins Tor lupfte - das bestätigte die Eindrücke der ersten Wochen: Die Borussia dieser Saison hat mit der, die vor genau einem Jahr auf den Abstiegskampf zusteuerte, nichts mehr zu tun.

Eberl, der Mahner, findet die Lage "sehr ernüchternd"

Beim 4:0-Sieg des BVB gegen die andere Borussia am ersten Spieltag hatte es noch wie eine Laune des Sommers gewirkt, wie die Dortmunder den Ball vor den Gladbachern her spielten, als wären sie Komparsen in einem Lehrfilm. Doch mittlerweile hat Gladbach viermal verloren, bei einem Torverhältnis von 2:11. Und Dortmund viermal gewonnen, Torverhältnis: 15:3. Als sich die Gladbacher beim 0:3 am Freitagabend chancenlos dem Hamburger SV ergaben, war nichts zu sehen von den Schnellangriffen über die Flügel aus dem Vorjahr, nichts vom Esprit, der Vergleiche mit der Fohlenelf der Siebzigerjahre heraufbeschworen hatte. Es war ein verwirrendes Bild, denn die Erfolge der Vorsaison sind ja noch präsent. An die erinnert gerade nur der Gladbacher Gegner am Dienstag: FC Sevilla, Champions League.

Manager Max Eberl hat stets davor gewarnt, Wunder von der Mannschaft zu erwarten, die mal wieder Stützen verloren hat, was die Zugänge bislang nicht kompensieren können. Zudem sind wichtige Spieler wie Patrick Herrmann und Martin Stranzl (seit Freitag schon wieder) verletzt, andere wie Ideengeber Raffael lassen sich von der allgemeinen Verunsicherung anstecken. Nicht an die Fohlenelf, sondern an die andere Borussia aus der Hinrunde der Vorsaison erinnert Gladbach gerade. "Schon ernüchternd", sagte Eberl. Und sein Kollege Michael Zorc in Dortmund wird nachträglich für die kritisierte Transferpolitik der vergangenen Jahre entschädigt. Kein Neuer ist für den Aufschwung verantwortlich, die Ideen von Trainer Tuchel werden von als Fehleinkäufe verschrieenen Spielern wie dem gegen Hannover wieder starken Henrikh Mkhitaryan umgesetzt. Eine Borussia hat Probleme, auf die andere ist als Bayernjäger Verlass - vielleicht wird das zum Programm.

Borussia, das ist übrigens die neulateinische Bezeichnung für Preußen. Und das führt wiederum zu einer schlechten Nachricht für den nach Spannung lechzenden deutschen Fußball. Denn was die Bayern von den "Preißn" halten, das zeigen sie in Zeiten des bald beginnenden Oktoberfests ganz besonders gerne: nicht so viel. Sie machen lieber ihr eigenes Ding. Und gewinnen selbst dann, wenn in ihrer Arena der FC Augsburg wie am Samstag bis kurz vor dem Ende führt - und der siegbringende Elfmeter zum 2:1 eigentlich gar keiner ist.

© SZ vom 13.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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