DFB-Team nach Lahms Rücktritt:Kinder, werdet Außenverteidiger

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Stürzt den Bundestrainer in Nöte: Philipp Lahm. (Foto: dpa)

Seit Philipp Lahm zurückgetreten ist, hat Joachim Löw ein Problem: Er muss zwei Außenverteidiger finden. Weil die Auswahl an Kandidaten begrenzt ist, liebäugelt der Bundestrainer mit einer anderen Idee.

Von Christof Kneer, München

In den Kurzkritiken nach dem Auftaktsieg wurden Kevin Akpoguma und Fabian Holthaus nicht erwähnt. Die Zeitungs- und Fernseh-Berichte drehten sich ausschließlich um den jungen Stürmer Davie Selke, der zwei Tore zu jenem 3:0 gegen Bulgarien beisteuerte, mit dem die deutsche U19-Auswahl gerade die Junioren-EM in Ungarn eröffnet hat.

Akpoguma und Holthaus spielten auch mit, und dass über sie nichts nach außen drang, ist keine schlechte Nachricht. Vermutlich haben der junge Hoffenheimer und der junge Bochumer also mindestens solide, vielleicht sogar gut gespielt, und in diesem Fall könnten sie sich auf einiges gefasst machen. Sie könnten bald A-Nationalspieler sein. A-Nationalspieler wären sie dann nicht, weil sie schon so weit und so gut sind. Sie wären es aus einem anderen Grund: Weil sie Außenverteidiger sind.

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Kinder, werdet Außenverteidiger! Wer möchte, dass sein Sohn 2022 in Katar im deutschen WM-Aufgebot steht, der sollte mit dem Übungsprogramm schon mal anfangen. Im Sturmzentrum und auf den Außenverteidiger-Positionen müssten die Nachwuchstrainer künftig besonders gute Arbeit leisten, hat DFB-Präsident Wolfgang Niersbach gerade gesagt, und die neueste DFB-Personalie nimmt nun auch die Profitrainer in die Pflicht: Nach Philipp Lahms Rücktritt aus der Nationalelf werden jetzt nicht erst für 2020 oder 2022 zwei taugliche Außenverteidiger gesucht, sondern schon für die EM 2016.

Ochsenabwehr wird Löw kaum benötigen

Bislang waren die DFB-Trainer völlig damit ausgelastet, die legendäre Leerstelle auf links zu schließen; die Leerstelle auf rechts war dagegen nie ein Problem, weil man den neu entdeckten Mittelfeldspieler Lahm guten Gewissens dorthin schieben konnte. Man wusste: Viel schlechter als Weltklasse würde der dort nicht spielen.

Es ist also keineswegs so, dass es einem Weltmeistertrainer zwingend langweilig wird auf der langen Reise bis zur EM in Frankreich. Joachim Löw - von dessen Verbleib sein eigener Mitarbeiterstab weiter fest ausgeht - kann die touristisch erfreulichen Qualifikationstrips nach Gibraltar, Schottland, Irland, Georgien und Polen nun auch für dienstliche Zwecke nutzen. Er hat jetzt knapp zwei Jahre Zeit, um rechts und links hinten Lösungen zu entwickeln, mit denen sich der Weltmeister im Sommer 2016 nicht genieren muss.

Praktischerweise haben die Deutschen eine so freundliche Qualifikationsgruppe erwischt, dass sich der Bundestrainer im laufenden Wettbewerb ein paar Experimente erlauben kann. Die für die WM komponierte sog. Ochsenabwehr wird Löw kaum benötigen, er muss Gibraltar und Georgien nicht noch zusätzlich mit vier Innenverteidigern erschrecken.

Dennoch gilt der gebürtige Innenverteidiger Benedikt Höwedes erst mal als Favorit für die Lahm-Position; dank der Existenz eines rechten Fußes stellt die Rolle hinten rechts für Höwedes eine etwas artgerechtere Haltung dar als die Rolle hinten links, die er bei der WM mit großer Tapferkeit spielte.

Hinten links würde sich - Stand jetzt - der Dortmunder Marcel Schmelzer mit dem Dortmunder Erik Durm duellieren, wobei auch zwei Kandidaten aus der Vergangenheit wieder eine Zukunft haben könnten: Marcell Jansen und Dennis Aogo arbeiten daran, ihre Wettbewerbsnachteile aufzuholen, mit unterschiedlichem Erfolg. Aogo hat seinen Kreuzbandriss auskuriert, Jansen spielt allerdings immer noch beim HSV.

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Dreierkette als Möglichkeit

Schon die prominenten Namen zeigen: Man täte allen Nachfolgern einen Gefallen, sie nicht an Lahm zu messen. Seit die Jugendtrainer in Verband und Liga dazu neigen, überzählige Mittelfeldtalente auf die Außenverteidiger-Positionen zu stellen, hat das Niveau da hinten sehr gelitten; die Mittelfeldtalente zieht es irgendwann entweder zurück ins Mittelfeld, oder sie bleiben unvollständige Außenverteidiger.

So entdeckt Löw zurzeit bei schneller Durchsicht der Ligakader neben bekannten Namen wie Kevin Großkreutz oder Andreas Beck zwar ordentliche Kandidaten wie den Gladbacher Tony Jantschke, 24, den Freiburger Oliver Sorg, 24, oder den nach Berlin gewechselten Marvin Plattenhardt, 22; sie sind aber alle mit dem Niveau der Bundesliga gut ausgelastet, keiner von ihnen steht im Verdacht, eine EM spielen zu müssen. Als aussichtsreichster Kandidat für eine dauerhafte Beförderung gilt der bisherige Frankfurter Rechtsverteidiger Sebastian Jung, 24; er verteidigt künftig in Wolfsburg eine Niveaustufe höher.

Natürlich bleibt dem Bundestrainer immer noch der Höwedes-Weg, er kann auch weiterhin Innenverteidiger oder Mittelfeldspieler wie Jerome Boateng, Shkodran Mustafi oder Lars Bender als Außenposten zweckentfremden, aber womöglich wird seine Antwort eine ganz andere sein.

Löw liebäugelt mit der Idee, den klassischen Außenverteidiger zu streichen und stattdessen - wie Pep Guardiola im DFB-Pokalfinale - eine Dreierkette verteidigen zu lassen. Die Außenpositionen würde dann von Mittelfeldspielern besetzt, und hinter den Mittelfeldspielern stünden Mats Hummels, Jérôme Boateng und Benedikt Höwedes - die edelsten Teile des Ochsen-Gespanns.

© SZ vom 22.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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