Dopingaffäre im russischen Biathlon:Absturz der Senkrechtstarter

Lesezeit: 3 min

Doping im Biathlon? Die ganze Sportart fürchtet um ihren Ruf. (Foto: dpa)

Zwei Dopingfälle im russischen Biathlon sorgen kurz vor den Winterspielen in Sotschi nicht nur im Land der Gastgeber für Unruhe. Die ganze Sportart fürchtet um ihren Ruf.

Von Thomas Kistner

Russlands aktuell beste Biathletin hat aufgegeben. Dass Irina Starych nicht teilnehmen darf an Wladimir Putins Winterspielen an der Schwarzmeerküste, liegt an einem vertrauten Problem des russischen Sports: Kurz vor der Jahreswende war bei Starych anlässlich eines unangekündigten Dopingtests eine positive A-Probe ermittelt worden.

Es war kein Zufall, sondern eine Zielkontrolle, veranlasst eingedenk der sprunghaft verbesserten Saisonleistungen, die die 26-jährige bis dahin gezeigt hatte. Und noch eine zweite Zielkontrolle gab es, auch sie war positiv. Ekaterina Jurjewa soll die Sünderin sein, heißt es in russischen Medien und informierten Kreisen. Pikant: Sie hat bereits eine Zweijahres-Sperre wegen Epo-Dopings hinter sich - und auch jetzt wird von Epo geraunt.

Positive Dopingprobe
:Russische Biathletin zieht sich von Olympia zurück

Eine positive A-Probe wird der Skijägerin Irina Starych zum Verhängnis: Wenige Tage vor Beginn der Olympischen Spiele erklärt die Sechste des Gesamtweltcups ihren Verzicht auf die Spiele. Die Überführte spricht von einem "Missverständnis".

Die zwei Verdachtsfälle erschüttern die Glaubwürdigkeit des russischen Sports so kurz vor der Sotschi-Eröffnung bis ins Mark. Starych, aktuell Sechste im Gesamtweltcup, teilte am Donnerstag auf der Seite des russischen Biathlon-Verbands RBU mit: "Ich habe von der IBU ( Biathlon-Weltverband; d. Red.) ein Schreiben erhalten, dass eine meiner Proben positiv war. Dies kommt für mich sehr überraschend." Sie habe daraufhin "sofort beschlossen, die Öffnung der B-Probe zu beantragen. Ich denke, dass es sich um ein Missverständnis handeln muss".

Im russischen Biathlon-Verband wird diese Einschätzung keineswegs geteilt. Starych gehört, ebenso wie die verdächtigte Jurjewa, dem "Kommando Korolkowitsch" an, wie sich die mit sieben Athletinnen größere Trainingsgruppe der in zwei Teams aufgeteilten nationalen Skijäger-Elite nennt. Die andere umfasst fünf Sportlerinnen und heißt "Kommando Pichler" - benannt nach ihrem Trainer Wolfgang Pichler, der in der Wintersportszene seit vielen Jahren für einen klaren Anti-Doping-Kurs bekannt ist. Mit großer Erleichterung hatte der 59-Jährige aus Ruhpolding vor der Abreise am Donnerstag nach Sotschi betont, dass seine Schützlinge nicht betroffen sind.

Am Dienstagabend schon hatte die IBU verkündet, dass drei Biathleten - ein dritter Sündenfall betrifft Litauen - wegen positiver A-Proben provisorisch für alle offiziellen Wettbewerbe gesperrt werden. Namen hatte der Weltverband so wenig genannt wie die verbotenen Substanzen oder Praktiken, die den Verdächtigen angelastet werden. Das erhöht die Verunsicherung und das Misstrauen innerhalb der russischen Delegation. Richtig grün waren sie sich dort schon lange nicht mehr, nachdem es bei der WM im Vorjahr nicht eine Medaille für das Biathlon-Team gegeben hatte.

Cheftrainer Pichler verwies zwar auf die durchaus ansehnlichen Platzierungen, "in sechs Rennen kamen wir unter die ersten Fünf", aber die Ausbeute erschien manchem zu dünn - vor allem Putins Administratoren, die auch die Sportführung durchziehen. "Es gab Druck von der Regierung", sagt Pichler, der dann selbst eine Konsequenz zog: Als Chefcoach abgesetzt, zog er sich auf den Job als Funktionstrainer zurück und bildete mit Olga Saizewa, Jekaterina Schumilowa, Jana Romanowa, Jekaterina Glasjeina und Olga Wiluchina seine eigene Gruppe.

Anfänglich gab es drei solcher Einheiten, inzwischen sind nur noch die Teams von Pichler und Wladimir Korolkewitsch unterwegs. Der russische Trainer-Rivale, den viele Auslandsstationen zuletzt in die Ukraine geführt hatten, brachte nur eine aus seiner Gruppe ins sechsköpfige Sotschi-Aufgebot: Starych, die geheimnisvolle Senkrechtstarterin.

Irina Starych war 2013 plötzlich im Weltcup aufgetaucht. Ihr erstes Rennen, den Einzelstart beim Weltcup in Östersund, beendete sie auf Platz 28. Aber dann gab sie Gas: In fünf Rennen lief sie viermal unter die ersten Fünf, einmal wurde sie Zwölfte.

Eher umgekehrt die Formkurve bei Ekaterina Jurjewa. Die Einzel-Weltmeisterin von 2008 war Teil jenes russischen Weltklasse-Trios mit Albina Achatowa und Dmitri Jaroschenko, das Ende 2008 des Epo-Missbrauchs überführt worden war - die letzte große Biathlon-Affäre.

Rätselhafte Formeinbruch

Zur Überraschung vieler war die 30-Jährige nach Ablauf ihrer Dopingsperre zurückgekehrt; Coach Pichler war nicht erfreut darüber. Jurjewa startete furios in die Saison, wurde Vierte und Siebte. Dann, im dritten und vierten Weltcup-Rennen, brach ihre Laufleistung regelrecht weg, sie landete auf den Rängen 54 und 43. Als Weltcup-40. schaffte sie die Sotschi-Norm nicht. Trotzdem soll es von politischer Seite Versuche gegeben haben, sie doch durchzudrücken.

Und es gab mehr Merkwürdigkeiten. So sollte der Sportmediziner Andrej Dmitrijew, Zentralfigur der Biathlon-Affäre von 2009 und mit Achatowa verheiratet, 2013 wieder Sportler betreuen, darunter Biathleten. Als der Plan ruchbar wurde, nahmen die Funktionäre davon Abstand.

In Sotschi breitet sich nun lähmender Zweifel aus. "Wenn eine Spitzenathletin verwickelt ist, stellt dies das Programm generell in Frage und die Resultate der ganzen Mannschaft", sagt Max Cobb, Chef des amerikanischen Biathlon-Verbandes. Mit der Sorge dürfte er nicht alleine stehen.

© SZ vom 31.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: