DFB-Elf bei der Fußball-WM:Generation Playstation in der Pflicht

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Mesut Özil trägt im Trainingslager in Südtirol eine Spielfigur über den Platz. (Foto: dpa)

Mesut Özil und Mario Götze sind die ersten deutschen Helden der Internet-Fußballwelt. Jung, begabt und mit mehr Followern bei Twitter als Kameruns Nationalelf zusammen. Doch in Brasilien können sie keine Kürspieler mehr sein - der Rest des Teams braucht ihre Hilfe.

Ein Kommentar von Christof Kneer

Hinter Cristiano Ronaldo zu landen, ist keine Schande. Auch eine Niederlage gegen Lionel Messi ist kein Grund, nicht mehr unter die Leute zu gehen. Und man kann auch seriös erklären, wenn es für Gerard Piqué nicht reicht. Piqué ist zwar nur ein Abwehrspieler, aber er profitiert von einem Standortvorteil namens Shakira. Unter jenen 58,1 Prozent aller Menschen, die vorgeben, Piqué zu kennen, befinden sich bestimmt mehrere Tausend, die Piqué auch deshalb kennen, weil er mit der Popsängerin intim ist. Mesut Özil muss also nicht traurig sein, auch wenn er manchmal so aussieht, als wäre er es.

Mesut Özil ist ein Weltstar. Das ist keine Überhöhung, sondern nur die Wahrheit. Gerade hat eine Marktforschungsagentur nach einer repräsentativen Untersuchung in 13 Ländern ein Ergebnis vorgelegt, das Özil schmeichelt. Die Auswertung eines Prominenten-Index ergab, dass weltweit 45,9 Prozent der Befragten Özil kennen. Mit Ronaldo (83,9), Messi (76,1) und Herrn Shakira (58,1) kann Özil nicht mithalten, aber sonst muss er keinen Gegner fürchten. Nicht mal: Mario Götze. Der kommt auf 37,1 Prozent und ist damit - hinter Özil - der deutsche Fußballer mit dem zweithöchsten weltweiten Vermarktungspotenzial.

Özil und Götze sind zwei von diesen Spielern, um die die Welt Joachim Löw beneidet. Jung sind sie, fantastische Techniker sind sie, und sie haben mehr Follower bei Twitter und mehr Likes bei Facebook als die kamerunische Nationalelf zusammen. Diese kamerunische Nationalelf hat den virtuellen Helden aber gerade ein paar sehr reale Follower auf die Füße gestellt, und das hat dazu geführt, dass Joachim Löw mit zwei sehr berechtigten Auswechslungen den Gefällt-mir-nicht-Knopf drücken musste.

Özil und Götze sind Deutschlands erste Helden in der globalen Internetfußballwelt, glattpolierte Kunstfiguren, die an der Spielkonsole so virtuos sind wie auf dem Feld. Sie sind ihre eigenen Avatare, und man muss sich vielleicht nicht wundern, wenn sie mit ihren Realitäten mal durcheinander kommen. Der grundsätzlich großartige Özil und der theoretisch zur Großartigkeit neigende Götze haben nun entscheidende Wochen vor sich, ebenso wie Toni Kroos und Marco Reus, weitere Mitglieder der Generation Playstation, deren Spiel zuletzt immerhin besser durchblutet und deutlich lebendiger war als das von Özil und Götze.

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Die WM werden die Vier nicht an der Konsole ausspielen können, sondern in einem echten Land mit weiten Reisen, hoher Luftfeuchtigkeit und Gegnern, die man nicht per Joystick ausdribbelt. Özil, Götze, Kroos und Reus sind begabter als die meisten Spieler, die bei dieser WM auftreten werden, aber der Blick auf Löws Kader zeigt, dass die Vier in Brasilien keine Kürspieler mehr sein können. Die sonst für die Pflicht zuständigen Khedira, Schweinsteiger oder Klose brauchen zurzeit selber Hilfe - von Spielern, die aus Fleisch und Blut bestehen und nicht aus Vermarktungspotenzial.

© SZ vom 03.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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