Dopingfall Sachenbacher-Stehle:Das Bild der naiven Athletin

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Positiver Dopingtest in Sotschi: Evi Sachenbacher-Stehle (Foto: dpa)

"Fünf, sechs, sieben" Nahrungsergänzungsmittel habe Evi Sachenbacher-Stehle genutzt, erklärt der DOSB. Von vorsätzlichem Doping geht die Verbandsspitze weiterhin nicht aus. Trotzdem wurden die Wohnung der Biathletin und der Olympiastützpunkt in Ruhpolding durchsucht.

Von Carsten Eberts, Krasnaja Poljana

Spätabends wurde es um Uwe Müßiggang endlich einsam. Der Biathlon-Bundestrainer saß im "Kufenstüberl" im Deutschen Haus, das halb geleerte Bierglas vor sich. Er lauschte der Musik des Wirtshaustrios, das viel zu fröhliche Musik spielte für so einen Tag.

Öffentlich reden wollte Müßiggang nicht mehr, nur sitzen und Bier trinken. Er hatte so viel geredet in den Stunden zuvor. Eine seiner Athletinnen, Evi Sachenbacher-Stehle, war am drittletzten Tag der Winterspiele von Sotschi positiv auf eine verbotene Substanz getestet worden. Sein Blick sagte alles: Es war ein fürchterlicher Tag gewesen.

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Um ein Haar wäre in Sotschi angesichts all der Empörung über Trauerflor-Verbote und Putin-Kungelei ein weiteres Übel in den Hintergrund gerückt: Doping. Der Fall Evi Sachenbacher-Stehle sieht nun wie ein Erfolg fürs Testsystem aus - ist er aber nicht.

Ein Kommentar von Claudio Catuogno

Der Dopingfall Sachenbacher-Stehle überschattet das letzte Wochenende der Winterspiele in Sotschi. Es gibt nun drei offizielle Dopingfälle - den des italienischen Bobfahrers William Frullani, den der ukrainischen Langläuferin Marina Lisogor und den der Deutschen. Sachenbacher-Stehle beteuert in einem offiziellen Statement, auf keinen Fall wissentlich gedopt zu haben.

Gefunden wurde das Stimulans Methylhexanamin, das in manchen Energieriegeln enthalten ist, aber auch gezielt zum Fettabbau und Muskelaufbau verwendet werden kann. Sachenbacher-Stehle wurde suspendiert und von den Olympischen Spielen ausgeschlossen, all ihre Resultate wurden annulliert. Sie ist bereits abgereist, das wurde am Freitag bekannt. Auf Facebook kam es zu Anfeindungen, die Seite ist mittlerweile nicht mehr erreichbar.

Am Samstag kommt dann die Neuigkeit, dass auf Anordnung der Staatsanwaltschaft München I bereits ihre Wohnung und der Olympiastützpunkt in Ruhpolding durchsucht wurden. Dies geschah ungewöhnlich schnell, schließlich hatte das Internationale Olympische Komittee (IOC) den Fall am Freitagabend erst kurz vor 23 Uhr offiziell bestätigt.

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Ermittelt werde wegen "unerlaubten Inverkehrbringens von Arzneimitteln zu Dopingzwecken", nicht gegen die Sportlerin selbst, sagte ein Sprecher. In einem der Gebäude seien Nahrungsergänzungsmittel gefunden worden. Wie diese im Zusammenhang mit dem Dopingfall stehen, ist noch nicht bekannt.

"Es ist klar, dass das Umfeld untersucht werden muss, wer das Zeug besorgt hat und mit welchen Kenntnissen", sagte DOSB-Generalsekretär Michael Vesper am Samstag bei einer Pressekonferenz. Die offizielle Version der Athletin und des DOSB ist, dass Sachenbacher-Stehle von ihrem Mentaltrainer einen Energieriegel erhalten hat, in dem die verbotene Substanz enthalten war. "Fünf, sechs, sieben" Produkte habe Sachenbacher-Stehle genutzt, sagte Vesper.

Gedopt aus Unwissen, auch DOSB-Präsident Alfons Hörmann will sich dieser Version anschließen. Bei der Bilanzpressekonferenz am Samstagmorgen äußerte er seine Betroffenheit, aber auch sein Grundvertrauen in die Athletin. "Das hätte in dieser Weise nicht passieren dürfen", sagte Hörmann. Bis zum Freitag habe es jedoch keinen Zweifel an Sachenbacher-Stehles Integrität gegeben.

Angesprochen auf das Jahr 2006, als Sachenbacher-Stehle wegen erhöhter Hämoglobinwerte schon einmal auffällig wurde, sagte Hörmann nur: "Damals war es eine Schutzsperre." Auch Vesper sagte: "Ich glaube ihr, dass sie nicht dopen wollte." Für die DOSB-Spitze sei es jedoch "nicht nachvollziehbar, dass sich eine so erfahrene Athletin einer solchen Gefahr ausgesetzt hat".

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All dies zeichnet das Bild einer naiven Athletin, die mit den strengen Dopingbestimmungen, denen Profisportler unterliegen, überfordert war. Für den DOSB wäre dies die verträglichste aller Erklärungen. Von Team-Ärzten seien ihr diese Nahrungsergänzungsmittel jedenfalls nicht verabreicht worden, sagte Vesper: "Das war ihre private, persönliche Entscheidung. Sie hat gesagt, dass sie mit einem Mentaltrainer zusammenarbeitet, von dem sie die Produkte bekommen hat."

Auch andere Athleten können sich nicht vorstellen, dass Sachenbacher-Stehle wissentlich gedopt hat. Etwa Maria Höfl-Riesch, die Olympiasiegerin und Fahnenträgerin des deutschen Teams. Auch sie ist spätabends noch ins Deutsche Haus gekommen, nach ihrem vierten Platz im Slalom. Jeder Sportler müsste Zusatzprodukte nehmen, um seinen Mineralien-Haushalt in Ordnung zu halten, erklärte Höfl-Riesch.

Es sei "unglaublich schwer" für die Athleten, alle Richtlinien einzuhalten. Für Sachenbacher-Stehle sei es ein "unglaubliches Pech", dass sie ein Mittel erwischt habe, das auf der Dopingliste steht, sagte Höfl-Riesch: "Ich kann mir bei Evi überhaupt nicht vorstellen, dass sie das vorsätzlich tut." Dann ging sie, hinüber ins Österreich-Haus. Dort war die Stimmung an diesem Abend besser.

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