Deutschland gegen Frankreich im Vergleich:Caipirinha für Pogba, warmes Bier für Kroos

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Torwart und Libero in Personalunion: Manuel Neuer (li.) hat leichte Vorteile gegenüber Frankreichs Hugo Lloris (Foto: AFP)

Neuer gegen Lloris, Kroos gegen Pogba, Müller gegen Benzema: Im WM-Viertelfinale Deutschland gegen Frankreich prallen die prägenden Einzelspieler der Fußball-WM aufeinander. Ein Mann-gegen-Mann-Vergleich, gemessen an den kulinarischen Spezialitäten des Gastgeberlandes.

Von Thomas Hummel, Rio de Janeiro

Mannschaften aus Europa fliegen heutzutage leider nicht mehr zu einer Weltmeisterschaft, um neben dem Fußballspielen Land, Leute und Sitten kennenzulernen. Sie haben ihren eigenen Bus dabei, chartern eigene Flugzeuge, manche bauen sogar eigene Ressorts am Meer. Sie bringen einen Koch mit, der sein eigenes Essen im Gepäck hat. So kommen zum Beispiel die Nationalspieler aus Deutschland und Frankreich selten bis gar nicht in den Genuss der brasilianischen Küche, was ein Jammer ist. Teilweise.

Nach weltexklusiven Informationen von SZ.de soll sich das ändern. Weil aus der Vergangenheit einige Rechnungen offen sind, haben die Anführer der Teams eine zusätzliche Wette laufen: Sie treffen sich nach dem Viertelfinale in Rio de Janeiro in einem Lokal in der Nähe der Christus-Statue zum Essen. Der Gewinner bekommt leckeres Rinderfilet und Caipirinha. Der Verlierer isst trockenen Reis mit Bohnen und trinkt warmes, brasilianisches Bier. Wer für diesen Wettstreit die besten Chancen hat, das zeigt unser Vergleich Mann gegen Mann.

Hugo Lloris - Manuel Neuer

Der eine ist Torwart, der andere Torwart und Libero. Insofern ein nicht ganz fairer Vergleich. In Bezug auf das traditionelle Torhüterspiel im Strafraum unter Zuhilfenahme der Hände, ist der 27 Jahre alte Franzose ein solider Vertreter seiner Zunft. Wechselte vor zwei Jahren zu Tottenham Hotspur und ist inzwischen Kapitän der Équipe tricolore. Strahlt bislang das Gefühl aus, alles im Griff zu haben. Noch mehr im Griff hatte Kollege Manuel Neuer. Gegen Algerien trieb er sein offensives Spiel auf die Spitze, erledigte die Arbeit der Abwehr gleich mit. Wird Deutschland Weltmeister, dann muss im Land der Fußballgötter, Meiersepps und Titanen ein neues Synonym für einen besten Torwart der Welt gefunden werden. Vorschläge bitte an sport-online@sueddeutsche.de.

Prognose: Drei Portionen Fleisch und ein Eimer Caiprinha für Deutschland.

Mathieu Debuchy - Jérôme Boateng

Der eine ist Rechtsverteidiger, der andere Innenverteidiger, der Rechtsverteidiger spielen muss. Insofern ein nicht ganz fairer Vergleich. Was in diesem Fall aber nichts ausmacht, weil Jérôme Boateng, der Aushilfs-Rechtsverteidiger, bei der WM einen soliden Part auf rechts spielt und Mathieu Debuchy zu mehr auch nicht in der Lage ist. Sollte sich Boateng mit seiner Rolle am Rande des Feldes arrangieren, kann er aufgrund seiner körperlichen und technischen Voraussetzungen leicht der Bessere sein. Und ein WM-Viertelfinale ist nicht einmal für einen Berliner der Moment, an den Umständen herumzumeckern.

Deshalb: Reis mit Bohnen für Debuchy.

Raphaël Varane - Per Mertesacker

Das ungleiche Duell. Auf der einen Seite der junge, dynamische, schnelle Aufsteiger auf dem Innenverteidigerposten, der bei Real Madrid demnächst Pepe und Sergio Ramos verdrängt, auch wenn er bei Madrid bislang nur die Ersatzrolle bekleidete. Auf der anderen Seite der Grandseigneur des Abwehrspiels, der "big fuckin' German" aus London, gestählt in 102 Länderspielen. Der aber in Brasilien zeigt, dass er für ein rasantes Spiel nicht gemacht ist, weil er dann hüftsteif daherkommt. Das Duell Frankreich gegen Deutschland im Jahr 2014 könnte sich auf dieses Duell und seine Fragen verdichten: Gewinnt jugendliche Unbekümmertheit mit Tempo? Oder jahrelange Erfahrung mit großer Souveränität?

Prognose: Ein Bad Caipirinha mit Eis für Mertesacker, Bullenfleisch für Varane.

Mamadou Sakho - Mats Hummels

Beide Innenverteidiger kämpfen mit der Hitze. Sakho mit der seines Gemüts. Hummels mit Fieber. Der 24-jährige Profi des FC Liverpool hat bereits alles gezeigt bei dieser WM: starkes Abwehrspiel, enorm gutes Zweikampfverhalten. Aber auch Ausfälle, wie einen Ellbogen-Schlag gegen Ecuador, obwohl es in diesem Spiel für die Franzosen um gar nichts mehr ging. Vor dem Viertelfinale erklärte er, die Mannschaft werde "vielleicht aggressiv, aber nicht bösartig" spielen. Ob er gegen den gewitzten Thomas Müller seine Nerven unter Kontrolle behält? Sollte Mats Hummels seine Grippe ganz überstanden haben, ist Kontrolle sein geringstes Problem. Wie wichtig der Dortmunder für die deutsche Abwehr ist, sahen die Zuschauer zu Beginn des Algerien-Spiels, als die Viererkette mächtig schwamm. Er ist nun das, was er immer sein wollte: ein Anführer dieses Teams. Zumindest auf dem Platz.

Prognose: Hummels in Gourmet-Form, Sakho bekommt warmes Bier zur Beruhigung.

Patrice Evra - Benedikt Höwedes

Der eine ist einer der besten Linksverteidiger der Welt, der andere ist eigentlich Innen-, bisweilen Rechtsverteidiger. Insofern ein nicht ganz fairer Vergleich. Aber was hilft es, Bundestrainer Joachim Löw glaubt, dass Benedikt Höwedes der beste Linksverteidiger im Land ist, also spielt Benedikt Höwedes dort. An ihm entzünden sich dennoch die derzeit größten Debatten, weil unübersehbar ist, dass der Schalker mit seinem linken Fuß keinen gezielten 20-Meter-Pass zustande bringt. Muss sich gegen den kleinen, flinken Valbuena beweisen, was nicht leicht wird. Höwedes ist der brave Arbeiter. Patrice Evra ist das Überbleibsel der Revolte von Knysna, dem WM-Quartier der Franzosen 2010, wo Evra und Co. einen Aufstand gegen den damaligen Trainer Domenech anzettelten. Ein Mahnmal der peinlichen Vergangenheit. An seinen Qualitäten als Linksverteidiger gibt es indes keine Zweifel.

Prognose: Reis mit Bohnen für Höwedes, Caipirinha für den Revoluzzer Evra.

Yohan Cabaye - Philipp Lahm

Die Zeitung Le Parisien beschreibt Yohan Cabaye als "denkenden Kopf der Mannschaft". Der 28-Jährige von Paris Saint-Germain bekleidet die Position im Zentrum des Platzes, er ist ein Werkler, der für das Gleichgewicht im Team zuständig ist. Der Spielaufbau geht fast immer über Cabaye, der mit einfachen, genauen Pässen die Angriffe einleitet. Ein unaufgeregter Zeitgenosse, der die Arbeit des kleinen Mannes nicht scheut. Cabaye ist damit das Äquivalent zu Philipp Lahm. Lahm ist die Verkörperung von Balance im deutschen Mittelfeld. Bis auf zwei Fehlpässe gegen Ghana absolvierte der 30-Jährige bisher eine famose WM. Dennoch wollen ihn viele lieber rechts hinten sehen, weil er dort ebenfalls eine famose WM spielen würde. Bundestrainer Joachim Löw sagt vor dem Viertelfinale: "Es gibt nie Entscheidungen, die für ewig zementiert sind."

Prognose: Für Philipp Lahm werden gleich zwei Plätze am Tisch mit dem Allerbesten gedeckt.

Blaise Matuidi - Bastian Schweinsteiger

Der 27-Jährige von Paris Saint-Germain hat den Nachteil, dass er es gleich mit zwei Spielern aufnehmen muss. Denn Löw hat einen neuen Spieler namens Schweinira bzw. Khesteiger erschaffen. Die Deutschen betreiben auf dieser Position eine in der WM-Historie einmalige Arbeitsteilung. Zwischen Sami Khedira und Bastian Schweinsteiger wählen zu können, ist theoretisch ein Vorteil: Welcher Trainer würde nicht gerne diesen Luxus haben? Andererseits hat auch das seine Tücken, anscheinend kann nicht einmal der Bundestrainer einschätzen, welcher von beiden gerade in Form und körperlich auf der Höhe ist. Insofern wäre es nicht verwunderlich, würde der Trainerstab eine Münze werfen, wer von beiden in Rio beginnen soll. Oder spielen womöglich beide? Blaise Matuidi bringt auf jeden Fall die körperliche Fähigkeit mit, es mit beiden aufzunehmen. Er hat sich im Erweckungserlebnis der französischen Mannschaft, im Playoff-Rückspiel gegen die Ukraine, ins Team hineingespielt und gehört auch in Brasilien zu den stabilen Säulen.

Prognose: Fleisch für Frankreich, Schweinsteiger und Khedira müssen erst einmal mittels des Spiels "Reise nach Rio" um einen Stuhl balgen.

Paul Pogba - Toni Kroos

Die Spekulationsobjekte der beiden Teams. Toni Kroos soll sich angeblich Real Madrid angeschlossen haben, auch wenn er das vor dem Viertelfinale noch einmal dementiert hat. Der Mittelfeldspieler scheint auf dem Absprung zu sein in die große, weite Fußballwelt. Dort angekommen ist Paul Pogba. Der 21-Jährige von Juventus Turin ist das neue Wunderkind des französischen Fußballs. Spielt technisch fein, im Zweikampf robust und mit großer Wucht Richtung Tor. Letzteres hat er Toni Kroos voraus, weshalb er auch mehr als das Doppelte kosten soll - ungefähr 60 Millionen Euro. Manch einer spekuliert darüber, ob Bayern-Trainer Pep Guardiola auf seinem Wunschzettel für die neue Saison den Namen Pogba ganz oben hingeschrieben hat. Der alte Bayern-Stratege gegen den neuen? Niemand sollte Toni Kroos bei dieser WM unterschätzen, nicht mal in den kniffligsten Duellen.

Dennoch: Caipirinha satt für Pogba.

Mathieu Valbuena - Mesut Özil

Der 1,67 Meter kleine Mathieu Valbuena trägt in Frankreich den Beinamen "petit vélo" - das kleine Fahrrad. Damit ist seine Spielweise hinreichend erklärt, er befährt die rechte Seite des Platzes und baut durch seinen tiefen Schwerpunkt Richtungsänderungen ein, bei denen sich Benedikt Höwedes die Hüfte verrenken würde. Dass der Beiname " (avoir un ...) petit vélo (... dans la tête)" in Frankreich auch bedeutet, dass derjenige ein bisschen spinnt, wird den Schalker weiter beunruhigen. Den Vergleich mit Mesut Özil gewinnt Valbuena auf jeden Fall, denn der Deutsche hat mehrfach geklagt, dass er lieber in der Mitte als rechts spielen will. Löw wartet geduldig auf den Özil-Moment in diesem Turnier. Ein bisschen "petit vélo" sein, könnte vielleicht helfen.

Prognose: Valbuena kreiselt mit dem Fahrrad um Höwedes. Özil sagt, er sei froh, dass er der Mannschaft beim Essen helfen könne.

Antoine Griezmann - André Schürrle

Zwei wilde Rennpferde, die darauf warten, endlich aus der Box zu dürfen. Antoine Griezmann ist die Entdeckung des Turniers bei den Franzosen, der ideale Ersatz für Franck Ribéry. Wenn er Tempo ins Spiel bringen wolle, sagt Trainer Didier Deschamps, dann bringe er Griezmann. Gegen die "Außenverteidiger" Deutschlands kann Tempo nicht schaden. Schürrle brachte gegen Algerien ebenfalls die lang ersehnte Geschwindigkeit in den deutschen Angriff. Und er traf mit der Hacke zum 1:0. Das hat er nun Griezmann voraus: ein WM-Tor. Die beiden, die eigentlich Wackelkandidaten sind, könnten für beide Teams die Schlüsselfaktoren zum Sieg mitbringen. Dribbeln, Eins-gegen-eins, Tempo, Tempo, Tempo. Schürrle oder Griezmann - wer ist der Bessere?

Prognose: Beide Essen in Rekordtempo das, was auf den Tisch kommt, und verabreden sich für die Disko.

Karim Benzema - Thomas Müller

Die französischen Medien sind sich einig: Benzema ist nur deshalb bei der WM so gut, weil Franck Ribéry nicht dabei ist. Nun konzentriere sich alles auf den Stürmer von Real Madrid, er müsse seine Auftritte nicht mit dem Profi des FC Bayern teilen. Nun, Thomas Müller dürfte diese Darstellung für absurd halten, er weiß schließlich, wie schön es ist, mit einem guten Ribéry zusammenzuspielen. Benzema und Müller müssen nun jedenfalls beide ohne den Filou auskommen. Beide nutzen das zu auffälligen Partien. Müller hat bei der WM vier Tore erzielt, Benzema drei. Wobei ihm gegen die Schweiz eins geklaut wurde, weil der Schiedsrichter das Spiel beendete, als sich der Ball gerade mitten im Flug ins Tor befand. Beide Mannschaften sind mehr oder minder angewiesen auf ihre Treffsicherheit, die Deutschen noch mehr auf Müller als die Franzosen auf Benzema. Dabei sind beide in ihren Klubs nicht die größten Torjäger, sondern viel mit Zuliefern beschäftigt. Insofern ist auch dies ein offenes Duell.

Prognose: Thomas Müller haut sich die größte Fleischplatte von allen rein (selbstredend ohne Auswirkungen auf seinen Körper), Benzema isst erst Reis und beginnt dann mit dem Ramadan.

Fazit: Fünf Mal Sieger-Rindfleisch für Frankreich, nur vier Mal für die Deutschen - das könnte ein unappetitlicher Abend für Löws Mannschaft werden.

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