Champions League:Wolfsburg rächt die Kleinen der Fußballwelt

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Der Sieg gegen Real Madrid ist eine schöne, romantische Geschichte. Doch das Gesetz der Champions League sagt, dass am Ende immer die Gleichen im Halbfinale stehen.

Kommentar von Thomas Hummel

Atlético Madrid weiß seit Jahrzehnten, wie es ist, gegen übermächtige Gegner anzutreten. Gegner mit viel mehr Renommee und vor allem mehr Geld. Seit ein paar Jahren ärgert Atlético aus dem Süden Madrids wieder die Noblen aus dem Norden (Real) und die Avantgarde aus Barcelona. Der Klub stilisiert das Underdog-Image auf dem Platz, wenn es statt Fußballkunst zumeist Kraft-, Energie- und Arbeiterfußball zu sehen gibt. Manchmal auch ekligen Arbeiterfußball, aber egal.

Atlético-Geschäftsführer Miguel Ángel Gil Marín hat nun richtig losgeledert: "Der FC-Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge will, dass die Klubs ins Halbfinale kommen, von denen er meint, dass sie das Kommando führen." Er spielte auf Rummenigges Vorstoß an, der eine Setzliste für die K.-o.-Runde der Champions League gefordert hatte, damit die zuletzt erfolgreichen Klubs so spät wie möglich aufeinandertreffen. Gil Marín sprach von einer "Diktatur der Großvereine".

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So was gab es noch nie in Wolfsburg: Beim 2:0 gegen Real Madrid gelingt der gebeutelten Elf des VfL fast alles. Die Königlichen bleiben verblüfft zurück.

Von Carsten Eberts, Wolfsburg

Nun ist Gil Marín sicherlich kein Sozialist des Fußballs. Er glaubte lediglich an düstere Mächte, die wieder einmal dem FC Barcelona zur Seite standen, als sein Stürmer Fernando Torres beim Stand von 1:0 für Atlético die gelb-rote Karte sah und sein Atlético doch noch verlor. Im konkreten Fall lag er falsch, weil der deutsche Schiedsrichter Felix Brych Torres zu Recht vom Platz geschickt hatte. Generell trifft er aber bei vielen einen Nerv.

Die gute alte David-gegen-Goliath-Geschichte

Fußball war einst der Sport, in dem der Kleine dem Großen auch mal eins auswischen konnte. Diejenigen, die im Leben gerne auf der Seite der Kleinen stehen, auf der Seite der Benachteiligten, die hatten immer mal wieder ihren Tag. Am Mittwoch war der Tag des VfL Wolfsburgs, der den haushohen Favoriten Real Madrid mit 2:0 besiegte. Es gibt da den schönen Satz: Die Kleinen wuchsen über sich hinaus. Und die Großen wirkten satt, behäbig, irritiert. Die gute alte David-gegen-Goliath-Geschichte.

Diese Geschichten geben Menschen die Hoffnung, dass es eben doch möglich ist, gegebene Strukturen aufzubrechen. Dass niemand auf ewig verharren muss in seiner Position. Und sei es nur für einen Abend, für einen Moment. Das hat stark dazu beigetragen, dass Fußball zum Volkssport wurde. Fast die ganze Welt hofft derzeit mit Leicester City. Der unscheinbare Verein aus den Midlands könnte den Bonzen tatsächlich die englische Meisterschaft klauen. Nur: Diese Geschichten gibt es heute viel zu wenig im Fußball.

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Bayern, Barcelona und Real im Halbfinale

Das Gesetz der Champions League ist sowieso ein anderes. Die Veranstaltung geht im September los und Ende April stehen zuverlässig die gleichen drei Mannschaften im Halbfinale. In den vergangenen sechs Jahren schafften es Real Madrid, der FC Barcelona und der FC Bayern je fünf Mal unter die letzten vier. Das hat diese Vereine unermesslich reich werden lassen, denn jeder Erfolg bringt wieder mehr Renommee und wieder mehr Geld. Mit der Forderung einer Setzliste hat Rummenigge betont, dass die Großklubs gewillt sind, ihr Oligopol auf die Ewigkeit zu verlängern.

Dieses Viertelfinale gibt nun all jenen, die es mit den Außenseitern halten, ein wenig Hoffnung. Benfica hat Aussichten, die Bayern im Rückspiel zu überrumpeln. Wolfsburg muss in 90 langen Bernabeu-Minuten sein Wunder aus dem Hinspiel verteidigen. Und auch Atlético ist gegen Barcelona noch nicht raus.

Nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre wären die Fußballromantiker aber sicher nicht überrascht, wenn die Großklubs im Rückspiel ihren Stolz herauskramen und die Verhältnisse ins Lot bringen.

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