Doping bei Olympia:Die Kriminalisten stellen die Suche ein

Pyeongchang 2018 -  Curlin

Alexander Kruschelnizkij (l.) wurde an zwei Tagen positiv auf das verbotene Herzmittel Meldonium getestet.

(Foto: dpa)
  • Der russische Curler Alexander Kruschelnizkij wurde bei Olympia an zwei Tagen positiv auf das verbotene Herzmittel Meldonium getestet.
  • Kruschelnizkij verzichtet nach eigener Aussage auf eine Anhörung beim Internationalen Sportgerichtshof (Cas). Es ist nun endgültig davon auszugehen, dass das Cas am Ende einen Verstoß gegen die Anti-Doping-Regeln festhalten wird.
  • Damit gerät das IOC weiter unter Druck.

Von Johannes Aumüller, Pyeongchang

Russland begann die Suche, und mancher Vorgang in dieser Suche kam schon sehr amüsant daher. Die russischen Verantwortlichen sind der Meinung, dass es nur eine Erklärung gibt für den sportpolitisch so heiklen Dopingbefund ihres Curlers und Bronze-Gewinners Alexander Kruschelnizkij: Irgendwie muss das Zeug in seinen Körper geraten sein, ohne dass er das wollte. Also begannen sie, die eifrigen Kriminalisten zu mimen.

Die nationale Curling-Föderation etwa teilte mit, sie habe beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC) Einblick in die Video-Aufnahmen aus dem olympischen Dorf erbeten. Das Gleiche gelte für das Hotel in Japan, in dem Kruschelnizkij bis kurz vor den Spielen in einem Trainingslager weilte. Vielleicht sei darauf ja etwas oder irgendjemand zu sehen.

Am Mittwochabend zeigte sich, dass die russischen Verantwortlichen die Suche nach Video-Material oder anderen Dingen offenkundig eingestellt haben. Da teilte Kruschelnizkij russischen Medien mit, dass er nicht an der geplanten Anhörung beim Internationalen Sportgerichtshof (Cas) teilnehmen werde. Der Cas bestätigte später, dass die Anhörung abgesagt sei. "Ich glaube, dass eine Anhörung unter den aktuellen Regeln nutzlos wäre", sagte Kruschelnizkij. Er bestritt zwar erneut, jemals gedopt zu haben, aber es sei eben dumm zu bestreiten, dass sich in seinem Organismus eine verbotene Substanz befunden habe. Gleich in zwei Proben - 12. und 13. Februar - war bei ihm das Herzmittel Meldonium gefunden worden.

Kruschelnizkij und seiner Partnerin Anastassija Brysgalowa wird Bronze aberkannt

Wenn ein Athlet positiv getestet wird, aber vorgibt, unschuldig zu sein, wird oft nach abenteuerlich klingenden Erklärungen gesucht. In Kruschelnizkijs Fall sind bisher keine guten Argumente öffentlich geworden. Dass das in seinem Urin nachgewiesene Herzmittel Meldonium im Curlingsport nichts bringe, entlarvte der positiv getestete Athlet selbst als schwachen Einwand: Schließlich gab er in einer Erklärung zu, das Medikament genutzt zu haben, solange es erlaubt war, bis 2016. Irgendetwas wird er sich davon versprochen haben, und wahrscheinlich war das keine Leistungsverschlechterung.

Kruschelnizkij soll Medaille zurückgeben

Nach seiner positiven Dopingprobe will der russische Curler Alexander Kruschelnizkij dem Verband seines Landes zufolge seine Bronzemedaille zurückgeben. Das sagte eine Sprecherin des russischen Curling-Verbandes dem Staatsfernsehen des Landes. Man habe eine Erklärung unterzeichnet, dass der Dritte des Mixed-Wettbewerbes von Pyeongchang die verbotene Substanz Meldonium in seinem Körper gehabt habe. "Als Konsequenz werden wir die Medaille zurückgeben", sagte Verbandssprecherin Valentina Parinowa.

In Kreisen der russischen Delegation kursieren zahlreiche Spekulationen über den angeblichen Sabotage-Hergang; noch am Mittwochmittag hatte Kruschelnizkij einem TV-Sender gesagt, er habe eine Version, die er beim Cas vortragen wolle. Bei der zuständigen Doping-Kammer des Sportgerichtshofes liegt der Fall schon seit Dienstag. Diese hatte die Anhörung des Athleten angesetzt für Donnerstag, 14 Uhr koreanischer Zeit. Der Cas will noch am Donnerstag eine Entscheidung treffen.

Durch Kruschelnizkijs Verzicht ist die Sachlage schon recht klar. Ihm und seiner Partnerin Anastassija Brysgalowa wird Bronze im Mixed-Curling aberkannt, dafür rückt das norwegische Duo nach. Und es ist nun endgültig davon auszugehen, dass das Cas am Ende einen Verstoß gegen die Anti-Doping-Regeln festhalten wird. Damit gerät das IOC weiter unter Druck. Am Samstag soll dessen Exekutive beraten, ob die Suspendierung von Russlands Olympia-Komitee schon zur Schlussfeier aufgehoben wird.

Was geschieht mit Russlands Suspendierung?

Diese Suspendierung war bekanntlich ausgesprochen worden wegen der Doping-Vorfälle bei den Spielen 2014 in Sotschi: Damals waren als Höhepunkt eines jahrelangen Betrugssystems im örtlichen Labor an der Schwarzmeerküste vermeintlich positive Dopingproben von russischen Athleten nachts durch ein Loch in der Wand ausgetauscht worden gegen solche mit sauberem Urin. Die Rückkehr des russischen Komitees in den Olympia-Zirkel galt offenkundig schon als abgemacht, doch dann kam Kruschelnizkijs Positivtest dazwischen.

Ein Entscheid zur Wiederzulassung basiert auf der Empfehlung einer IOC-Kommission unter Vorsitz von Nicole Hoevertsz aus Aruba. Die Kriterien für die Aufhebung der Suspendierung seien "ein bisschen flexibel", sagte sie, aber manche sind konkret formuliert worden. Unter anderem heißt es: Die Einzelsportler, die wegen der Suspendierung ihres Komitees als "Olympische Athleten aus Russland" starten, müssten die Anti-Doping-Regeln "kennen und akzeptieren" - mithin auch befolgen.

Doch das IOC begann schon am Mittwochmittag vor Kruschelnizkijs Mitteilung, diesen Punkt zu relativieren. Auf die Frage, ob nicht ein festgestellter Anti-Doping-Verstoß aufgrund der vom IOC selbst formulierten Kriterien zur weiteren Suspendierung führen müsste, gab ein Sprecher keine klare Antwort. Die Grundhaltung des IOC geht so: Es kommentiert keine Einzelfälle, und beim Dopingfall will es erst die Entscheidung des Cas abwarten.

Ganz offenkundig ist das IOC dabei, trotz des Dopingfalles die Rückkehr Russlands wie geplant durchzuziehen. Am Mittwoch berichtete die französische Nachrichtenagentur AFP, dass Russland endlich die auferlegte Strafzahlung (15 Millionen Dollar) beglichen habe. Zudem bestätigte das IOC, dass sein Präsident Thomas Bach ein Gespräch mit Igor Levitin geführt habe, einem Vertrauten von Russlands Staatschef Wladimir Putin. Das IOC sagte, Bach habe sich mit ihm getroffen, so wie er sich mit Regierungsvertretern anderer Länder auch getroffen habe. Aber das mit Levitin dürfte ein recht spezielles Gespräch gewesen sein.

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