DFB-Auswahl besiegt Irland:Richtung Rio

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Freut sich auf die WM in Brasilien: Thomas Müller (Foto: REUTERS)

Mit einem hoch verdienten 3:0 gegen Irland qualifiziert sich die deutsche Elf für die WM in Brasilien. Bundestrainer Joachim Löw kann es sich sogar erlauben, ohne richtigen Stürmer zu spielen. Nach der Partie deutet Löw an, dass er in Kürze seinen Vertrag verlängern wird.

Brasilien! Es ist ein mit Magie aufgeladenes Wort im Fußball, ein Wort, dem weitere magische Assoziationen folgen, Maracana, Pelé, Zico, Sokrates, Romario, Ronaldo. Ein paar unmagische brasilianische Wörter gibt es auch, zum Beispiel Paulo Rink, aber diese kleinen Ausreißer sind nicht stark genug, um der Magie etwas anhaben zu können. Brasilien ist das Traum- und Sehnsuchtsland vieler Fußballergenerationen, und dass die aktuelle deutsche Generation das magische Land bald erforschen darf, steht seit Freitagabend fest. Durch ein hoch verdientes 3:0 (1:0) gegen Irland im vorletzten WM-Qualifikationsspiel hat sich die Elf von Trainer Löw die Teilnahme am heiligen Weltturnier im Sommer 2014 endgültig gesichert.

"Insgesamt war es eine sehr gute Qualifikation, wir haben acht von neun Spielen gewonnen", sagte Löw und deutete erstmals an, dass es nicht mal lange dauern dürfte bis zu seiner Vertragsverlängerung. Man habe "die Eckdaten schon ein bisschen festgezurrt", sagte er, er werde jetzt noch mal ein Gespräch mit DFB-Präsident Wolfgang Niersbach und Generalsekretär Helmut Sandrock führen, "aber ich glaube schon, dass wir eine Einigung finden werden".

Löw weiß, dass auf dem Weg zum WM-Titel kompliziertere Gegner warten dürften als die Iren. Ihre Taktik bestand grob zusammengefasst darin, auf den Anpfiff zu warten und diesen Anpfiff zum Anlass zu nehmen, sich an den eigenen Strafraum zurückzuziehen.

DFB-Elf in der Einzelkritik
:Staatsmännisch wie Helmut Kohl

Mesut Özil hat ein spätes Rendezvous mit dem Ball, Per Mertesacker imitiert den ehemaligen Kanzler, Bastian Schweinsteiger schlurft lustlos durchs Mittelfeld. Die deutsche Nationalmannschaft beim 3:0 gegen Irland in der Einzelkritik.

Aus dem Stadion von Lisa Sonnabend und Philipp Selldorf

Nach fünf Minuten sah die Partie schon so aus wie zurzeit Bayern-München-Spiele gegen Nürnberg aussehen. Die deutsche Elf, passenderweise mit sechs Bayern-Profis in der Startformation, war höchst überlegen, die DFB-Profis spielten sich elegant die Bälle zu und wunderten sich, warum diese Iren alle Fußballer geworden sind, wo sie doch offenbar gar nicht Fußball spielen wollen. Was die Iren wollten: Sie wollten den Deutschen den Spaß verderben.

Dieser Weg ins Traumland Brasilien, er würde kein leichter sein, das hatten die Deutschen schon vor dem Spiel geahnt, und zur Überwindung der zähen irischen Menschenmenge hatte sich der Bundestrainer wieder eine echte Löw-Lösung einfallen lassen. Er setzte nicht auf Wucht und Direktheit, sondern auf Finesse und Verwirrung. Er verzichtete auf den Gladbacher Max Kruse, den letztverbliebenen Angreifer im Kader, und beorderte statt dessen Mittelfeldspieler Mesut Özil in die Spitze. Dort tauchte Özil aber selten auf, er trieb sich hier herum und dort, ebenso wie Thomas Müller, der sich hier herum trieb und dort.

Beide rochierten ständig, und so erinnerte das Spiel tatsächlich immer wieder an das der Bayern. Zwar hatte Löw darauf verzichtet, Philipp Lahm ins Mittelfeld zu schicken, wie der Bayern-Kollege Pep Guardiola das inzwischen regelmäßig tut; ein paar Anregungen des katalanischen Trainers setzte Löw aber gerne um. Er baute seine Elf im pep-ähnlichen 4-1-4-1-System, mit Sami Khedira als einzigem Sechser, und den Münchnern Bastian Schweinsteiger und Toni Kroos in ihren Original-Bayern-Rollen im vorderen Mittelfeld.

Jogo bonito, auch das ist einer jener magischen brasilianischen Fußball-Begriffe, er heißt übersetzt "schönes Spiel" und steht für ein ewiges brasilianisches Dilemma. Die Brasilianer waren im Lauf der Jahrzehnte ja immer wieder in der Gefahr, die Effizienz des Spiels für die Schönheit zu opfern, und so gesehen reisen die Deutschen als echte Brasilianer nach Brasilien. Zwar gelang ihnen ein frühes Tor, als Lahm mit schönem Pass Khedira bediente, dessen abgefälschter Schuss im Tor landete (12.) - es war insofern ein beachtlicher Treffer, weil die deutsche Elf ihn den körperlich überlegenen Iren abgetrotzt hatte.

Die Deutschen erzwangen das Tor durch scharfes Anlaufen der irischen Verteidiger, die prompt den Ball verloren. Es war aber einer der wenigen effizienten Angriffe in der ersten Halbzeit. Ansonsten fehlten den Deutschen ein paar Stundenkilometer im Aufbauspiel und ein paar Gramm Entschlossenheit, um die leidenschaftlichen Iren frühzeitig zu überfordern. Nur wenn der Ball André Schürrle erreichte, kam Tempo ins Spiel; der Linksaußen des FC Chelsea nutzte die Abwesenheit von Marco Reus, um darauf hinzuweisen, dass es ihn auch noch gibt.

Manchmal in der Abwehr zu lässig

Trotz ihrer fulminanten Überlegenheit bewiesen die Deutschen erneut, dass sie für die eine oder andere Unachtsamkeit in der Abwehr immer zu haben sind. Kurz vor und kurz nach der Pause kamen die fußballerisch heillos unterlegenen Gäste zu großen Chancen, weil sie das taten, was sie am besten können: Sie schlugen lange Bälle, köpften an die Latte (Clark, 45.) oder schossen nach knackigen Tempogegenstößen vorbei - einmal sogar nach einer deutschen Ecke, als Whelans Befreiungsschlag übers halbe Feld die deutsche Abwehr überflog und den herausstürzenden Torwart Neuer in arge Verlegenheit brachte. Später durfte Neuer aber einige Male glänzen.

Die Iren waren weit davon entfernt, ein ebenbürtiger Gegner zu sein, dennoch gelang es ihnen, die zahlreichen Stärken und die weniger zahlreichen Schwächen der DFB-Elf offen zu legen. Zu feinster Technik und höchstem Spielverständnis gesellt sich bei Löws Schützlingen immer wieder mal eine gewisse Lässigkeit, sowohl vorne, beim Torabschluss, wie auch hinten, beim Zugriff auf die gegnerischen Offensivaktionen.

Zwar hat Löw seinen Ton merklich verschärft, er hat unter der Woche eine offensive Pressekonferenz gegeben und sehr entschlossene Sätze unter die Leute gebracht, aber seine Mannschaft intoniert ihr Spiel immer noch etwas anders. Seine Spieler stehen zu ihrer Künstlerseele: Das 2:0 war ein Kunstwerk, für das man den Begriff jogo bonito erfinden könnte: Kroos schlenzte einen Pass in den vollgestellten Strafraum, Schürrle stoppte den Ball mit rechts, drehte sich und schoss mit links locker ein. Und Özil rundete das Bild mit einem Heber zum 3:0 ab, auf den jeder Brasilianer stolz wäre.

© SZ vom 12.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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