DFB-Elf vor dem Holland-Spiel:Improvisieren à la Löw

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Sturmspitze Marco Reus? Oder doch Lukas Podolski? Nach der Absage von Miroslav Klose und acht weiteren Spielern muss Bundestrainer Joachim Löw im Prestigeduell gegen die Niederlande improvisieren. Durch den Verzicht, einen echten Stürmer zu nominieren, eifert er einem großen Vorbild nach.

Carsten Eberts

Am Sonntagabend weilte Joachim Löw noch in Rom. Er beobachtete Miroslav Klose beim Derby mit Lazio Rom, ging anschließend mit seinem Nationalstürmer essen - schon da hatte der Bundestrainer eine Ahnung, dass es nichts werden würde mit einem Einsatz. Klose machte einen erschöpften Eindruck, bis zum nächsten Morgen verschlechterte sich sein Zustand noch. Schließlich sagte er Löw wegen einer Grippe für das Länderspiel gegen die Niederlande ab.

Kloses Absage bringt den Bundestrainer ausgerechnet vor dem Prestigeduell in Amsterdam in Aufstellungsnöte. Löw versucht dennoch, die Notsituation gelassen zu moderieren. Neun Spieler haben verkündet, dass sie nicht dabei sein werden: Holger Badstuber, Sami Khedira und Mario Gomez standen schon länger als Ausfälle fest, am Sonntag kamen Bastian Schweinsteiger, Toni Kroos, Marcel Schmelzer und Jérôme Boateng dazu, am Montag dann auch Mesut Özil und eben Klose.

Das ist eine große Zahl, und stimmt manchen Kritiker bedenklich: Der November-Termin für Test-Länderspiele ist vielen Bundesliga-Funktionären seit Jahren ein Graus, zuletzt echauffierte sich Rudi Völler, der bezeichnenderweise selbst einmal Teamchef der Nationalelf war, heute in Diensten von Bayer Leverkusen. Hätten all diese Spieler wirklich abgesagt, wenn es sich nicht bloß um ein Test-Länderspiel gehandelt hätte?

Löw beteiligt sich an den Debatten nicht. Er freue sich auf dieses Spiel, weil es ein wichtiger Test sei, sagt Löw am Dienstag in Amsterdam - vor allem nach dem 4:4 gegen Schweden, nach dem manch einer im Team noch etwas gut zu machen hat. "Im November gibt es mehr Verletzungen als im September oder Oktober, die Verletzungshäufigkeit steigt ganz normal an", zeigt Löw sogar Verständnis für die vielen Absagen. Und stellt klar: "Ich habe mit den Ärzten gesprochen. Wenn die Ärzte sagen, es wäre ein Risiko, diese Spieler einzusetzen, glaube ich den Aussagen."

Standard-Bilanz des FC Bayern und der DFB-Elf
:Ecke, Freistoß - und kein Tor

Die Nationalelf und der FC Bayern haben das Gefühl für eine Basisübung des Fußballs verloren: die Standardsituation. Nur drei der 27 Saisontore der Münchner entstand aus einem ruhenden Ball, beim 1:2 gegen Leverkusen vergaben sie 14 Ecken. Die DFB-Elf erzielte seit 2008 kein Freistoßtor mehr. Zahlen und Statistiken über die beiden deutschen Vorzeigemannschaften in Bildern.

Vor allem im Sturm stellt Löw die Absagenflut vor ein Problem. Und das Problem ist teilweise hausgemacht: In seiner Zeit als Bundestrainer hat er stets auf eine Offensivabteilung von überschaubarer Größe gesetzt - in Klose und Gomez gab es nur zwei Spieler, die sich diese Position in den vergangenen Jahren teilten. Am ehesten kam noch der Stuttgarter Cacau hinzu, der jedoch wegen eines Kreuzbandrisses noch weit ins Jahr 2013 ausfällt.

Daran soll sich nichts ändern. Löw arbeitet mit seinem offensiven Spielerstamm, dem er vertraut - und will notfalls lieber improvisieren, als sich von außen irgendeinen Spieler reinquatschen zu lassen. Es wäre ja möglich gewesen, etwa den Leverkusener Stefan Kießling nachträglich zu nominieren. Der ist ein echter Mittelstürmer, trifft in der Bundesliga beständig, gehört aber von seiner Spielweise her nicht unbedingt zum Spielertyp, den Löw schätzt. Er registriere Kießlings gute Leistungen, sagt Löw, stellt jedoch klar: "In diesem Spiel will ich vorne andere Varianten testen. Stefan ist nicht völlig in Vergessenheit geraten. Aber ich wollte für dieses Spiel einen anderen Spielertyp."

So läuft es gegen die Niederlande auf eine Notlösung heraus. Eigentlich gibt es für die Sturmspitze nur zwei Varianten, so weit hat Löw bereits blicken lassen: Lukas Podolski oder Marco Reus. Beide haben die Position bereits gespielt, bei beiden ist jedoch verbrieft, dass sie ihre Stärken im offensiven Mittelfeld besser nutzen können. Wenn sie den Ball bekommen und mit schnellen Pässen weitertragen können, und in der Spitze einen Spieler wissen, den sie jederzeit in ihren Wirbel einbeziehen können.

Insbesondere Podolski. Der blüht merklich auf, seit er im Sommer zu Arsenal London wechselte, wird jedoch unter Arsène Wenger wie auch in der Nationalmannschaft zumeist auf dem linken Flügel eingesetzt. Natürlich gebe es die Überlegung, Podolski diesmal als Sturmspitze einzusetzen, sagt Löw, wie in alten Tagen beim 1. FC Köln: "Lukas kann diese Rolle spielen, aber ganz vorne in der Spitze ist nicht seine Idealposition. Er ist eher der Spieler, der hinter einer zentralen Spitze noch mehr zur Geltung kommt."

So dürfte es auf den Dortmunder Marco Reus hinauslaufen. Der war beim BVB zuletzt an fast jedem Treffer beteiligt, schoss gegen Real Madrid und Augsburg überragende Tore - und galt schon während der EM in Polen und der Ukraine als möglicher Backup für die Sturmspitze. Ein Versuch mit dem 23-Jährigen schwebt Löw schon lange vor, analog zum großen Vorbild Spanien, das bei der EM in den meisten Spielen mit einer "falschen 9" agierte. Und letztlich ohne echten Stürmer Europameister wurde.

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:Ecke, Freistoß - und kein Tor

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Löw wollte sich am Dienstag noch nicht festlegen. "Es gibt diese beiden Möglichkeiten", verrät er lediglich. Den Luxus, zur Abwechslung mal nicht verraten zu müssen, wer im Sturm spielt, gönnt er sich einfach. Hätte Miroslav Klose nicht vergrippt abgesagt, wäre längst klar gewesen, wer als Sturmspitze zum Einsatz kommt. So hat diese Absagenflut doch noch etwas Gutes.

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