Deutsches Tennis nach Wimbledon:Schwere Bürde auf schmalen Schultern

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Ihre Erfolge stehen wohl für sich: Sabine Lisicki.  (Foto: dpa)

Bringen Sabine Lisickis große Auftritte in London den Tennissport hierzulande wieder voran? Es gibt keine Antwort auf diese Frage - dafür ist die Situation um sportliche Erfolge und fehlende TV-Präsenz zu verzwickt. Fest steht: Lisicki und ihre Kolleginnen können das Tennis nicht alleine retten.

Ein Kommentar von Michael Neudecker

Boris Becker hat auch am Sonntag die Zeit gefunden, ein paar Zeilen in die Selbstdarstellungs-Plattform Twitter einzutippen. Sonntag war Finaltag der Männer in Wimbledon, eine ganz gute Gelegenheit, um in Erinnerungen zu schwelgen, weshalb Boris Becker schrieb: "Heute vor 28 Jahren hat ein Teenager aus Leimen in Westdeutschland Wimbledon gewonnen . . . ich."

Boris Becker ist der Bezugsrahmen für deutsche Tennisspieler in Wimbledon, zusammen mit Steffi Graf und Michael Stich, und Sabine Lisicki hat am Samstag gezeigt, dass sie noch zu klein ist für diesen Rahmen. Das ist nicht tragisch, es ist nicht einmal überraschend: Sabine Lisicki ist erst 23, und 17-jährige Wimbledon-Sieger gibt es im heutigen Sport nicht mehr. Kann gut sein, dass es stimmt, was Marion Bartoli nach der Siegerehrung sagte: dass Sabine Lisicki die Titelchance in Wimbledon noch mal bekommt, womöglich auch anderswo, genau weiß das natürlich niemand, aber dass sie das Talent dazu hat, das wusste man schon vor Wimbledon. Sportler brauchen Niederlagen, um zu wachsen, das ist die gute Nachricht für Lisicki.

ARD und ZDF bemühen sich, ab 2014 wieder Live-Bilder aus Wimbledon zeigen zu können, sagten jedenfalls ARD und ZDF nach Lisickis Niederlage. Das ist erfreulich, zugleich ist es erstaunlich, dass gebührenfinanzierte Sender erst dann auf die Idee kommen, ein Weltsportereignis wie Wimbledon könne eine Menge Menschen interessieren, wenn sie von der Öffentlichkeit angeschrien werden. Der Vertrag des Bezahlsenders Sky für die Wimbledon-Rechte läuft bald aus, möglich, dass ARD und ZDF tatsächlich dann den Zuschlag erhalten. Und dann?

Sabine Lisicki hat zwei wunderbare Wimbledon-Wochen gespielt, sie hat gezeigt, dass mit den Deutschen bei den Frauen zu rechnen ist; übrigens nicht als Erste in den vergangenen Jahren. Sie hat dafür gesorgt, dass sich Deutschland wieder mehr für Tennis interessierte als bislang, aber Sport ist schnelllebig, der Mensch ist vergesslich, das ist die schlechte Nachricht für Sabine Lisicki.

Es gibt keine Antwort auf die Frage, ob Lisickis Erfolg einen nachhaltigen Effekt in der deutschen Sportlandschaft hat, es ist eine schwere Frage, und es ist ebenso unangebracht, die Last der Frage allein auf den Schultern von Lisicki oder ihren Kolleginnen abzuladen wie auf den Schultern der Öffentlich-Rechtlichen.

Stimmen zum Wimbledon-Finale
:"Das Fass war leer"

Sabine Lisicki hat ihr erstes Wimbledon-Finale verloren, trotzdem erhält sie Lob von allen Seiten. Gegnerin Marion Bartoli erwartet die Deutsche bald wieder im Endspiel. Auch von Boris Becker und Dirk Nowitzki kommen aufmunternde Worte.

Reaktionen im Überblick

Vielleicht gibt es die Antwort in ein paar Jahren, vielleicht ist es eine positive im Sinne der Sportlandschaft. Vorerst aber ist da eine Ahnung, und die ist weniger positiv. In fünf Wochen beginnt die Fußball-Bundesliga, und 2014 ist während Wimbledon die Fußball-WM.

© SZ vom 08.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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