DFB-Team:Götze und Schürrle ist die EM total misslungen

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Mario Götze (2. v. r.) neben André Schürrle (2. v. l.). (Foto: Matthias Koch/imago)

Sie wollten bei der EM 2016 Eigenwerbung betreiben - das misslang fulminant. Nun müssen sich Mario Götze und André Schürrle um ihre Zukunft sorgen.

Von Christof Kneer, München

Die Uhr lief und lief, die deutsche Elf stürmte und stürmte, und einmal rannte Mario Götze sogar in jenen Raum, in den er vor zwei Jahren auch schon mal gerannt war. Das war insofern sensationell, weil es Götze offenbar gelungen sein musste, sich in diesem von Millionen Augen verfolgten EM-Halbfinale 2016 aus dem Nichts zu materialisieren. Zu diesem Zeitpunkt stand er gemäß offizieller Uefa-Statistik bereits als eine Viertelstunde auf dem Platz, aber gesehen hatte ihn dort noch niemand.

Jetzt tauchte er also plötzlich in der Nähe des französischen Tores auf, aber der Ball hatte dann doch andere Pläne. Er flog nicht zu Götze, anders als im Finale von Rio 2014. Da war André Schürrles Flanke genau in jenen Raum geflogen, in dem Götze sich ebenfalls materialisiert hatte, und plötzlich lag der Ball im Tor.

Mario Götze und André Schürrle haben Deutschland 2014 zum Weltmeister gemacht, in der berühmten 113. Spielminute, so steht das seitdem in jedem Geschichtsbuch. Wem im Alter von 22 bzw. 23 Jahren ein derartiges Glück zustößt, dem kann eigentlich nicht mehr viel passieren in diesem Sport, der müsste eigentlich von innen und außen imprägniert sein gegen alle Bedrohungen in dieser Branche. Formschwankungen, Verletzungspausen, komisches Image? Nur Lappalien für jemanden, der sein Land zum Weltmeister gemacht hat; und erst recht für jemanden, der in diesem WM-Finale ja bereits bewiesen hatte, dass er besser ist als der Beste der Welt.

Übergangener Held: Dem Tor im Finale in Rio 2014 darf Mario Götze bei der WM in Russland keine weiteren Ruhmestaten folgen lassen. (Foto: Chris Brunskill/Getty Images)

"Spezialkräfte" bei der EM

Zeig' der Welt, dass du besser bist als Messi: Mit diesem berühmten Muntermacher hat Joachim Löw damals in Rio Mario Götze aufs Feld geschickt, und man wüsste schon gerne, was Joachim Löw jetzt zwei Jahre später in Marseille gesagt hat, als er Götze beim Stand von 0:1 in dieses Halbfinale entsandte. Wobei: Vielleicht möchte man es doch nicht so genau wissen. Vielleicht hat Löw gar nichts gesagt oder irgendwas Banales, aber bestimmt war es nicht das, was er eigentlich hätte sagen müssen. Er hätte sagen müssen: Zeig' der Welt, dass du wenigstens so gut bist wie Mario Götze. Oder: Zeig' ihr, dass du wenigstens halb so gut bist, wie man dachte, dass du mal wirst.

Zu Schürrle musste Löw übrigens gar nichts sagen, und der Co-Trainer Thomas Schneider musste auch gar nicht diese lustige Kladde zücken, auf der sie den Einwechselspielern immer die Laufwege zeigen. Schürrle blieb auf der Bank sitzen, neben Jonathan Tah, Lukas Podolski, Julian Weigl und zwei Ersatzkeepern.

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"Spezialkräfte" - so hat Löw bei der WM in Brasilien seine Einwechselspieler getauft, sie waren so etwas wie ein zwölfter Stammspieler mit besonderem Auftrag. Zwei Jahre später muss man feststellen, dass die Aufträge deutlich bescheidener geworden sind. Seinen Götze hat Löw im Halbfinale vermutlich nur noch eingewechselt, weil er nicht wusste, wen er sonst hätte einwechseln sollen. Er wusste höchstens, wen nicht: Schürrle.

Götze und Schürrle, inzwischen 24 und 25 Jahre alt, sind vermutlich immer noch exzellente Fußballer, der eine hat immer noch seine fabelhafte Ballbehandlung, der andere seine eifrige Dynamik. Aber sie sind längst hinter die 113. Spielminute zurückgefallen. Die Spezialkräfte aus Rio haben ein Turnier später nicht nur keine prägenden Rollen gespielt im Kader von Joachim Löw. Sie sind dem Turnier bis zur Unkenntlichkeit abhanden gekommen.

In der 113. Spielminute waren Götze und Schürrle Spieler des FC Bayern und des FC Chelsea, und die Branche hat damals erwartet, dass sie die Magie von Rio in ihrem Siegerflieger mit nach Hause nehmen zu ihren Vereinen. Zwei Jahre später sieht die Magie jetzt aber so aus, dass beide nicht genau wissen, wo sie in der neuen Saison eigentlich Fußball spielen sollen. Götze zählt laut allen gängigen Nachschlagewerken zum Kader des FC Bayern, aber das ist im Moment mehr so ein theoretisches Arbeitsverhältnis. Und Schürrle spielt aktuell noch in einer Stadt, die so zirka das Gegenteil von Rio ist: in Wolfsburg.

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Keiner von beiden betrieb Eigenwerbung

Die EM hat keiner von beiden zur Eigenwerbung bei den Schönen & Reichen nutzen können. Aktuell wird im Fall Götze immerhin noch von einem Interesse des Champions-League-Teilnehmers Tottenham Hotspur berichtet, aber es deutet immer mehr darauf hin, dass die Helden aus der 113. Minute sich künftig womöglich im selben Verein die Bälle zuspielen. Mindestens einer der beiden wird nach SZ-Informationen bei Borussia Dortmund landen, unter Umständen sogar beide. In Dortmund haben sie gerade etwa so viel Geld eingenommen (über 100 Millionen brutto), wie sie an Qualität eingebüßt haben (Hummels, Gündogan, Mkhitaryan). Vor allem Mkhitaryans Wechsel zu Manchester United schmerzt den Trainer Thomas Tuchel, der lange mit einem Verbleib des Flügelspielers gerechnet hatte.

Im Verein werden sie nun wohl versuchen, den Verlust der prominenten Namen durch andere prominente Namen aufzufangen. Der Name "Götze" weckt ein paar Titel-Erinnerungen beim BVB, und den Namen "Schürrle" könnten die Klubbosse ihrem Trainer durch deren gemeinsame Vergangenheit in Mainz schmackhaft machen. Offenbar hatte Tuchel als Zugang zunächst auf den Namen "Karim Bellarabi" spekuliert, aber den Leverkusenern ist kein Grund eingefallen, warum sie diesen Spieler hergeben sollten.

Karim Bellarabi hätte man sich übrigens im Halbfinale gegen Frankreich auch gut als Einwechselspieler vorstellen können. Aber ihn hatte Joachim Löw im letzten Moment aus dem Kader gestrichen.

© SZ vom 11.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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